#politik #geschichte #erinnerungskultur #kriegshetze #deutschland #russland
Deutschland besitzt [...] eine Erinnerungskultur, die als Ausweis einer mustergültig geläuterten Nation gilt und in der der Schandtaten des Rechtsvorgängers der BRD immer wieder gedacht wird. Bemerkenswert nur, dass in Richtung Osten die Reue über den früheren Krieg harmonisch mit der Ankündigung des nächsten zusammengeht. Seit dem Frühjahr 2021, als sich am 22. Juni der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion zum 80. Mal jährte, wird Russland fast pausenlos – angeblich nur reaktiv und defensiv – mit einem neuen Krieg gedroht. Mit einer offensiven Gegenwehr des versammelten Westens, die selbstverständlich keiner der NATO-Staaten zuspitzen will, wie ihr Generalsekretär ein ums andere Mal verlauten lässt. Denn die NATO-Mitglieder stehen nur in Treue fest zu ihrem Partner Ukraine, warnen vor einer Eskalation, an der sie dauernd mitwirken, und würden im Fall des Falles – wie alle Staatsmänner zu allen Zeiten – bloss ihr eigenes Recht gegen einen auswärtigen Rechtsbrecher verteidigen, also gar keine Schuld an dem Krieg haben, den recht besehen schon der andere angefangen hat.
Was unter Hitler begann und unter Adenauer fortgesetzt wurde – mit der Modifikation, dass nicht mehr der „jüdische“, sondern der „gottlose“ Bolschewismus bekämpft wurde –, findet heutzutage als Kampf gegen den Expansionismus des „autokratischen“ Putin-Regimes statt. Im Namen dieses edlen Anliegens zieht die NATO, das mächtigste Kriegsbündnisses aller Zeiten, ein gigantisches Aufrüstungsprogramm durch, das die russischen Anstrengungen um ein Vielfaches übersteigt, nimmt Osteuropa fast komplett in Beschlag, rückt bis zu den Grenzen Russlands vor, kreist es mit unzähligen Stützpunkten ein, disloziert Truppen, Raketenstellungen etc. und ist fast permanent mit gross angelegten Manövern vor der Haustür des prospektiven Kriegsgegners präsent – inklusive geheimdienstliche Störmanöver, Sponsoring von Aufstandsbewegungen und Ähnliches. [...]
Russland ist, als Fazit der Stimmungsmache im letzten Jahr, eindeutig wieder das „Reich des Bösen“, wie Ulrich Heyden Anfang 2022 im Freitag resümierte. Wie gesagt, eine bemerkenswerte Leistung in einem Land, das sich – auf die feierliche Ansage seines Staatsoberhaupts hin – gerade dazu bekannte, dass von ihm vor 80 Jahren das unfassbar Böse ausging und im Osten einen rassistischen Vernichtungskrieg führte, der 27 Millionen Menschen das Leben kostete, verbrannte Erde und zahllose Verwüstungen hinterliess, natürliche und industrielle Ressourcen vernichtete und der in Westdeutschland lange Jahre kein besonderes Schuldbewusstsein erzeugte; der eher im Blick auf das Leid der deutschen Kriegsgefangenen thematisiert oder unterhaltungsmässig durch die legendären Landser-Hefte aufbereitet wurde. Die erschienen übrigens von 1957 bis 2013 mit einer Monatsauflage von zeitweise einer halben Million – eine Art Breitenbildung, die ehemalige Nazis in der BRD fast ungestört durchziehen konnten.
Dass es mit Blick auf den Osten einen lockeren Umgang mit dem NS-Gedenken gab, dass von einer Last deutscher Schuld keine Rede sein kann (und anders als im Fall Israel auch keine politische Verpflichtung daraus erwächst), ist dabei keine böswillige Unterstellung von Kritikern. Das war vielmehr 2021 vom Bundespräsidenten selber zu erfahren. Erstaunlich nur, wie die Erinnerung an die deutschen Untaten und die folgenden Defizite der Aufarbeitung mit der neuen Feindbildpflege Hand in Hand geht....
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