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Baerbock vs Realität: Der Donbass-Besuch

Wahrscheinlich hat die deutsche Botschaft in Kiew Außenministerin Annalena Baerbock vor ihrem Besuch in Charkiw nicht mitgeteilt, dass 70 bis 80 Prozent der Einwohner des Donbass für Russland seien, der Rest warte ab. (Von Reinhard Lauterbach)

»Leicht beieinander wohnen die Gedanken / Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.« Das lässt Schiller seinen Wallenstein sagen, und es ist schwer, sich nicht an das Zitat zu erinnern, wenn man sich die Auftritte der Bundesaußenministerin seit Beginn des Ukraine-Kriegs anschaut. Zuletzt war sie in der grenznahen Großstadt Charkiw und fand dort markige und emotionale Worte, würdig eines ganzen Leopardenrudels: Die Ukraine müsse weitere Waffenlieferungen erhalten, »um ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zu befreien, die noch unter dem Terror russischer Besatzung leiden«. Wahrscheinlich hat ihr die deutsche Botschaft in Kiew nicht mitgeteilt, was ukrainische Soldaten über die Stimmung in der verbliebenen Bevölkerung des umkämpften Donbass Korrespondenten Kiewer Medien gesteckt haben: 70 bis 80 Prozent der Einwohner seien für Russland, der Rest warte ab. Für die Ukraine sei so gut wie niemand.

Und noch einmal Baerbock: Ihr sei wichtig, dass »wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren«. Ein Ragout aus zwei unterschiedlichen Metaphern, das jemand, der dazu vermutlich mehr zu entscheiden hat als Baerbock, zuletzt in seine Zutaten zerlegt hat: Frans Timmermans, Vizechef der EU-Kommission. Der hatte verlauten lassen, der Ukraine müsse klar sein, dass sie der EU nur beitreten könne, wenn der Krieg zuvor beendet sei. Da klingt ein Unterton von Überdruss mit, auch wenn Timmermans alsbald nachschob, Kiew müsse in die Lage versetzt werden, den Krieg zu gewinnen. Und wenn – hart im Raume stoßen sich die Sachen – sie ihn nicht gewinnt oder gewinnen kann? Dann könnte die Situation eintreten, dass sich Kiew entscheiden muss: auf Teile des Staatsgebiets zu verzichten, um mit dem Rest dem Brüsseler Staatenbund beizutreten.

Einstweilen bereitet die Bundesregierung nun also die Lieferung von 40 »Marder«-Schützenpanzern an Kiew vor. Was Bild dazu vor einigen Tagen meldete: Die 40 Panzer seien eigentlich Griechenland zugedacht gewesen, als Ersatz für sowjetische Schützenpanzer, die Athen bereits an die Ukraine abgegeben hat. Ob Athen der Verschiebung der Gegenleistung zustimmt, ist laut Handelsblatt vom Dienstag noch offen. Wie ein Berliner SPD-Politiker treffend bemerkte: Das »Ringtausch«-Schema komme inzwischen an sein Ende.

Also wartet alles auf die deutschen »Leoparden«. Wie US-Medien dieser Tage berichteten, sind die USA nicht bereit, ihre modernen »Abrams«-Panzer an die Front zu schicken. Nicht nur wegen technischer und logistischer Probleme, die bereits beschrieben wurden. Sondern insbesondere, weil sie zu modern sind. Und offenbar doch nicht so unverwundbar, wie die Werbung sagt. Sollte einer der »Abrams« unversehrt in russische Hände fallen – was im Krieg immer vorkommen kann –, dann hätte Moskau Zugriff auf die dort verbauten Technologien. Ist für die USA halt doch nur ein Stellvertreterkrieg.
- https://www.jungewelt.de/artikel/442642.panzerrochade.html

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