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Ukraine auf Russlands Spuren
Mit Parteiverboten und Verhaftungen von Journalisten scheint Kiew den Weg in eine instabile Kriegsdiktatur einzuschlagen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj liess am frühen Morgen des 20. März viele linke oder russlandfreundliche Oppositionsparteien in der Ukraine per Dekret verbieten. Laut prorussischen Quellen ist von diesem Parteiverbot auch die grösste parlamentarische Oppositionspartei betroffen, die prorussisch „Oppositionsplattform – für das Leben“, die bei den letzten Parlamentswahlen rund 13 Prozent der Stimmen, vornehmen im Osten des Landes, auf sich vereinigten konnte. Hinzu kommt noch eine Reihe kleinerer linker Parteien.
Selenskyj rechtfertigte die Parteiverbote mit der russischen Invasion der Ukraine und den „politischen Verknüpfungen“, die diese Gruppierungen und Parteien mit Russland unterhalten sollen. Folgende Parteien sind von den Verboten betroffen (Schreibweise laut Quellenangabe): „Opposition Platform – For Life“, „Shariy Party“, „Nashi“, „Opposition Bloc“, „Left Opposition“, „Union of Left Forces“, „State“, „Progressive Socialist Party of Ukraine“, „Socialist Party of Ukraine“, „Socialists“, „Volodymyr Saldo Bloc“. Die genannten linken Parteien sind somit nun genauso illegal, wie die Kommunistische Partei der Ukraine, die schon kurz nach dem prowestlichen Regierungsumsturz 2014 in die faktische Illegalität gedrängt wurde.
Zudem wurde in Odessa der Journalist, Blogger und Physiker Yuri Tkachev vom berüchtigten ukrainischen Geheimdienst SBU verhaftet. Tkachev hat bei seiner Kriegsberichterstattung wiederholt die derzeitige Regierung kritisiert. Der SBU fiel zuletzt Anfang März durch die Hinrichtung eines Mitglieds der ukrainischen Waffenstillstandsdelegation, Denys Kireev, auf, dem Hochverrat vorgeworfen wurde. Kireev war an der ersten russisch-ukrainischen Verhandlungsrunde im belarussischen Gomel beteiligt, wenige Tage danach wurde er vom SBU bei seiner Verhaftung erschossen.
Von den Verboten ist keine einzige jener rechten oder rechtsextremen Parteien oder Milizen betroffen, denen ein wachsender Einfluss innerhalb des ukrainischen Militär- und Sicherheitsapparates nachgesagt wird. Diese zunehmende Machtfülle der extremem Rechten innerhalb des ukrainischen Staats trat zuletzt im Dezember 2021 offen tuzage, als Präsident Selenskyj einem führenden Mitglied der Naziorganisation „Pravy Sektor“ (Rechter Sektor), Dmytro Kotsyubail, den Staatsorden „Held der Ukraine“ verlieh. Der Rechte Sektor soll massgeblich an dem Pogrom von Odessa im Jahr 2014 beteiligt gewesen sein, bei dem Dutzende Teilnehmer eines prorussischen Dauerprotests von ukrainischen Nazis und Sicherheitskräften umgebracht wurden. Hunderte Menschen wurden bei dem Pogrom verletzt.
Die innenpolitisch signifikante Repression gegen die grösste prorussische Partei der Ukraine, die „Oppositionsplattform“, begann schon vor dem Krieg. Das politische Spektrum der Ukraine war lange Jahre weitestgehend bestimmt durch oligarchische Seilschaften, die „ihre“ Partien oder Politiker finanzieren – und die entweder prowestlich oder prorussisch ausgerichtet waren. Der mit Putin befreundete Oligarch hinter der prorussischen Oppositionsplattform, Wiktor Medwedtschuk, wurde im Mai 2021 verhaftet und unter Hausarrest gestellt. Zuvor, im Februar 2021, wurden drei russischsprachige TV-Sender, die Medwedtschuk kontrolliert haben soll, verboten.
Der derzeitige ukrainische Präsident Selenskyj, der einen Antikorruptionswahlkampf führte, wurde wiederum von dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj unterstützt, der nach dem prowestlichen Umsturz 2014 als einer der Finanziers rechter und rechtsextremer Milizen – wie des berüchtigten Asow-Regiments – fungierte. Die Verbote und Inhaftierungen prorussischer Politiker und TV-Sender sind somit einerseits Ausdruck der üblichen Oligarchenkämpfe, wie auch andererseits Folge der geopolitischen Westanbindung der Ukraine, bei der russlandfreundliche Kräfte ausgeschaltet wurden. Das Atlantic Council begrüsste die Verbote russischer Fernsehsender in der Ukraine etwa als eine „couragierte Entscheidung“ des ukrainischen Präsidenten.
Die autoritäre Formierung des ukrainischen Staates geht aber – und das war charakteristisch für den kapitalistischen Krisenprozess in vielen Ländern der Peripherie – mit dessen krisenbedingter Verwilderung einher. Die von Kolomojskyj finanzierten Milizen, etwa in Mariupol, üben ein hohes Mass an Autonomie aus. Die Region in der Nähe der Frontlinie im Donbass galt praktisch als deren Territorium, wo die Kontrolle der zentralen Staatsgewalt kaum wirksam war und wo diese Milizen auch Repression gegen abweichende prorussische oder schlicht liberale Kräfte übten – etwa während einer Demonstration anlässlich des Frauentages.
Selenskyj gelang es zu Beginn seiner Präsidentschaft nicht, diese Nazi-Milizen im Osten unter Kontrolle zu bringen und zur Auflösung zu bewegen, sodass sie später in den Staatsapparat eingegliedert wurden. Formel dem ukrainischen Staat angehörig, scheinen diese rechtsextremen Kräfte an der Erosion ukrainischer Staatlichkeit mitzuwirken, die schon nach 2014 einsetzte, als im Gefolge von Regierungssturz und Bürgerkrieg überall von Oligarchen finanzierte Milizen auftauchten. Und offenbar haben diese fanatisch kämpfenden Milizen inzwischen genügend Einfluss akkumulieren können, um einen weiten Teil des politischen Spektrums der Ukraine verbieten lassen zu können. Je länger der Krieg dauern wird, desto weiter wird diese Wechselwirkung von autoritärer Staatsmobilisierung und innerer Staatserosion in der Ukraine voranschreiten, wie sie zuvor in Peripheriestaaten wie Syrien, Libyen oder dem Irak sich entfaltete.....
- Vollständiger Text mit Fußnoten: https://www.xn--untergrund-blttle-2qb.ch/politik/europa/ukraine-opposition-parteien-verbot-6937.html
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