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»Warum sollte ein Land wie China mit seiner 4.000 Jahre alten Kultur sagen: ›Hey komm, lass uns so werden wie der Westen‹?« In Asien frage man sich eher, wie »eine Minderheit von zwölf Prozent der Weltbevölkerung« denn »den Rest der Welt bevormunden wollen« könne.
Exdiplomat aus Singapur: Westen nicht anpassungsfähig an neue Konstellation (Von Jörg Kronauer)
Einer aus dem internationalen Außenpolitik-Establishment, der das Ende der westlichen Dominanz über die Welt schon lange prognostiziert, ist Kishore Mahbubani. Der Diplomat aus Singapur, der sein Land von 1984 bis 1989 und von 1998 bis 2004 bei den Vereinten Nationen vertrat und in dieser Funktion zweimal, im Januar 2001 und im Mai 2002, dem UN-Sicherheitsrat vorstand, tut sich seit vielen Jahren als Publizist hervor. Sein großes Thema ist, so lautet der Untertitel eines seiner Bücher, das im Jahr 2008 erschien, »die unwiderstehliche Verschiebung der globalen Macht nach Osten«. Sie hat er über die Jahrzehnte hin penibel beobachtet und beschrieben.
Dabei hatte er, so das Vorwort zu seinem jüngsten Buch »Das asiatische 21. Jahrhundert« (2022), immer auch ein spezielles Ziel: Als »Freund des Westens« habe er sich stets nicht zuletzt bemüht, den Menschen in Europa und Nordamerika nahezubringen, dass man sich an die globale Kräfteverschiebung nach Asien anpassen müsse, um weiterhin zu prosperieren. Diese sei nicht aufzuhalten – und wenn, dann höchstens mit kriegerischer Gewalt. Es sei »ein totaler Schock« für ihn gewesen, realisieren zu müssen, dass die jahrhundertelang dominierenden Mächte des alten Westens sich als völlig unfähig erwiesen, sich an den Aufstieg Asiens »intelligent anzupassen«. Die USA etwa seien zwar theoretisch »eine offene Gesellschaft«, deren Intellektuelle »die Ansichten des Rests der Welt« mit echtem Interesse zur Kenntnis nähmen. In der Praxis seien die Vereinigten Staaten jedoch »eine offene Gesellschaft mit einem verschlossenen Geist«. Damit könne man die notwendige Anpassung an die globalen Veränderungen nicht vollziehen.
Und Europa? Mahbubani stuft den Kontinent recht ähnlich ein. Im Frühjahr 2014 hatte er, vom Auswärtigen Amt in Berlin um einen Diskussionsbeitrag zur künftigen Entwicklung der deutschen Außenpolitik gebeten, vorhergesagt, das globale Staatensystem werde sich »weg von der monozivilisatorischen Welt mit einer dominanten westlichen Kultur (…) hin zu einer multizivilisatorischen Welt mit zahlreichen erfolgreichen Kulturen« bewegen. In dieser werde »die Fähigkeit zur interkulturellen Sensibilität eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, um führen zu können«. Mit Blick auf die deutsch-europäischen Weltmachtambitionen fügte er trocken hinzu: »Diese Sensibilität fehlt Europa.«
An Kritik spart Mahbubani bis heute nicht. Im Oktober vom Handelsblatt befragt, warum die westlichen Bemühungen, China »demokratischer« zu machen, nicht zum Erfolg geführt hätten, antwortete er: »Warum sollte ein Land wie China mit seiner 4.000 Jahre alten Kultur sagen: ›Hey komm, lass uns so werden wie der Westen‹?« In Asien frage man sich eher, wie »eine Minderheit von zwölf Prozent der Weltbevölkerung« denn »den Rest der Welt bevormunden wollen« könne. Jenseits von Ökonomie und Militär, in den Sphären sogenannter Soft Power, trägt die stetige Bevormundung denn auch wohl eher zur Abkehr vom Westen bei.
- https://www.jungewelt.de/artikel/442209.multizivilisatorische-welt-verschiebung-der-globalen-macht-nach-osten.html
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@ https://www.jungewelt.de/artikel/442208.de-westernisation-ende-der-dominanz.html