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Bertha von Suttner - Die Waffen nieder!

Eine Lebensgeschichte.
E. Pierson’s Verlag | Dresden und Leipzig | 1892

Zweiter Band, Seite 318 - 320:
»In der That, Excellenz, können Sie an den ehrlichen, aufrichtigen Friedenswillen Jener glauben, die mit Leidenschaft, mit Begeisterung – Soldaten sind? Die alles, was den Krieg gefährdet – nämlich Abrüstung, Staatenbund, Schiedsgericht – nicht nennen hören wollen? Könnte denn die Freude an Arsenalen und Festungen und Manövern und dergleichen bestehen, wenn diese Dinge wirklich nur als das betrachtet würden, wofür man sie ausgibt: als Vogelscheuchen?
Also, damit man sie niemals brauche, der ganze Kostenaufwand ihrer Herstellung! Die Völker müssen ihr ganzes Geld hergeben, um an den Grenzen Befestigungen zu machen, in der Absicht, sich über die Grenzen hin Kußhändchen zuzuwerfen? Zu einer bloßen Friedens-Aufrechterhaltungs-Gendarmerie läßt sich das Militär nicht herabdrücken – der oberste Kriegsherr wird doch nicht einem Heer von ewigen Kriegsvermeidern vorstehen sollen? Hinter dieser Maske – der »si vis pacem«-Maske – blinzeln die einverständlichen Blicke, und die jedes Kriegsbudget bewilligenden Abgeordneten blinzeln mit.«

»Die Volksvertreter?« unterbrach der Minister. »Man kann den Opfermut doch nur loben, dessen diese in ernsten Zeiten niemals ermangeln und welcher in der einhelligen Votierung der entsprechenden Gesetze erhebenden Ausdruck findet.«

»Verzeihen Sie, Excellenz, diesen einhelligen Stimmabgebern wollte ich einem nach dem andern zurufen: Dein Ja wird jener Mutter ihr einziges Kind rauben; – deines bohrt jenem armen Wicht die Augen aus; – deines schießt eine unersetzliche Bücherei in Brand; – deines zerstampft das Hirn eines Dichters, der deines Landes Ruhm gewesen wäre … Aber ihr habt dieses »Ja« votiert, um nur ja nicht feige zu scheinen – als ob man gerade nur für sich die Assentierung fürchten müßte. – Seid ihr denn nicht da, um des Volkes Willen zur Geltung zu bringen? Und das Volk will die produktive Arbeit, will die Entlastung, will den Frieden …«

»Ich hoffe, lieber Doktor,« bemerkte der Oberst bitter, »daß Sie niemals Abgeordneter werden; das ganze Haus würde Sie auspfeifen.«

»Mich dem auszusetzen, würde schon beweisen, daß ich nicht feige bin. Gegen den Strom zu schwimmen erfordert die stählerne Kraft.«

»Wenn aber der Ernstfall einträte und man stände unvorbereitet da?«

»Man bereite einen Rechtszustand vor, der den Eintritt des »Ernstfalles« unmöglich mache. Denn was dieser Fall sein wird, Herr Oberst, von dem kann heutzutage kein Mensch einen klaren Begriff fassen. Bei der Furchtbarkeit der gegenwärtig erreichten und noch immer steigenden Waffentechnik, bei der Massenhaftigkeit der Streitkräfte wird der nächste Krieg wahrlich kein »ernster«, sondern ein – es giebt gar kein Wort dafür – ein Riesenjammer-Fall sein … Hilfe und Verpflegung unmöglich … Die Sanitätsvorkehrungen und Proviantvorkehrungen werden den Anforderungen gegenüber als die reine Ironie sich erweisen; der nächste Krieg, von welchem die Leute so geläufig und gleichmütig reden, der wird nicht Gewinn für die Einen und Verlust für die Anderen bedeuten, sondern Untergang für Alle. Wer hier unter uns stimmt für diesen Ernstfall?«
peace
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Bertha von Suttner - Die Waffen nieder

(Anfang 6. Kapitel, 1889)

Vorahnungen? Die gibt es nicht. Paris hätte sonst, als wir an einem sonnigen Nachmittag des März 1870 dort anlangten, mir keinen so heiteren, lustversprechenden Eindruck machen können. Man weiß es heute, was damals in kürzester Frist derselben Stadt für Schrecknisse bevorstanden – aber mich beschlich nicht das mindeste trübe Vorgefühl.

Wir hatten schon im Voraus – durch den Agenten John Arthur – dasselbe kleine Palais gemietet, welches wir im letzten Jahre bewohnt, und an der Einfahrt desselben erwartete uns auch unser vorjähriger maître d'hotel. Als wir, um zu unserer Wohnung zu gelangen, über die elysäischen Felder fuhren – es war eben die Bois-Stunde – da begegneten wir mehreren unserer alten Bekannten und tauschten fröhliche Wiedersehensgrüße. Die vielen kleinen Veilchenkarren, welche um diese Jahreszeit in den Straßen von Paris herumgerollt werden, füllten die Luft mit tausend Frühlingsversprechungen; die Sonnenstrahlen funkelten und spielten regenbogenfarbig in den Springbrunnen des Rundplatzes und hefteten kleine Fünkchen an die Wagenlaternen und das Pferdegeschirr der zahlreichen Gefährte. Unter Anderen fuhr auch die schöne Kaiserin in einem à la Daumont bespannten Wagen an uns vorbei und winkte, mich erkennend, einen Gruß mit der Hand.

Es gibt so einzelne Bilder und Scenen, die sich in das Gedächtnis einphotographieren und -phonographieren, samt den sie begleitenden Empfindungen und einigen gleichzeitig gesprochenen Worten. »Schön ist doch dieses Paris!« rief damals Friedrich aus, – und meine Empfindung war ein kindisches »Sichfreuen« auf den kommenden Aufenthalt. Hätte ich gewußt, was mir, was dieser ganzen, in Glanz und Heiterkeit getauchten Stadt bevorstand – – –

Diesmal vermieden wir es, uns, wie im verflossenen Jahre, in den Strudel weltlicher Vergnügungen zu werfen. Wir erklärten, keine Balleinladungen annehmen zu wollen und hielten uns von den großen Empfängen fern. Auch das Theater besuchten wir nicht mehr so häufig – nur wenn irgend ein Stück besonderes Aufsehen machte – und so kam es, daß wir die meisten Abende allein oder in Gesellschaft weniger Freunde, in unserem Heim verbrachten.

Was unsere Pläne in Bezug auf des Kaisers Abrüstungsidee betraf, so kamen wir eigentlich schlecht damit an. Napoleon III. hatte zwar seine Idee nicht ganz aufgegeben, aber der jetzige Moment – hieß es – sei zu deren Ausführung durchaus ungeeignet. In der Umgegend des Thrones war man sich bewußt, daß dieser Thron nicht auf gar festen Füßen stand; eine große Unzufriedenheit kochte und gährte im Volk, und um diese niederzuhalten, wurden alle Polizei- und Censurmaßregeln verschärft – was nur um so größere Unzufriedenheit zur Folge hatte. Das einzige, so sagten gewisse Leute, was der Dynastie neuen Glanz und Bestand geben könnte, wäre ein glücklicher Feldzug ... Dazu lag freilich keine nahe Aussicht vor, aber von Abrüstung sprechen, wäre ganz und gar gefehlt; dadurch würde ja der ganze Nimbus der Bonaparte zerstört, welcher ja auf dem Ruhmeserbe des großen Napoleon beruhte. Außerdem war uns auch auf unsere Anfragen aus Preußen und Österreich kein ermunternder Bescheid geworden. Man war da in die Ära der Vergrößerung der Wehrmacht (das Wort: »Armee« begann aus der Mode zu kommen) getreten und da fiele das Wort Abrüstung als grober Mißton hinein. Im Gegenteil, um die Segnungen des Friedens zu erhalten, mußte man die »Wehrkraft« nur recht steigern – den Franzosen war nicht zu trauen ... den Russen auch nicht ... den Italienern schon gar nicht; die fielen gleich über Triest und Trient her, wenn sich Gelegenheit dazu böte – kurz, nur schön fleißig das Landwehrsystem pflegen.

»Die Zeit ist nicht reif,« sagte Friedrich, wenn wir solche Mitteilungen erhielten. »Und die Hoffnung, daß ich in Person das Reifen der Zeit beschleunigen könne oder gar die ersehnten Früchte daran sprießen sehe – die muß ich vernünftiger Weise wohl aufgeben ... Was ich beitragen kann, ist gar winzig. Aber von der Stunde an, da ich dieses Winzige als meine Pflicht. erkannt, ist es mir doch zum Größten geworden – also harre ich aus.

Wenn auch vorläufig das Entwaffnungsprojekt ins Wasser gefallen war, eine Beruhigung hatte ich doch: es war kein Krieg in Sicht. Die bei Hofe und auch in der Bevölkerung vorhandene Kriegspartei, welche da meinte, daß die »Dynastie in Blut aufgefrischt« werden sollte und daß dem Lande wieder ein Portiönchen Ruhm erwachsen müsse, die mußte auf Angriffspläne und auf den verlockenden »kleinen Feldzug um die Rheingrenze« verzichten. Denn Frankreich besaß keine Verbündeten; im Lande herrschte große Trockenheit, Futtermangel war vorauszusehen, man mußte die Militärpferde verkaufen, nirgends eine schwebende »Frage«, das Rekrutenkontingent ward vom gesetzgebenden Körper herabgesetzt, kurz – so erklärte bei dieser Gelegenheit von der Tribüne herab Ollivier: der Friede Europas ist gesichert.

Wie viel diese Sicherheit aber wert war, die da am 30. Juni 1870 von einem Staatsmann verkündet worden, das wissen wir heute Alle. Und das hätten wir auch schon damals wissen können, daß derlei staatsmännische Versicherungen – welchen das Publikum immer wieder mit gleich naivem Vertrauen lauscht – doch keine, gar keine Bürgschaft enthalten. Die europäische Lage weist keine „schwebende Frage“ auf, darum ist der Friede gesichert: – welche schwache Logik! Die Fragen können ja jeden Augenblick herangeschwebt kommen; – erst wenn man für diesen Fall ein anderes Mittel in Bereitschaft hielte, als den Krieg, erst dann wäre man gegen den Krieg gesichert.

#BerthaVonSuttner #peace #love #NoWar #NoHate

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Bertha von Suttner

*9. Juni 1843  †21. Juni 1914  

österreichische Pazifistin und Schriftstellerin

»Rache und immer wieder Rache!* Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegwaschen zu wollen. Nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden«*

Bertha von Suttner Building, Den Haag

(dutch, english subtitles)

http://www.youtube.com/watch?v=UsoiBquqKJE

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