09.06.2022 Je größer der Heuhaufen, desto besser
Völlig Unverdächtige wurden jahrelang "fichiert"
(Fichiert bezeichnet auf schweizerisch die Beobachtung von Menschen und die Sammlung von Daten über sie.)
Die Titelüberschrift stammt aus der Ansicht eines früheren NSA-Direktors, Keith Alexander, der den Satz von sich gab: "Man braucht die Daten, man braucht den Heuhaufen, um die Nadel zu finden." Das war zu einer Zeit als unser heutiges Ehrenmitglied Edward Snowden 2013 die anlasslose Spionage gegen alle US Bürger aufdeckte. An dem Vorgehen hat sich bis heute wenig geändert, es wurden einfach zusätzliche Gesetze geschaffen, die diese Datensammelei scheinbar erlaubte.
Auch in Deutschland wurde nach der offensichtlichen Tatsache, dass der Auslandsgeheimdienst BND die Daten von (auch deutschen) "Inländern" sammelte einfach ein neues BND Gesetz geschaffen (BND erfindet im Inland das "virtuelle Ausland" und BVerfG erklärt BND Gesetz für verfassungswidrig ). In der Schweiz hat man sich diese Mühe noch nicht gemacht.
Nun ist aber herausgekommen, dass auch der Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) einige Heuhaufen gesammelt hat und dabei gegen geltenes Recht verstoßen hat. Observationsobjekte des NDB waren
die Grünen Schweiz,
das Grüne Bündnis Bern
die Alternative Linke Bern
Amnesty International,
die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee,
Humanrights.ch,
Grundrechte.ch,
Solidarité sans frontières
Augenauf
Nationalratsmitglieder wie Balthasar Glättli, Manuela Weichelt oder Marionna Schlatter von den Grünen und Anwältinnen aus dem Asyl- und Migrationsbereich.
Auch völlig unpolitische Vereinigungen wie die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände wurde beobachtet. Dies ist die Dachorganisation von rund 60 Jugendvereinen, unter ihnen Pro Juventute, die Pfadibewegung Schweiz und der Schweizer Jugendmusikverband.
Der Nachrichtendienst des Bundes hat damit jahrelang gegen geltendes Recht verstossen, wie das Gesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit, das seit 2007 in Kraft ist, und das Nachrichtendienstgesetz, das seit 2017 gilt. Beide Gesetze verbieten ausdrücklich die Beschaffung und Bearbeitung von "Informationen über die politische Betätigung und über die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit in der Schweiz" - und das ist auch gut so.
Nun steht der NDB zur Vernehmlassung aber die Folge wird wieder einmal sein, dass man versuchen wird, die Gesetze an die Realität anzupassen, anstatt dem Geheimdienst auf die Finger zu hauen. Die öffentliche Diskussion des Fehlverhalten des NDB führt jedenfalls nicht zu einem Aufschrei über das Überwachungsverhalten sondern eher zu einem "Chilling Effekt", also der Einschüchterung der Menschen, die jetzt erfahren, dass sie über Jahre auspioniert wurden.
Mehr dazu bei https://www.republik.ch/2022/06/01/wie-der-schweizer-geheimdienst-unverdaechtige-fichiert
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