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Ukraine-Konflikt | Eine neue Stunde Null
Das aktuelle Drohgebahren Russlands ist das Ergebnis jahrelanger westlicher Demütigungen (von Daniela Dahn)
.... Ist es so schwer nachzuvollziehen, was von russischer Seite als Aggression empfunden wird? Ein halbes Dutzend führende Politiker, allen voran der damalige US-Außenminister James Baker, haben Michael Gorbatschow versichert: die NATO „nicht einen Zentimeter ostwärts“! Zusagen unter Politikern galten einst als Ehrenwort – nicht so in der westlichen Wertegemeinschaft. Die NATO-Osterweiterung einen „Jahrhundertfehler“ zu nennen, wie es Egon Bahr tat, war Konsens in der SPD.
Als aggressiv dürfte es empfunden werden, wenn die USA mehr als zehnmal so viel für Rüstung ausgeben wie Russland. Wenn kein Protest gegen die neuen Raketensysteme in Rumänien hilft. Wenn Russland dem NATO-Angriffskrieg gegen seinen Verbündeten Serbien zusehen muss. Wenn die Rotation von NATO-Truppen an seiner Grenze die NATO-Russland-Akte unterläuft.
Ja, Drohgebärden von allen Seiten. Aber jahrelang hatte Präsident Putin andere Wege beschritten: mit seiner um gute Beziehungen fast flehenden Rede im Bundestag 2001, mit der Aufrechterhaltung der Kommunikations-Pipeline zwischen beiden Ländern, mit dem schon schärfer formulierten Missbehagen gegen die fortschreitende NATO-Osterweiterung auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Nur ein Jahr später ermunterte die NATO auch Georgien und die Ukraine, die Mitgliedschaft anzustreben. Der Maidan-Putsch sollte die Türen zum Westen endgültig öffnen, die historisch gewachsene Verflechtung mit Russland rückabwickeln.
Mit Putins Antwort auf der Krim beginnt die Stunde Null im westlichen Kampf um Deutungshoheit. Wie viel Geschichte darf man rückabwickeln? Hat doch der ukrainische Sowjetpräsident Chruschtschow bekanntlich aus einer Laune heraus, gegen jedes Recht, die Krim der Ukraine schlicht geschenkt. Die gegen den Willen der Ukrainer erfolgte Rücknahme der Krim war zweifellos ein schwerer Bruch des Budapester Abkommens. Aber wie viele Vertragsbrüche waren dem vorausgegangen?
Das heutige Großmachtverhalten der russischen Führung ist das erwartbare Ergebnis jahrelanger westlicher Provokationen und Demütigungen. Die NATO, der Logik des Kalten Krieges entsprungen, versteht noch keine andere Sprache. Plötzlich kommt Bewegung in die Debatte, nichtsahnend rätseln alle: Was will der Russe? Dabei steht der Vorschlag für einen Vertrag zwischen der Russischen Föderation und den USA seit Mitte Dezember vorigen Jahres auf der Seite des russischen Außenministeriums. Kennt hier nur keiner. Eine deutsche Übersetzung bietet nur das Ostinstitut Wismar. Westliche Ignoranz?
In Moskau wurde Olaf Scholz bestätigt: Es geht um rechtsverbindliche gegenseitige Sicherheitsgarantien. Ist es eine Maximalforderung, wenn Russland keine Atomraketen an seiner westlichen Grenze akzeptieren will, die bis Moskau nur fünf Minuten brauchen? Die Ukraine ist inzwischen das ärmste Land Europas und darauf angewiesen, sowohl zur EU wie zu Russland gute Beziehungen zu haben. Die Mehrheit ihrer Bürger lehnt einen NATO-Beitritt ab. Are you ready – Joe and Olaf?
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