Twitter-Selfies des gefeierten Fotografen Dmytro Kosazkyj: Neonazicodes und Hakenkreuzpizza

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Ukraine-Krieg in der BRD-Presse: »Das Blut fließt ins Meer«

Heldentodromantik in deutschen Medien nach der Niederlage des »Asow«-Regiments in Mariupol. Ursache ist die unbewältigte Vergangenheit (Von Susann Witt-Stahl)

...Besonders fasziniert zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit von dem »Asow«-Fotografen Dmytro Kosazkyj und präsentiert – obwohl der junge Mann gar nicht gefallen ist – in weihevoller Andachtshaltung sein »Vermächtnis«: hochästhetische, »apokalyptische Fotos« des »künftigen Erinnerungsorts der europäischen Geschichte« (FAZ), die bereits als »Bilder für die Ewigkeit« (RND) gehandelt werden – »Glanz macht für den Tod Reklame« (Adorno). Als Kosazkyj noch nicht in Asowstal den eigenen Untergang zelebrierte, verbreitete er auf Twitter Selfies, die eher die These von der »Banalität des Bösen« unterstreichen: Darauf posierte er in T-Shirts mit dem Wappen der ehemaligen ukrainischen SS-Division »Galizien« und anderen faschistischen Symbolen, garniert mit der Zahl »1488« (eine Kombination der Zahlencodes für den »14 Wörter«-Glaubenssatz der White-Supremacy-Bewegung, »Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für die weißen Kinder sichern«, und für »Heil Hitler!«).

Ebenso stellte er eine selbst kreierte Pizza mit einem Hakenkreuz aus Tomatensoße aus. Wie der darunterliegende Käse schmolzen die Herzen deutscher Pressevertreter dahin, als ein Smart­phonevideo von Kosazkyj in voller Kombattantenmontur auftauchte, in dem er den Hit »Stefania« von der ukrainischen Siegerband des ESC 2022, Kalush Orchestra, schmettert – fast so ergreifend wie der Langemarck-Mythos von den deutschen Jugendregimentern, die 1914 in Flandern singend in den Tod stürmten.

Dass Kosazkyj, wie viele seiner Kameraden, ein Nazi ist, tut nichts zur Sache. Je häufiger die russische Seite an den Körpern von »Asow«-Angehörigen vorgefundene Hitler-Tattoos dokumentiert, desto vehementer wird behauptet, dass ihr Regiment eine gewöhnliche militärische Einheit sei, seit es im Herbst 2014 in die ukrainische Nationalgarde eingegliedert wurde. »Das hat man gemacht, um es im Westen nicht als Terrororganisation einstufen zu lassen« – das Aussprechen dieser Wahrheit, wie es unlängst ein Militärstratege in der »Talk im Hangar 7«-Show zur Verblüffung der anderen Gäste gewagt hatte, und wird weggelächelt, notfalls wegmoderiert.

Die Heroisierung der ukrainischen Nazikampftruppe dient der Verschleierung der Rücksichtslosigkeit ihrer Kriegführung und zahlreichen Gewaltverbrechen. Sie indiziert aber auch eine Wiederkehr von aus der deutschen Kollektivpsyche Verdrängtem – der Trauer um ein einst am »größten Feldherrn aller Zeiten« ausgerichteten und 1945 verlorenen Ich-Ideal. Obwohl sich die meisten ukrainischen Soldaten längst ergeben hatten, war am 20. Mai in der FAZ über die Lage in Mariupol, das »auf dem Bild wie ein blutiges Herz aussieht. Das Blut fließt ins Meer«, zu lesen: »Diese jungen Menschen sterben online. Seit Wochen sehen wir ihre Aufrufe in Netzwerken, ihre Fotos aus den Kellern von Asowstal (…). Eine moderne industrielle Bühne für eine antike Tragödie.«

Dieses exorbitant schwülstige Opfertodpathos erinnert an die Inszenierung des fiktiven letzten Gefechts der Sechsten Armee »unter der auf der höchsten Ruine von Stalingrad gehissten Hakenkreuzfahne« – »Schulter an Schulter, bis zur letzten Patrone. Sie starben, damit Deutschland lebe«, wie der Rundfunk am 3. Februar 1943 vermeldete. Bevor sie in die sowjetische Gefangenschaft gingen, um zu überleben, mussten die vor allem wegen Unterernährung dahinsiechenden Soldaten in den Kellern der russischen Stadt noch ihre eigene Totenrede über sich ergehen lassen. Helden dürfen nicht verhungern – sie müssen im Kampf fallen.
- vollständiger Artikel: https://www.jungewelt.de/artikel/427232.ukraine-krieg-in-brd-presse-das-blut-flie%C3%9Ft-ins-meer.html

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