Zwei bis maximal fünf Kilometer mit dem Fahrrad? Echt jetzt?
Über diese Grafik bin ich bei einer anderen Gelegenheit gestolpert. Ich finde sie absonderlich.
Zwei Fragen: Fühlt sich jemand von dieser Grafik konkret angesprochen und falls ja, in welcher Weise? Zweite Frage: was ist euer Spektrum an mit dem Fahrrad zurückgelegten Distanzen? Siehe die angehängte Umfrage.
Mich interessiert eine realistische Obergrenze. Entgegen der Grafik dürfte die Untergrenze bei den meisten Menschen bei ein paar hundert Metern liegen. Wenn ich vom zentral gelegenen Markt zehn Kilo Kartoffeln hertransportieren möchte, dann nehme ich dafür selbstverständlich das Hollandrad mit den großen Packtaschen, auch wenn der nur ca. einen Kilometer entfernt ist. Meine Frau nimmt meist das Fahrrad, um im weniger als 500 m entfernten Supermarkt einzukaufen. Das Rad ist hier nicht eine Alternative zum Laufen, sondern die Alternative zum Tragen. Oder, je nach Sichtweise, zum Autofahren. Erst recht in Pandemiezeiten, wenn man möglichst wenig Zeit in einem Laden verbringen will, also pro Einkauf mehr zu transportieren hat.
Man kann aber auch Distanzen >100 km mit dem Fahrrad zurücklegen, meine Kinder machen das gelegentlich, mal zum Vergnügen, manchmal aber auch, weil es die bessere Alternative und eine Notwendigkeit ist. Andererseits können auch drei oder fünf Kilometer zu viel sein, um sie mit dem Fahrrad zurückzulegen. 100 km im Frühling traue ich mir mit dem Rad durchaus noch zu, einen Fahrradanhänger mit zwei Kindern über fünf Kilometer im Winter einen Hügel hochkurbeln aber nicht mehr (mit elektrischem Hilfsmotor im Pedelec-Stil allerdings auch nicht).
Nein, nicht der Umstand ist absonderlich, dass Radfahren über größere Distanzen gewisser Voraussetzungen bedarf, die nicht immer erfüllt sind, sondern im Gegenteil, dass dieser Aspekt komplett ausgeklammert und stattdessen eine pauschale Skala konstatiert wird: bis 1 km geht man zu Fuß, für 1-2 km nimmt man den (neuerdings elektrisch angetriebenen) Tretroller, für 2-5 km das Fahrrad, für 5-10 km das Vélo électrique und darüber Bus, Bahn und Auto.
M.a.W. bei allem grundsätzlich lobenswerten Engagement wird schon im Vorfeld, wenn man einen berichteten #radverkehrsanteil von drei Prozent bis 2024 erst noch auf einen auch nicht berauschende Anteil von neun Prozent steigern will, der Radverkehr förmlich eingemauert. Und das meine ich keineswegs nur figurativ: Auch in Frankreich wurden Konzepte wieder aus der Mottenkiste geholt, die wir, die wir nicht erst seit gestern routinemäßig auch Distanzen über 5 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen, aus eigener Erfahrung als Behinderung und Eindämmung von Radverkehr erfahren haben.
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