Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erinnert an den Widerstand von Sinti und Roma im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am 16. Mai 1944. An diesem Tag sollte der Lagerabschnitt B IIe, das sogenannte âZigeunerlagerâ, in dem tausende von Sinti und Roma inhaftiert waren, aufgelöst und sĂ€mtliche HĂ€ftlinge in den #Gaskammern ermordet werdenâŠ
âAn diesem Tag jedoch leisteten die dort inhaftierten Menschen Widerstand gegen die Aktion der #SS. Dieser Widerstand gegen die #Vernichtung ist in der Geschichte von Auschwitz wie in der Geschichte der #NS-Verbrechen und des Widerstands bislang nicht hinreichend gewĂŒrdigt worden, obwohl eine Vielzahl von Zeitzeugenaussagen vorliegen, die diesen Widerstand dokumentieren und die eindeutig diesen verzweifelten Akt des Widerstands in Auschwitz-Birkenau, im Zentrum des #Holocaust, belegenâ, so Romani Rose.
Die SS brach die Vernichtungsaktion am 16. Mai 1944 wegen des Widerstands der Sinti und Roma ab; wohl auch, um zu verhindern, dass der Widerstand auf andere Lagerabschnitte ĂŒbergreifen konnte. In der Folge deportierte die SS die arbeitsfĂ€higen und widerstandsfĂ€higen jungen MĂ€nner und Frauen mit ihren Familien in andere #Konzentrationslager. Viele von ihnen waren kampferfahrene ehemalige Soldaten, die oftmals direkt von der Front nach Auschwitz-Birkenau verbracht wurden. In der Nacht vom 2. zum 3. August 1944 wurden dann die letzten 4.300 im Lagerabschnitt BII e noch lebenden Menschen in den Gaskammern ermordet, die meisten waren Frauen, Kinder, Alte und Kranke. Dieser Tag ist heute der internationale Gedenktag an die Opfer des Holocaust an den Sinti und Roma Europas.
Eine Vielzahl von Zeugenaussagen, die den Aufstand vom 16. Mai 1944 dokumentieren, brachte der Prozess am Landgericht in Siegen gegen den SS-RottenfĂŒhrer in Auschwitz Ernst August König hervor. Die Zeugen hielten hier unabhĂ€ngig voneinander fest, dass die Sinti und Roma im Lager wussten, wie der Prozess der Vernichtung organisiert war â anders als Neuankömmlinge in Auschwitz-Birkenau, die direkt in die Gaskammern gebracht wurden. So berichtete Walter Winter:
âWir wussten genau, wie die SS vorging. Erst rufen sie, dass alle raustreten sollen, dann reiĂen sie die Blocktore auf, stĂŒrmen herein und brĂŒllen: âRaus, raus, raus!â Wir haben verabredet: âWenn sie bei uns anfangen, gehen wir nicht aus dem Block. Und zwar alle nicht. Wir rĂŒhren uns einfach nicht. Wir mĂŒssen uns aber mit irgendetwas bewaffnen, mit Latten oder sonst etwas, und damit stehen wir dann hinter der TĂŒr. Wir lassen sie reinstĂŒrmen, greifen uns die SS-Leute und versuchen, an ihre Maschinengewehre zu kommen.â Wir wĂ€ren alle bereit gewesen zu schieĂen, denn wir hatten sowieso nichts zu verlieren. Ich glaube, sogar ich hĂ€tte geschossen. In der Ăberzahl waren wir immer, aber wir waren immer unbewaffnet, deshalb konnten wir nie etwas gegen unsere Peiniger ausrichten.â
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma war in dem Prozess gegen König als NebenklĂ€ger vertreten, 1991 verurteilte ihn das Landgericht Siegen wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslĂ€nglichen Haftstrafte. Im Urteil des Gerichts von 1991 wurde der Widerstand der Sinti und Roma im Lagerabschnitt BIIe ausdrĂŒcklich gewĂŒrdigt: das Gericht stellte fest, dass der Versuch, die Insassen des Lagerabschnitts BIIe im Mai 1944 zu ermorden, gescheitert sei, âweil die #ZigeunerhĂ€ftlinge von dem damaligen RapportfĂŒhrer [Bonigut] gewarnt worden waren, sich daraufhin mit Werkzeugen und Ă€hnlichem bewaffnet hatten und Widerstand leisteten.â Vor allen Dingen aber waren unter den Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau auch viele ehemalige Soldaten, die teilweise direkt von der Front in das #Vernichtungslager deportiert worden waren. Sie konnten daher nicht nur mit Waffen umgehen, sondern waren auch in der Lage, ihre Widerstandsaktion wirksam zu organisieren.
Zilli Schmidt, die als HĂ€ftling das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ĂŒberlebte, beschrieb den Widerstand in ihren 2020 erschienenen Erinnerungen: âSie wollten uns eigentlich schon vorher alle umbringen. Schon vor dem 2. August 1944 wollte die SS das. Irgendwann wollten sie das gesamte »Zigeunerlager« auflösen. Aber da machten die HĂ€ftlinge einen Aufstand; das waren die Deutschen, die Sinti. Die BlockĂ€ltesten und die, die da das Sagen hatten, die wollten das nicht, die haben irgendwie Wind davon bekommen. Sie wussten, was die planten von der SS. Da haben sie Gewehre gesammelt und GegenstĂ€nde, die man als Waffen benutzen konnte. Um sich zu wehren. Aber so weit ist es nicht gekommen, es kam nicht zum Kampf. Die SS hat erst einmal abgelassen, als sie merkten, dass die Sinti sich wehren wĂŒrden. Dann haben sie sie alle abgeschoben, die ganzen BlockĂ€ltesten, die, die sich wehren konnten, alle. Auch die LagerĂ€ltesten, die ihnen geholfen hatten, die sind dann alle abgezogen worden.â
Der Holocaust an den Sinti und Roma wurde ĂŒber viele Jahrzehnte von der Geschichtswissenschaft wie von der Politik verharmlost oder lediglich als AnhĂ€ngsel der Shoah, der Ermordung von 6 Millionen JĂŒdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten und ihre Helfer, angesehen. Erst 1982 wurde der Holocaust an den Sinti und Roma von Bundeskanzler Helmut Schmidt völkerrechtlich anerkannt. Davor fanden die Aussagen der ĂŒberlebenden Sinti und Roma keinerlei Gehör in der deutschen Ăffentlichkeit. Die BĂŒrgerrechtsarbeit des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma machte dann in den 1980 und 1990er Jahren die Publikation einer Vielzahl von Zeitzeugenberichten und Biographien möglich.
https://www.hagalil.com/2021/05/widerstand-von-sinti-und-roma/
#nationalsozialismus #rassismus #porajmos #antifa #niewieder
https://de.wikipedia.org/wiki/Porajmos