Die Intelligenz ist die Fähigkeit des Gehirns, mit optischen, sprachlichen, akustischen oder abstrakten Symbolen nach Regeln in Systemen umzugehen. Besonders wichtig ist die sprachliche Intelligenz, um Sinnzusammenhänge zu verstehen und verständlich zu machen. Das Schulsystem fördert die Intelligenz bis zum Exzeß. Was zählt ist Logik und Rationalität. Wir betreiben einen Vernunftkult und vernachlässigen den Menschen in seiner Gesamtheit, zu der auch die Emotionalität gehört. Die Intelligenz wird einerseits trainiert unter Vernachlässigung der Ganzheit des Seelischen.
Der Geist ist aber nur Teil einer Ganzheit von Körper, Seele und Geist. Die Rationalität kann zwar abgespalten werden, aber das hat zur Folge, dass die seelischen Bereiche mißachtet oder gar unterdrückt werden. Die Emotionalität wird oft sogar zum Gegner der Rationalität erklärt. In meiner Praxis erlebe ich Menschen, die hochintelligent sind und mit ihrer interlektuellen Leistungsfähigkeit viel Geld verdient haben, aber andererseits emotional total hilflos sind.
Die tiefen Schichten der Seele, Sehnsucht nach Erleben, nach sinnlichen Erfahrungen und Gefühlen, werden dadurch jedoch nicht beseitigt, es wird immer wieder täglich aufs neue brutal über sie hinweggegangen. Aber diese Schichten melden ihre Existenz, sie verdichten sich zu einem undefinierbaren Angstgefühl.
Ich möchte keineswegs die Intelligenz abwerten oder verteufeln und statt dessen das Gefühl überbetonen. Worauf es mir aber ankommt, ist, den Menschen in seiner psychophysischen Ganzheit zu betrachten. Wenn die Lebensenergie nur in ein Spezialgebiet geleitet wird, dann ist zwar eine Leistung möglich, die oberflächlich betrachtet imponieren mag, aber hinter dem so erreichtem Erfolg lauert schließlich die Katastrophe, der psychische Zusammenbruch oder die seelische Verhärtung, Freudlosigkeit und Depression.
Es stellt sich am Ende als große Dummheit heraus, die gesamte Lebensenergie in den Intellekt fließen zu lassen. Es ist klüger den Kopf nur als ein simples Werkzeug zu sehen, das ich aufgreife, wenn es nötig ist, aber danach wieder zur Seite lege. Das Leben spielt sich nicht allein im Intellekt ab, sondern primär im seelischen Bereich. Wenn ich das erkannt habe, dann bin ich viel klüger als der intelligenteste Rationalist, weil ich nur dann wirklich gesund und vital bleibe. Je einseitiger ich den Intellekt herausstelle, um so mehr entferne ich mich von der Basis meiner Existenz. In der Basis liegt aber die Voraussetzung für Glück, nicht im Intellekt. Der Kopf kann nur denken, Ergebnisse feststellen, über Lösungswege nachgrübeln, aber er kann nicht glücklich sein. Zuerst muss ich mit meinen Gefühlen leben, mich ihnen stellen, erst dann sollte ich den Intellekt einsetzen. Erst fühlen, dann denken! Wenn ich mit meinen Gefühlen klarkomme, wenn ich aus dem Herzen, aus den Wurzeln meiner Existenz an die Lösung von rationalen Problemen herangehe, bin ich im Einklang mit mir selbst und fühle mich ganz. Wenn ich den Intellekt abspalte und die Gefühle beiseite schiebe, muss ich früher oder später psychosomatisch erkranken, weil sich die Basis dagegen zur Wehr setzt.
Wir müssen zuerst die Erfahrung machen, dass wir zu unserem Herzen finden, aus dem Bauchraum heraus empfinden und agieren, erst dann hat die Intelligenzleistung einen Sinn für uns. Erst danach setzen wir das Werkzeug als bloßes Werkzeug ein. Wir müssen in die Tiefen unserer Seele hineingehen, dann verliert der Intellekt an Macht und wir sind innerlich ruhig und ausgeglichen, wir spüren dann, was wirklich gut und falsch für uns ist. Unser Gefühl weiss, was wir wirklich wollen, aber der kluge Verstand weiss es nicht, er betrügt uns mit seinen rationalen und logischen Argumenten, und er entfernt uns dadurch immer mehr von dem, was wir eigentlich wollen, was uns glücklich machen würde. Der Intellekt muss entmachtet werden, der Diktator gestürzt sein, damit die Seele sich entfalten kann.