#hannsdieterhüsch

francoisvillon@societas.online

Hanns Dieter Hüsch - Ich bin ein deutscher Lästerer

Ich habe mich von Kindesbeinen an zu einem deutschen Lästerer entwickelt
Ich habe meinen deutschen Laufstall nicht verlassen
Ich habe schon mit einem Jahr gesprochen
Ich habe schon mit vierzehn Monaten einen guten Eindruck gemacht
Ich habe schon mit 36 Monaten mir meinen Scheitel selbst gekämmt
Ich habe niemals Obst gegessen, wenn es nicht vorher stundenlang gewaschen war -- wer weiß, durch wieviel Hände dieser Apfel schon gegangen ist
Ich habe in der Schule meine Butterbrote immer aufgegessen
Ich habe im Kindergottesdienst immer ausgesehen wie ein Schaf
Ich habe meine deutschen Bleyle-Hosen bis zum »gehtnichtmehr« getragen
Ich habe als Sextaner zur Oberprima aufgeschaut
Ich habe als Primaner Professoren für die Allergrößten gehalten
Ich habe mich dann geistig auf dem laufenden gehalten
Ich habe mich dann musisch auf dem laufenden gehalten
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich ein internationaler Mauschler bin
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein Volk wie eine Art Familie ist
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß es Gott doch gar nicht gibt
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß es Gott doch gibt
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein deutscher Soldat mehr wert ist als ein russischer Soldat
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein deutsches Kind biologisch viel höher steht als ein Zigeunerkind
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich ein weltfremder Idiot bin
Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich doch mal zum Friseur gehen soll
Sie könnten sich auch mal die Haare schneiden lassen
Sie haben wohl kein Geld, zum Friseur zu gehen
Sie haben wohl wieder Ihre Trotzphase
Sie dürften mein Sohn nicht sein
Mit solchen Haaren
Ich müßte Ihr Chef sein
Mit solchen Haaren dürften Sie mir nicht kommen
Was sagen denn Ihre Eltern dazu
Bei Adolf hätten Sie so nicht herumlaufen können
Sie meinen wohl noch, das wäre schön
Würden Sie mir bitte einen Kamm kaufen
Ich kann Ihnen ja nichts sagen: Das ist diese Demokratie
Das ist ja dieser amerikanische Einfluß
Wenn ich Ihr Vater wäre, ich würde Sie mit einer Heckenschere in die Mache nehmen
Wir sind auch mit kurzen Haaren groß geworden
Das ist doch alles diese Überfremdung
Ein Jahr Arbeitsdienst und die Haare wären weg
Das ist doch wohl ganz einfach eine Sache des geringsten Anstands
Ihr Friseur hat sich wohl den Arm gebrochen?
Ihnen ist wohl gleichgültig, wie Sie aussehen?
Die Haare kann man sich doch wenigstens schneiden lassen
Wir hätten so nicht vor unseren Lehrer treten können
Ich kann Sie mit meinem Wagen rasch zum Friseur fahren
Ich habe mir dann sagen lassen müssen
daß Gottes Mühlen langsam mahlen
daß der gesunde Menschenverstand immer noch die Richtschnur ist
daß ich nicht soviel rauchen soll
daß eine deutsche Frau in erster Linie Mutter ist
daß die moderne Kunst krankhaft ist
daß ich Vater und Mutter ehren soll
daß schon der geringste Anstand verlangt, zuerst Deutscher und dann Mensch zu sein
daß ich nicht alles negativ sehen soll

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich indifferent bin
daß ich einen zu einseitigen Standpunkt habe
daß ich gar keinen Standpunkt habe
daß ich doch gleich nach Moskau gehen soll
daß ich ein Kleinbürger bin
daß ich verwahrlost bin
daß ich dafür zu jung bin
daß so die Freiheit nicht aussieht

Daß ich gerade gehen soll
daß ich konsequent sein soll
daß ich in eine Partei gehen soll
daß ich meine Butterbrote aufessen soll
daß ich auch mal zum Friedhof gehen soll
daß ich nicht ungewaschenes Obst essen soll
daß ich einen guten Eindruck machen soll
daß ich wieder wie ein Kind werden soll
daß ich wieder in meinen Laufstall soll
daß ich den Mund halten soll
daß ich meinen deutschen Laufstall nicht verlassen soll.

#deutscheTugenden #HannsDieterHüsch #Kabarett #Satire

nebukadnezar@sechat.org

Hanns Dieter Hüsch - Fragt Eure Väter

Album: Typisch Hüsch | pläne | 1970

Fragt Eure Väter
Warum sie sich nicht vor Euch stellen
Wenn man Euch zum Dienst mit der Waffe holt

Fragt Eure Mütter
Warum sie jammern und Euch doch freigeben
Für ein Handwerk, das stets zu Mord und Totschlag führte

Fragt Eure Priester
Was sie sich dabei gedacht haben
Als sie Euch »Liebe deine Feinde« und »Du sollst nicht töten« lehrten

Hütet Euch vor den Klugschnäbeln
Die euer bestes Wissen und Gewissen, das Beste was ihr habt, untersuchen
Denn gerade sie sind es
Für die ihr später töten und sterben müßt

Fragt Eure Eltern
Ob sie Euch wirklich mehr lieben
Als all diese fatalen Begründungen
Von Heimat, Treue, Vaterland, Ehre, Recht und Ordnung

Und wenn sie Euch keine Antwort geben
Oder wie so oft nur mit den Schultern zucken
Dann fragt sie
Warum sie Euch dann wohl in die Welt gesetzt haben.
peace

#peace #nowar #nohate
#HannsDieterHüsch

nebukadnezar@sechat.org

Die einen nennen es Sport, die anderen Mord,

ich gebe ihm einen Korb

Hanns Dieter Hüsch - Hagenbuch und die Körperertüchtigung

(Hagenbuch - Ketzerische Gedanken, Satire Verlag, 1983)

»Hagenbuch

Hat jetzt zugegeben

Daß er jeder sportlichen Tätigkeit

Sowie jeder Leibeserziehung

Und jeder sogenannten Körperertüchtigung Strikt aus dem Wege gehe

Strikt

Und daß seine einzige

Wenn überhaupt

Sportliche oder auch körperliche Betätigung In ausgedehnten Spaziergängen zu sehen sei

Diese seine endlosen Spaziergänge

Seien aber keine Spaziergänge Sondern Gedankengänge Endlose Gedankengänge,

Die je weiter und je ausgedehnter

Natürlich nicht mehr übersehbare Spaziergänge seien

Aber mit den sonst üblichen Spaziergängen

Die er

Hagenbuch

Zum Beispiel als Vierjähriger

Mit seinen Eltern habe machen müssen

Gar nichts zu tun hätten

Oder zu tun haben könnten Denn als Vierjähriger

Und auch noch als Siebenjähriger

Hätten ihn seine Eltern rund um die Stadt

Jeden Sonntag rund um die Stadt Über den sogenannten Wall

Einer ehemaligen Stadtbefestigungsmauer

Geschleift

An einem Sonntag links herum Am nächsten Sonntag rechts herum

Am dritten Sonntag wieder links herum

So daß er einerseits seine Füße Habe kaum noch empfinden Andererseits aber schon als Vierjähriger

Und auch noch als Siebenjähriger

Mit seinem Kopf sich habe sagen können

Daß er als Erwachsener

Solchem und ähnlichem Unfug Mit aller Kraft entgegenträte Und überhaupt

Jeder sportlichen Betätigung

Und jeder Art und Weise von Leibeserziehung

Und sogenannter Körperertüchtigung

Eine strikte Absage erteile Wie er denn auch

Die bekannte altrömische Behauptung

Daß nur in einem gesunden Körper Ein gesunder Geist sein solle

Für eine außerordentlich kriminelle Behauptung halte

Ja für die kriminellste und unmenschlichste Behauptung

Seit Menschengedenken überhaupt

...

Und

Auf die aufgebrachte Zwischenfrage

Was denn die Menschheit tun solle

Habe er

Hagenbuch geantwortet **In einen Sessel setzen

In einen schönen alten Sessel

Mit hoher Rückenlehne und ausladenden Seitenarmen In diesen Sessel setzen

Und wie die Sphinx im Staube Ägyptens

Von Ewigkeit zu Ewigkeit Dort ganz ruhig sitzen bleiben**

Dem einen einen guten Morgen wünschen

Dem anderen viel Glück

Dem dritten ein reichhaltiges Mahl anbieten

Und den vierten vielleicht bitten

Sich dazu zu setzen

Um in aller Stille durch die Natur zu blinzeln

Von Abendrot zu Abendrot

...«

https://www.youtube.com/watch?v=QI4dvFOS5jw
#Sport #Mord #Korb #HannsDieterHüsch
#diaphoto1647 #diaphoto #foto #photo #fotografie #photography #mywork

francoisvillon@societas.online

Hanns Dieter Hüsch - Persönliche Empfehlung (1981)

Wenn die Krieger kommen

Lock sie aufs Dach der Taube

Lock sie ins Nest der Schwalbe

Lock sie in die Höhle der Löwin

Lock sie in den Wald der Rehe

Geh ihnen entgegen

Mit offenen Händen

Voll Brot und Salz

Obst und Wein

Daß sie sich verlaufen

Im Knüppelholz deinr Tugenden

Daß sie sich verirren

Im Labyrinth deiner Freundlichkeit

Mach sie staunend

Beschäme ihre Generäle und Präsidenten

Laß ihre Handlanger ins Leere laifen

Sei eine Tiefebene voll Höflichkeit

Dein Gewehr sei die Klugheit

Deine Kraft sei die Geduld

Deine Geschichte sei die Liebe

Dein Sieg sei dein schweigen

So daß sich die Landpfleger sehr verwundern

#HannsDieterHüsch #peace #love #NoWar #NoHate

francoisvillon@societas.online

Hanns Dieter Hüsch - Das Phänomen

(Das neue Programm, 1980)

Was ist das für ein Phänomen

Fast kaum zu hören kaum zu sehn

Ganz früh schon fängt es in uns an

Das ist das Raffinierte dran

Als Kind hat man's noch nicht gefühlt

Hat noch mit allen schön gespielt

Das Dreirad hat man sich geteilt

Und niemand hat deshalb geheult

Doch dann hieß es von oben her

Mit dem da spielst du jetzt nicht mehr

Das möcht ich nich noch einmal sehn

Was ist das für ein Phänomen

Und ist man größer macht man's auch

Das scheint ein alter Menschenbrauch

Nur weil ein Andrer anders spricht

Und hat ein anderes Gesicht

Und wenn man's noch so harmlos meint

Das ist das Anfangsbild vom Feind

Er paßt mir nicht, er liegt mir nicht

Ich mag nicht und find ihn schlicht

Geschmacklos und hat keinen Grips

Und auserdem sein bunter Schlips

Dann setzt sich in Bewegung leis

Der Hochmut und der Teufelskreis

Und sagt man was dagegen mal

Dann heißt's: Wer ist denn hier normal

Ich oder er, du oder ich

Ich find den Typen widerlich

Und wenn du einen Penner siehst

Der sich sein Brot vom Dreck aufliest

Dann sagt ein Mann zu seiner Frau

Guck dir den Schmierfink, an die Sau

Verwahrlost bis zum dorthinaus

Ja früher warf man die gleich raus

Und heute muss ich sie ernähr'n

Und unsereins darf sich nicht wehr'n

Und auch die Gastarbeiterpest

Der letzte Rest vom Menschenrest

Die sollt man alle, das tät gut

Spießruten laufen lassen bis auf's Blut

Das hamwer doch schon mal gehört

Da hat man die gleich streng verhört

Verfolgt gehetzt und für und für

Ins Lager reingepfercht und hier

Hat man sie dann erschlagen all

Die Kinder mal auf jeden Fall

Die hatten keinem was getan

Was ist das für ein Größenwahn

das lodert auf im Handumdrehn

Und ist auf einmal Weltgeschehn

Denn plötzlich steht an jedenm Haus

Die Türken und Zigeuner raus

Nur weil kein Mensch derselbe ist

Und weiß und schwarz und gelbe ist

Wird er verbrannt ob Frau ob Mann

Und das fängt schon von klein auf an

Und wenn ihr heute Dreirad fahrt

Ihr Sterblichen noch klein und zart

Es ist doch eure schönste Zeit

voll Phantasie und Kindlichkeit

Laßt keinen kommen der da sagt

Dass ihm dein Spielfreund nicht behagt

Dann stellt euch vor das Türkenkind

daß ihm kein Leids und Tränen sind

Dann nehmt euch alle an die Hand

Und nehmt auch den der nicht erkannt

Daß früh schon in uns allen brennt

Das was man den Faschismus nennt

Nur wenn wir eins sind überall

Dann gibt es keinen neuen Fall

Von Auschwitz bis nach Buchenwald

Und wer's nicht spürt der merkt es bald

Nur wenn wir in uns alle sehn

Besiegen wir das Phänomen

Nur wenn wir in uns alle sind

Fliegt keine Asche mehr im Wind

https://www.youtube.com/watch?v=JJQARGDux6o

#HannsDieterHüsch #peace #love #NoWar #NoHate

francoisvillon@societas.online

Hanns Dieter Hüsch

*6. Mai 1925 †6. Dezember 2005

Ich bin ein deutscher Lästerer

http://www.youtube.com/watch?v=S0SwV88FMRY

»Ich habe mich von Kindesbeinen an zu einem deutschen Lästerer entwickelt

Ich habe meinen deutschen Laufstall nicht verlassen

Ich habe schon mit einem Jahr gesprochen

Ich habe schon mit vierzehn Monaten einen guten Eindruck gemacht

Ich habe schon mit 36 Monaten mir meinen Scheitel selbst gekämmt

Ich habe niemals Obst gegessen, wenn es nicht vorher stundenlang gewaschen war — wer weiß, durch wieviel Hände dieser Apfel schon gegangen ist

Ich habe in der Schule meine Butterbrote immer aufgegessen

Ich habe im Kindergottesdienst immer ausgesehen wie ein Schaf

Ich habe meine deutschen Bleyle-Hosen bis zum »gehtnichtmehr« getragen

Ich habe als Sextaner zur Oberprima aufgeschaut

Ich habe als Primaner Professoren für die Allergrößten gehalten

Ich habe mich dann geistig auf dem laufenden gehalten

Ich habe mich dann musisch auf dem laufenden gehalten

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich ein internationaler Mauschler bin

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein Volk wie eine Art Familie ist

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß es Gott doch gar nicht gibt

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß es Gott doch gibt

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein deutscher Soldat mehr wert ist als ein russischer Soldat

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ein deutsches Kind biologisch viel höher steht als ein Zigeunerkind

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich ein weltfremder Idiot bin

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich doch mal zum Friseur gehen soll

Sie könnten sich auch mal die Haare schneiden lassen

Sie haben wohl kein Geld, zum Friseur zu gehen

Sie haben wohl wieder Ihre Trotzphase

Sie dürften mein Sohn nicht sein

Mit solchen Haaren

Ich müßte Ihr Chef sein

Mit solchen Haaren dürften Sie mir nicht kommen

Was sagen denn Ihre Eltern dazu

Bei Adolf hätten Sie so nicht herumlaufen können

Sie meinen wohl noch, das wäre schön

Würden Sie mir bitte einen Kamm kaufen

Ich kann Ihnen ja nichts sagen: Das ist diese Demokratie

Das ist ja dieser amerikanische Einfluß

Wenn ich Ihr Vater wäre, ich würde Sie mit einer Heckenschere in die Mache nehmen

Wir sind auch mit kurzen Haaren groß geworden

Das ist doch alles diese Überfremdung

Ein Jahr Arbeitsdienst und die Haare wären weg

Das ist doch wohl ganz einfach eine Sache des geringsten Anstands

Ihr Friseur hat sich wohl den Arm gebrochen?

Ihnen ist wohl gleichgültig, wie Sie aussehen?

Die Haare kann man sich doch wenigstens schneiden lassen

Wir hätten so nicht vor unseren Lehrer treten können

Ich kann Sie mit meinem Wagen rasch zum Friseur fahren

Ich habe mir dann sagen lassen müssen

daß Gottes Mühlen langsam mahlen

daß der gesunde Menschenverstand immer noch die Richtschnur ist

daß ich nicht soviel rauchen soll

daß eine deutsche Frau in erster Linie Mutter ist

daß die moderne Kunst krankhaft ist

daß ich Vater und Mutter ehren soll

daß schon der geringste Anstand verlangt, zuerst Deutscher und dann Mensch zu sein

daß ich nicht alles negativ sehen soll

Ich habe mir dann sagen lassen müssen, daß ich indifferent bin

daß ich einen zu einseitigen Standpunkt habe

daß ich gar keinen Standpunkt habe

daß ich doch gleich nach Moskau gehen soll

daß ich ein Kleinbürger bin

daß ich verwahrlost bin

daß ich dafür zu jung bin

daß so die Freiheit nicht aussieht

Daß ich gerade gehen soll

daß ich konsequent sein soll

daß ich in eine Partei gehen soll

daß ich meine Butterbrote aufessen soll

daß ich auch mal zum Friedhof gehen soll

daß ich nicht ungewaschenes Obst essen soll

daß ich einen guten Eindruck machen soll

daß ich wieder wie ein Kind werden soll

daß ich wieder in meinen Laufstall soll

daß ich den Mund halten soll

daß ich meinen deutschen Laufstall nicht verlassen soll.

«

#HannsDieterHüsch #Satire #Kabarett #Niederrhein