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Kein Frieden ohne Kompromiss

In Kiew nahm Präsident Wolodimir Selenskij seine Osterbotschaft vor den Toren des zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Höhlenklosters auf. Darin schwor er, den Krieg so lange fortzuführen, bis »die blau-gelbe Sonne wieder über der ganzen Ukraine aufgeht« und das »von Teufeln losgerissene Land« wieder zurückerobert sei. Um das Kloster schwelt derzeit ein Rechtsstreit zwischen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche und der Regierung. Diese will die Geistlichen der genannten Kirche wegen deren unterstellter politischer Unzuverlässigkeit aus dem Gebäudekomplex vertreiben und diesen an die als deren Abspaltung gegründete »Orthodoxe Kirche der Ukraine« übergeben.

In den USA gibt es derweil weitere Stimmen von Fachleuten, die die ukrainische Position der unbedingten Rückeroberung der Krim kritisieren. Nach etlichen Spitzenmilitärs, die die Machbarkeit einer solchen Operation in Frage gestellt hatten, ließ nun die außenpolitische Fachzeitschrift Foreign Policy einen Politologen zu Wort kommen. Anatol Lieven fasste in dem am 11. April online veröffentlichten Artikel »Crimea Has Become a Frankenstein’s Monster« einen dreiwöchigen Studienaufenthalt in der Ukraine zu diesem Thema in den Worten zusammen, eine »erhebliche Minderheit« der ukrainischen Gesellschaft sehe ein, dass der Krieg ohne einen territorialen Kompromiss mit Russland nicht zu beenden sei. Die Vertreter dieser Auffassung bis in höhere Ränge von Wissenschaft und Beamtenapparat seien aber nicht bereit, diese Meinung unter eigenem Namen zu vertreten. Der Grund dafür sei die nationalistische Gleichschaltung der ukrainischen Öffentlichkeit. Wer ausschere, riskiere Job, Freiheit oder auch Leben.

Lieven zitierte einen Gesprächspartner mit einer persönlichen Geschichte als Dissident in der Sowjetunion mit der Aussage, die Leute seien heute ähnlich eingeschüchtert wie damals. Selenskijs Berater Michailo Podoljak wird mit der Aussage zitiert, jeder Kompromiss in der Krimfrage wäre für Selenskij »politischer Selbstmord«. Man kann das durchaus als Drohung verstehen. Derselbe Podoljak sprach sich dafür aus, nach einer »Deokkupierung« der Krim der dortigen Bevölkerung »zwei oder drei Tage« zu geben, um die Halbinsel zu verlassen. Lieven vertritt die Auffassung, der zu Beginn des Krieges hochgepuschte Nationalismus sei nun zu einem »Frankenstein-Monster« geworden, das die ukrainische Führung an rationalem Handeln hindere. [...]

In Russland veröffentlichte der Chef der Söldnertruppe »Wagner«, Jewgeni Prigoschin, am Wochenende einen Artikel, in dem er für ein Einfrieren des Kriegs beim jetzigen Frontverlauf eintritt. Russland habe bereits erhebliche Teile der Ukraine erobert, deren Armee dezimiert und den Landkorridor zur Krim gesichert. Das reiche, um den Ist-Zustand als Erfolg zu deklarieren. Prigoschins Truppe ist bei den Kämpfen um Bachmut erheblich geschwächt worden und musste zuletzt durch Luftlandeeinheiten der regulären Armee verstärkt werden.
- https://www.jungewelt.de/artikel/448951.kein-frieden-ohne-kompromiss-bomben-auf-ostermesse.html