12.10.23
Jetzt bleibt nicht mehr viel Zeit: Bis spätestens Samstag, den 14.10., muss sich jeder Mensch weltweit eine Seite im Nahostkonflikt ausgesucht haben. Diese muss von ihm fortan immer angefeuert und gegen jede Kritik verteidigt werden, egal wie viele Zivilisten ihr zum Opfer fallen.
"Wie es bei großen Konflikten üblich ist, muss die Weltöffentlichkeit sich unmittelbar nach dem Entflammen in zwei unversöhnliche Lager spalten, die sich ab diesem Zeitpunkt in sozialen Netzwerken und privaten Diskussionen möglichst lautstark beschimpfen", erklärt der Soziologe Christian Diemer. "Am Samstag sind es genau sieben Tage seit dem neuerlichen Aufflammen im Nahen Osten. Bis dahin hatten alle mehr als genug Zeit, um auf Wikipedia, Telegram oder Twitter ein paar oberflächliche Informationen einzuholen, bevor Sie sich ein für allemal festlegen."
Nach der Festlegung auf Israel oder Palästinenser ist es allen Beteiligten nur noch erlaubt, die eigene Seite anzufeuern und gegen jede noch so berechtigte Kritik zu verteidigen. "Grautöne sind generell nicht erlaubt und gelten als Zeichen von Schwäche. Verbrechen der eigenen Seite müssen ignoriert, geleugnet oder durch lange Textwände gerechtfertigt werden", so Diemer. "Das nennt sich dann Diskurs."
Wer sich bis Samstag nicht vollständig auf die bedingungslose Anfeuerung einer Seite festgelegt hat, etwa weil er oder sie in erster Linie um das Wohl der Zivilbevölkerung besorgt ist und entsprechend situativ reagieren will, darf ab dem Stichtag von beiden Seiten als der jeweils anderen Seite zugehörig beschimpft werden.
ssi, dan