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mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #klimakatastrophe #politikversagen #medien #industrie #lobbyismus #kapitalismus #system-change

Greta Thunberg: Klimapolitik ist vor allem eines – Greenwashing!

Die Welt zu retten ist freiwillig. Von einem moralischen Standpunkt ließe sich wohl gegen diese Aussage argumentieren, aber Tatsache ist: Es gibt keine Gesetze oder Vorschriften, die jemanden zwingen, die notwendigen Schritte zur Rettung unserer zukünftigen Lebensbedingungen auf der Erde zu unternehmen. Das ist unter verschiedenen Aspekten ärgerlich, nicht zuletzt, weil – so sehr es mir widerstrebt, es zuzugeben – Beyoncé unrecht hatte. Nicht Mädchen regieren die Welt. Sie wird regiert von Politikern, Konzernen und Finanzinteressen – vorwiegend vertreten von weißen, privilegierten, heterosexuellen Cis-Männern mittleren Alters. Und wie sich herausstellt, sind die meisten von ihnen – unter den gegenwärtigen Umständen – für diese Aufgabe schlecht geeignet. Das mag keine sonderliche Überraschung sein. Schließlich ist der Zweck eines Unternehmens nicht, die Welt zu retten, sondern Gewinne zu machen. Vielmehr so viel Gewinn wie möglich, um die Aktionäre und Marktinteressen zufriedenzustellen. Damit bleiben uns die Politikerinnen und Politiker. Sie haben hervorragende Möglichkeiten, Dinge zu verbessern, aber wie sich herausstellt, ist die Rettung der Welt auch nicht ihre Hauptpriorität.

[...] Unsere Politikerinnen und Politiker brauchen auf niemanden zu warten, bis sie anfangen, etwas zu unternehmen. Sie brauchen auch keine Konferenzen, Verträge, internationalen Abkommen oder Druck von außen, damit sie echte Klimamaßnahmen ergreifen. Sie können sofort anfangen. Zudem haben sie – und hatten sie schon lange – unendlich viele Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden und eine klare Botschaft darüber zu vermitteln, dass wir unsere Gesellschaften grundlegend verändern müssen. Aber, abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen, haben sie sich bewusst entschieden, es nicht zu tun. Das ist eine moralische Entscheidung, die nicht nur sie in Zukunft teuer zu stehen kommen wird, sondern die das gesamte Leben auf dem Planeten gefährdet.

Die Medien und unsere politischen Führungskräfte haben die Chance, drastische, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, aber sie entscheiden sich, es nicht zu tun. Vielleicht liegt es daran, dass sie die Fakten immer noch leugnen. Vielleicht kümmert es sie nicht. Vielleicht sind sie sich der Lage nicht bewusst. Vielleicht haben sie vor den Lösungen mehr Angst als vor dem Problem. Vielleicht befürchten sie, soziale Unruhen auszulösen. Vielleicht befürchten sie, ihre Popularität zu verlieren. Vielleicht sind sie einfach nicht in die Politik oder den Journalismus gegangen, um ein System zu stürzen, an das sie glauben – ein System, das sie ihr Leben lang verteidigt haben. Vielleicht ist der Grund für ihre Untätigkeit auch eine Mischung aus all diesen Faktoren.

[...] Es heißt, wir sollten kompromissfähig sein. Als wäre die Übereinkunft von Paris nicht schon der größte Kompromiss der Welt. Ein Kompromiss, der bereits unvorstellbar viel Leid für die am stärksten betroffenen Menschen und Regionen in sich birgt. Ich sage: Genug. Ich sage: Haltet stand.

Unsere sogenannten Führungskräfte glauben immer noch, sie könnten mit der Physik und den Naturgesetzen verhandeln. Sie sprechen mit Blumen und Wäldern in der Sprache von US-Dollars und kurzfristiger Wirtschaftspolitik. Sie halten ihre Vierteljahresbilanzen hoch, um Wildtiere zu beeindrucken. Sie lesen den Meereswellen Börsenberichte vor wie Narren.

Wir nähern uns einem Abgrund. Und ich würde dringend empfehlen, dass diejenigen von uns, die sich vom Greenwashing noch nicht um den Verstand haben bringen lassen, sich nicht unterkriegen lassen. Lasst nicht zu, dass sie uns auch nur einen Zentimeter näher an den Rand des Abgrunds zerren. Keinen Zentimeter. Genau hier und jetzt ziehen wir die Grenze.
- vollständiger Text: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/greta-thunberg-unsere-derzeitige-klimapolitik-ist-nur-eines-greenwashing

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wirtschaft #ausbeutung #imperialismus #kolonialismus #offene-grenzen #system-change

Das ist die pessimistische Variante der Hoffnung, dass die Festung Europa auf Dauer gehalten werden kann. All diese Visionen unterschlagen, dass die dritte Welt eine Macht ist; dass die, auf deren Kosten man lebt, dem nicht ewig tatenlos zusehen werden. Dazu bedarf es keiner militärisch-ökonomischen Stärke. Es reicht völlig, wenn sich Millionen Verelendeter in Bewegung setzen.
- aus Heiner Müller - Die Reflexion ist am Ende, die Zukunft gehört der Kunst (1991)

Die imperiale Lebensweise: Grenzräume - Die Geister, die wir riefen…

„Entscheidend für den Lebensstandard, den wir haben, ist, dass wir anderorts Gesellschaften ausbeuten.“

Die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen entwickelten die Begrifflichkeit der imperialen Lebensweise. Der Kerngedanke ist ein einfacher: Das alltägliche Leben im sogenannten globalen Norden wird wesentlich über die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse im globalen Süden ermöglicht. Dies geschieht über einen unbegrenzten Zugriff auf das Arbeitsvermögen, die Ressourcen und die Ökosysteme. Entscheidend für den Lebensstandard, den wir haben, ist, dass wir anderorts Gesellschaften ausbeuten.

So ist uns die Herkunft von Rohstoffen, Haushaltsgeräten, medizinischen Apparaten, Textilien, Lebensmitteln und anderen alltäglichen Konsumgütern, weitestgehend unbekannt. Auch der Energieaufwand, der für die Produktion gebraucht wird, muss anderorts extrahiert werden. Dabei bleiben die Produktionsbedingungen und Lieferwege im Dunkeln – werden gar explizit verschleiert. Wir alle kennen mittlerweile etliche Beispiele. Klamotten aus Bangladesch, Erdbeeren aus China und Tomaten, die von illegalisierten Migrierenden in Andalusien für den nordeuropäischen Markt produziert werden.

Das ‚gute‘ Leben

„Gerade der kulturelle Aspekt ist entscheidend, denn das, was als das ‚gute‘ Leben angesehen wird, beruht weitgehend auf der imperialen Lebensweise, die anderenorts Lebensgrundlagen zerstört.“

Dabei verweist der Begriff der imperialen Lebensweise auf Produktions-, Distributions- und Konsumnormen in ihren politischen, ökonomischen, aber auch kulturellen Alltagspraktiken der Bevölkerung im globalen Norden. Gerade der kulturelle Aspekt ist entscheidend, denn das, was als das ‚gute‘ Leben angesehen wird, beruht weitgehend auf der imperialen Lebensweise, die anderenorts Lebensgrundlagen zerstört. Das Konzept von Brand und Wissen betont, dass gerade die Mittelklassen im globalen Norden von der Ausbeutung des globalen Südens profitieren. Doch nicht nur das, die strukturellen Bedingungen im globalen Norden verunmöglichen es sogar ein richtigeres Leben im Falschen zu führen.

Dabei drückt die imperiale Lebensweise auch widersprüchliche Gleichzeitigkeit aus, denn zum einen können wir nicht aus unserer Haut und uns entziehen. Wie wir leben, ist uns mehr oder weniger vorgegeben. Andererseits beuten wir Menschen im globalen Süden aus. So drückt der Begriff drückt neokoloniale globale Nord-Süd-Herrschaftsverhältnisse aus. Das Konzept der imperialen Lebensweise fragt also danach, wie die alltägliche Lebensweise unter neoliberalen Bedingungen dadurch gelingt, dass die sozial-ökologischen destruktiven Folgen externalisiert, das heißt auf andere Menschen an anderen Orten verlagert werden können.

Und anderenorts?

„Es werden Enteignungen durchgesetzt, Gemeingüter wie Wasser privatisiert, Vertreibungen durchgeführt. Es kommt zu Verarmungsprozesse sowie der Zerstörung von Umwelt und Natur. Menschen anderenorts werden marginalisiert und der Lebensgrundlage beraubt. „

In jeglichen Debatten der kritischen politischen Ökonomie – von Karl Marx und Rosa Luxemburg bis David Harvey – wird darauf hingewiesen, dass billige Rohstoffe essenziell sind, damit eine kapitalistisch organisierte Produktionsweise funktionieren kann. Dass diese billigen Rohstoffe zur Verfügung stehen, werden die rechtlichen Rahmen geschaffen oder es wird direkt auf Gewalt gesetzt, um an diese zu kommen. Es werden Enteignungen durchgesetzt, Gemeingüter wie Wasser privatisiert, Vertreibungen durchgeführt. Es kommt zu Verarmungsprozesse sowie der Zerstörung von Umwelt und Natur. Menschen anderenorts werden marginalisiert und der Lebensgrundlage beraubt.

Solche kolonialen und imperialen Logiken ziehen sich durch die kapitalistische Entwicklungsgeschichte. Durch das Beruhen der imperialen Lebensweise des globalen Nordens auf sozial-ökologischer Exklusivität sowie der damit verbundenen Notwendigkeit eines Außen zur Externalisierung der negativen Folgen entstehen ökoimperiale Spannungen.

Die Grenzarchitektur der imperialen Lebensweise

In den letzten Jahren sehen wir, wie die exklusive imperiale Lebensweise des globalen Nordens immer konfliktträchtiger und gewaltförmiger verteidigt wird. Grenzarchitektur lässt sich in diesen theoretischen Zusammenhang einordnen. Die selektive (Un-)Durchlässigkeit des Grenzregimes spricht Bände. Auf der einen Seite werden aktiv Arbeitskräfte anderenorts angeworben, um im Dienstleistungssektor, ob an Flughäfen oder in der Pflege, zu arbeiten. Und auch hochqualifizierten Arbeitskräften ist es möglich Visa zu bekommen. Sie tragen dazu bei, den Lebensstandard der imperialen Lebensweise, zu reproduzieren. Gleichzeitig fehlen qualifizierte Arbeitskräfte anderenorts.

Die andere Seite der Medaille zeigt sich in der Enklave Melilla, wo zuletzt 37 Menschen ermordet wurden, das Mittelmeer, auf dem Tag für Tag Menschen ertrinken, sowie anhand der hochgerüsteten Grenzarchitekturen in Südosteuropa. Während sie ihre Grenzen verteidigt, zerstört die imperiale Lebensweise weiterhin die Lebensgrundlage von Abermillionen Menschen. Ob durch Enteignung, Vertreibung oder Privatisierung; was der globale Norden in seinen Grenzregionen zu Gesicht bekommt, ist nur die Spitze des Eisbergs.

Die Geister, die wir riefen…

„Dabei sind Flüchtende die Geister, die wir durch unsere imperiale Lebensweise riefen.“

Dabei sind Flüchtende die Geister, die wir durch unsere imperiale Lebensweise riefen. Der Geist der Vergangenheit ist die Zerstörung der Lebensräume anderenorts. Der Geist der Gegenwart lässt uns das Sterben an unseren Grenzen sehen. Was der Geist der Zukunft vor Augen führt, ist eine dystopisch-postapokalyptische Welt: Dürren, Überschwemmungen und Hunger. Popkulturelle Beispiele gibt es genug.

Was also einen Aktionsplan und eine Theorie der Veränderung erschwert, ist die Tatsache, dass es nicht nur nötig sein wird eine andere Regierung zu wählen oder gesellschaftliche Mehrheiten zu gewinnen, sondern dies muss einhergehen mit komplett anderen Produktions-, Distributions- und Konsumnormen. Dafür müssen nicht nur andere politische und ökonomische Bedingungen geschaffen werden, sondern insbesondere neue, nicht imperiale kulturelle Vorstellungen des guten Lebens müssen etabliert werden.

Genese einer neuen Lebensweise?

„Die Geister der imperialen Lebensweise klopfen bereits an unseren Pforten. Wir müssen uns also fragen: Sind wir bereit für eine kulturelle Revolution, die die Grundfesten unserer Lebensweise erschüttert und die neu bestimmen muss, was ein gutes Leben bedeutet? „

Brand und Wissen zeigen in ihrer Theorie auch auf Akteur:innen, die uns einen Weg in eine solidarische Lebensweise deuten können. Denn nach ihnen ist es nicht der Staat, sondern es sind die vielfältigen sozialen Bewegungen, die einen solchen Wandel anschieben können. Hier kann ein Aktionsplan für die No-Border-Bewegung anschließen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Konzept der imperialen Lebensweise aufzeigt, wie Menschen im globalen Norden von der imperialen Lebensweise profitieren. Dementsprechend verteidigen in Deutschland nicht nur reaktionäre Bewegungen diese Privilegien und greifen dabei implizit oder explizit auf einen kulturellen Rassismus zurück, nein, auch andere gesellschaftliche Gruppen arbeiten daran, die hegemoniale Rolle Deutschlands sogar noch auszubauen.

Die Geister der imperialen Lebensweise klopfen bereits an unseren Pforten. Wir müssen uns also fragen: Sind wir bereit für eine kulturelle Revolution, die die Grundfesten unserer Lebensweise erschüttert und die neu bestimmen muss, was ein gutes Leben bedeutet? Die US-amerikanische Filmkomödie „Die Geister, die ich rief …“ endet als der Hauptdarsteller vom Geizhals zum gönnerhaften Menschenfreund wird. Ob wir ein positives Ende erleben dürfen und es schaffen unsere imperiale Lebensweise in eine solidarische zu transformieren, wird sich zeigen.
- https://www.migazin.de/2022/07/18/grenzraeume-die-geister-die-wir-riefen/