Internet robuster als gedacht

Vorteile eines paketvermittelnden Netzes

Viele hatten gedacht, dass ein Krieg mit der Ausschaltung der Kommunikationsinfrastruktur des Gegeners beginnt und umso erstaunter sieht man nach einem Monat noch immer ein funktionierendes Internet in der Ukraine, sowohl über Kabel als auch mobil.

Von dem Hackerangriff auf den KA-Sat Satelliten der US-amerikanischen Firma Viasat am 24.2. hatten wir berichtet. Auch sind verschiedene Antennenanlagen zerstört worden und mehrfach auch Gebäude in denen Router verschiedene Stränge des Internets verbinden.

Zum einen sind weiterhin Techniker der verschiedenen ukrainischen Internet Anbieter unterwegs und reparieren Ausfälle notdürftig. Viel entscheidender ist jedoch die vor etwa 50 Jahren vom US Militär, zuerst ab 1968 unter dem Namen ARPA-Net, entwickelte Struktur des Internets. Das zugrundeliegende Netzwerk-Protokoll TCP/IP (Transport Control Protocol) baut auf ein vermaschtes Netz, in dem es im Netz viele Wege zu einem Knoten gibt und die Datenpakete nur ihren Weg dorthin finden müssen.

Sascha Lobo kennzeichnet in seiner Kolumne im Spiegel das Netz so: Die TCP-Entwickler gehen davon aus, dass das Netzwerk selbst dabei eher »dumm« sein sollte und dafür die Endgeräte intelligent. Das verschiebt die Kontrolle über das Netzgeschehen drastisch in Richtung der Endanwender und erlaubt sogar, vergleichsweise einfach ganz unterschiedliche Teilnetze miteinander zu verbinden.

Im Gegensatz zu einem solchen Netzaufbau stand in den 80-iger Jahren die Ansicht der in der ITU (International Telecommunication Union) verbundenen Telekomunikationsunternehmen fast aller Staaten, dass

  • das Netz diesen Unternehmen gehört,
  • sie jeweils ein Leitung zwischen zwei Kunden schalten und diese darüber verbinden und abrechnen.

Das von der ITU favorisierte Protokoll hieß X.25 und kann im Gegensatz zum TCP/IP als hochkomplex - aber trotzdem nicht intelligent - bezeichnet werden. Der Autor dieses Artikel erinnert sich noch gut an die Anschaffung eines X.25 Vorrechners für einen IBM Computer (3,5m*1,5m*0,75m) Mitte der 80-iger Jahre zum Preis von über 100.000DM - nur um diesen ins "Netz" zu bekommen. Nur 10 Jahre später reichte eine TCP/IP-LAN Steckkarte für ungefähr 100DM - Preis inzwischen um 10€.

Das Internetprotokoll TCP/P hat sich gegen den erbitterten Widerstand der Telekomunikationsunternehmen durchgesetzt und ihrer Macht ein Ende gesetzt. Sie bestimmten vorher, welche Geräte überhaupt mit dem Netz verbunden werden durften und waren die alleinigen Anbieter von Telekomunikationsdienstleistungen. Damit war es dann Mitte der 90-iger Jahre zu Ende. Auf die scheinbare "Demokratisierung" des Netzes folgte dann der Aufstieg und die Konzentration der Inhalts-Anbieter in den Händen von US Konzernen.

Zurück in die Ukraine: Das vielseitig vermaschte Netz diverser (privater) Internetanbieter ist bis auf wenige Stunden nach der Zerstörung einzelner Knoten weiter nutzbar. Die Datenpakete finden weiterhin irgendeinen Weg zu ihrem jeweiligen Ziel - der Vorteil von Paketvermittlung gegenüber Leitungsvermittlung ist offensichtlich - auch warum die Entwicklung für das US Militär so wichtig war.

Der Nachteil für die Nutzer eines paketvermittelnden Netzes soll natürlich nicht verschwiegen werden: In der Leitungsvermittlung muss der Lauscher die Leitung anzapfen, um eine Kommunikation zu belauschen - bei der Paketvermittlung sind die Datenpakete in den beteiligten Subnetzen und an allen Knotenpunkten, die sie passieren mitzulesen.

Diesen Nachteil für die Nutzer kann jetzt der ukrainischen Geheimdienst zu seinem Vorteil nutzen, der immer wieder militärische Kommunikation der russischen Streitkräfte abfangen kann, weil diese offenbar über ukrainische Infrastrukturen abgewickelt wird.

Mehr dazu bei https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/ukraine-krieg-warum-das-ukrainische-internet-noch-immer-laeuft-kolumne-a-de27cbdd-8431-4471-8d98-720d38190263
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