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Kollektiver Westen gegen Russland: Bis zum letzten Ukrainer
- Von Reinhard Lauterbach
Die Ukraine als Land hat das Pech, dass an ihr zwei gegensätzliche Exempel statuiert werden sollen. Das eine von seiten Moskaus: Was passiert, wenn ein Staat in seiner unmittelbaren Nachbarschaft auf eine NATO-Mitgliedschaft hinarbeitet und damit zur potentiellen Bedrohung für Russland wird. Das andere von seiten des kollektiven Westens. Dafür hat Joseph Biden die Richtung vorgegeben: Russland in der Ukraine so zu schwächen, dass es (und auch jeder andere potentielle Rivale der USA) nie wieder auf den Gedanken komme, strategische Vormärsche des Westens blockieren zu wollen. Um das zu erreichen, wird die Ukraine mit westlichem Geld und westlichen Waffen vollgepumpt. 33 Milliarden US-Dollar allein aus den USA und für fünf Monate, sieben Milliarden Euro monatlich verlangt Präsident Wolodimir Selenskij von der EU. Praktisch wird das Land hierdurch zur Finanzkolonie des Westens. Von wegen »Selbständigkeit«. Die kann man auf Jahrzehnte vergessen.
Doch die in Kiew herrschenden Nationalisten fühlen sich offenbar ganz wohl in dieser Rolle. Am Montag sagte der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Oleksij Danilow, sein Land werde mit Moskau allenfalls noch dessen Kapitulation unterzeichnen. Präsidentenberater Olexij Arestowitsch gab sich gnädiger und sagte, eine Aufteilung Russlands täte es vielleicht auch. Und gegenüber einer spanischen Zeitung erklärte Vizeministerpräsidentin Olga Stefanischyna, selbstverständlich halte Kiew weiter am Ziel der NATO-Mitgliedschaft fest. Damit ist eine Einigung über das zentrale Motiv des russischen Angriffs, die schon nahe schien, von ukrainischer Seite desavouiert worden.
Das kann die Auseinandersetzung nur eskalieren, und Boris Johnson eskaliert mit. Der britische Premier rühmte die ukrainische Armee dafür, »glorreiche Kapitel« in die Kriegsgeschichte eingezeichnet zu haben und gegen »das Böse« zu kämpfen, das »wir« zu lange ignoriert hätten. So etwas nennt man Hetze vom sicheren Rücksitz. Das Sterben übernehmen dabei Ukrainer und Russen, keine Briten, der westlichen Rüstungsindustrie stehen gigantische Nachbestellungen ins Haus. Es ist wie in Rosa Luxemburgs berühmtem Zitat von 1916: Die Dividenden steigen und die Proletarier fallen.
Die Antwort der Gegenseite ließ nicht auf sich warten: Russland hat Stunden nach Johnsons Rede an das ukrainische Parlament den von Putin noch vor Tagen als zu verlustbringend abgelehnten Sturm auf das Stahlwerk in Mariupol wieder aufgenommen – jetzt spielen solche Verluste russischen Lebens offenbar für Putin auch keine Rolle mehr. Seine Mannschaft hat ja auch tatsächlich keinen gesichtswahrenden Ausweg mehr. Sie muss diesen Krieg gewinnen, koste es, was es wolle – oder sie ist weg vom Fenster. Sergej Lawrows Holzereien im Berlusconi-Fernsehen waren eine kapitale politische Dummheit. Denn genau da will der Westen Russland haben: in der Rolle des unverbesserlichen »Bösen«.
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