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mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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Hier. Der Text ist jetzt schon über einen Monat alt aber hier noch einmal aufgenommen für all jene die nach dem CDU-Sieg bei den Berlin-Wahlen noch an der Selbsttäuschung von der liberalen Demokratie festhalten - trotz Politiker:innen und Medienhatz. Im Unverständnis der eigenen Geschichte und der Geschichte der Menschen die hier Leben und weiter nur Gast sind:

Deutschland bleibt wohl das einzige Land der Welt, sagt der Berliner Schriftsteller und ehemalige Bar-Betreiber Behzad Karim Khani an einem grauen Januartag in einem kleinen Café im Bezirk Mitte, „in dem ‚Du bist Gast hier‘ eine Drohung ist“

Integriert euch doch selber!

Deutschland ist ein Land, das die Schuld immer bei den Anderen sucht. Historisch oder in Aktuellem wie der Silvester-Debatte. Ein Kommentar von der Sonnenallee.

Wissen Sie, es passieren merkwürdige Dinge, wenn man zwei Weltkriege anfängt und beide verliert. Wenn man bis zur letzten Kugel für die abartigste Idee der Geschichte kämpft. Und nachdem diese letzte Kugel verschossen wurde, Zwölfjährige mit Gewehren ohne Munition, mit Besenstielen losschickt. Und wenn auch das nichts gebracht hat, man sich ergibt und die einen sich dann nach und nach das Wohlfühl-Narrativ zulegen, man sei nicht besiegt, sondern befreit worden, während die anderen eine Mauer bauen und behaupten, die Täter befänden sich auf der anderen Seite.

Wenn man also eben noch eine Raub- und Aneignungsgemeinschaft war und plötzlich nichts mehr von den verschwundenen Nachbarn gewusst haben will oder von den Krematorien und Gaskammern.

Wenn man sich anschließend auf die Schulter klopft, man hätte eine solide Vergangenheitsbewältigung hinbekommen, wenn man sich eine einzigartige Erinnerungskultur und Verantwortung attestiert. Und all das, obwohl keine einzige Synagoge, keine jüdische Schule und auch kein jüdisches Altersheim ohne Polizeischutz auskommt.

Merkwürdige Dinge passieren auch, wenn man beinahe seine gesamte Intelligenzija vergast, erschießt oder ins Exil verjagt. Und nach dem verlorenen Krieg einfache Arbeiter braucht. Menschen, die man holen kann, um die Trümmerhaufen, die bis gestern noch Berlin, Dresden oder Köln waren, wiederaufzubauen. Nachdem man ihnen zunächst in die Münder geschaut hat. Ihren Zahnbestand überprüft hat. Wie bei Nutztieren.

„Araber sind die Rache der Juden an den Deutschen“

Eins dieser merkwürdigen Dinge, die passieren, ist, dass diese einfachen Menschen einem vielleicht nicht ganz über den Weg trauen. Und ja: Wer kann es ihnen verdenken? Dass sie nicht so erpicht darauf sind, sich mit dieser Gesellschaft zu identifizieren.

Sie ahnen es vielleicht, es geht hier um die Silvesternacht. Genauer gesagt um Neukölln, um die Sonnenallee. Also um jene Straße, die wir hier in Kreuzberg und Neukölln den Gazastreifen nennen und über die einer meiner israelischen Freunde, scherzhaft und nicht ganz ohne Schadenfreude, mal gesagt hat: „Die Araber sind die Rache der Juden an den Deutschen.“

Ja, liebe Leser:innen, es wird ungemütlich. Denn wenn wir wirklich über die Sonnenallee reden wollen, kommen wir auch um den Nahen Osten nicht herum. Aber wenn Sie diesen Satz lesen, dann ist er schon mal nicht redaktionell gestrichen worden – und selbst das wird immer mehr zur Seltenheit. Die deutsche Begeisterung und Unterstützung für jenen Staat, der von Amnesty International und Human Rights Watch als Staat bezeichnet wird, der in den von ihm besetzten Gebieten Apartheid ausübt, nimmt auch in deutschen Redaktionen immer ideologischere Züge an. Offenbar proportional dazu, je rechtsradikaler und extremistischer jener Staat wird, vor dem zahlreiche Menschen geflohen sind, die heute in der Sonnenallee leben.

Ich denke, wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir den Dingen in die Augen schauen sollten. Gerne gemeinsam. Gerne nüchtern. Fangen wir dafür doch mit der einfachen Feststellung an, dass wir – Migranten, Ausländer, Menschen mit …, nennen Sie uns, wie Sie wollen – so einfach nicht weggehen werden. Und Sie, liebe Biodeutsche, auch nicht. Wobei, demografisch gesehen, gehen Sie durchaus weg. Sie sterben weg, und Ihr Land braucht für die kommenden 15 Jahre circa 400.000 neue Arbeitskräfte, das heißt ungefähr eine Million Einwanderer pro Jahr. Wir Migranten werden dieses Land wohl erben. Wir könnten hier also auf Zeit spielen. Auf eine Zeit, die Sie nicht haben. Aber das nur als Randbemerkung.

Vielleicht sollten wir einsehen, dass, wenn man für die Idee rassischer Reinheit einen Weltkrieg anzettelt, man sich nach dessen Niederlage gezwungen sehen könnte, ein Einwanderungsland zu werden. Immerhin teilten auch die Siegermächte unser Misstrauen dieser Gesellschaft gegenüber. Und vielleicht sollten wir an der Stelle auch mal überlegen, wer hier wem was schuldet. Wer hier mit wem wie redet.

Wir sorgen dafür, dass der arische Albtraum nicht Realität wird

Was sicher ist: Wir sind hier. Nicht nur für Ihre Rentenkassen, sondern weil wir dafür sorgen, dass der arische Albtraum in diesem Land niemals Realität wird. Dafür, dass diese Realität so weit entfernt liegt, dass selbst Nazis sie offenbar aufgegeben haben, so, wie wir alle die Idee dieses sozialdemokratischen Gesamtschul- und Mittelschicht-Miteinanders aufgegeben haben. Ohne extreme Gewalt, die jene Hitlerdeutschlands in den Schatten stellt, wird jener Albtraum sich nicht erfüllen. Dieser Zahn ist endgültig gezogen.

Was geblieben ist, ist die niedere Gemeinheit des Einzelnen, die immer wieder ihren Weg findet, sich immer wieder Bahnen bricht und dabei den Unwillen der Deutschen bloßlegt. In den faschistischen Chats der Polizei, in der verschwundenen Munition der Bundeswehr, in den Abgründen des Staates und seines Geheimdienstes, der die NSU-Taten erst vertuscht und anschließend deren Akten verschließt. In den 1000 registrierten, fremdenfeindlichen Anschlägen just in dem Jahr, wo man sich parallel Orden der sogenannten Willkommenskultur an die Brust heftete.

In der ausbleibenden Empörung Ihrerseits, wenn Ihr Innenminister bundesweit Plakate aufhängen lässt, auf denen wir in unseren Muttersprachen dazu angehalten werden sollen, gegen Bezahlung dahin zurückzugehen, wo wir hergekommen sind. In den hunderttausendfach verkauften Ausgaben von Thilo Sarrazins Büchern. In dem ekelhaft stumpfen Bauchgefühlrassismus, den ein Gros seiner Leser mit ihm teilen. In der Unterstützung der amerikanischen Kriege gegen unsere Länder. In Ihrem Afghanistan-Krieg.

Rassismus auf der Straße, in Verlagen, in Kommentaren

Dort, wo einem Ahmad Mansour, den wir auf der Straße – frei nach Onkel Tom – Onkel Mansur nennen und für den wir nicht viel mehr übrig haben als Spott, ein Bundesverdienstkreuz für seinen Einsatz in Sachen „Integration“ verliehen wird. In den vielen Verlagen dieses Landes, die von derart offener Islamophobie leben.

In den Kommentarspalten genauso wie in den Klassenzimmern, wo man so tut, als sei das koloniale Erbe nicht deutsche, sondern afrikanische Geschichte. Überall dort, wo man sich der Verantwortung verweigert. Überall trifft man sie an, die Gemeinheit. Und überall flüstert jener Unwille dasselbe. Flüstert von der Exklusivität, der Verschlossenheit und der fehlenden Integrationsbereitschaft in diesem Land. Überall sagt Deutschland uns, dass es mit uns nicht leben will, aber an dem Scheitern nicht die Schuld tragen möchte. Denn noch mehr Schuld sei nun wirklich nicht zumutbar.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Das alles rechtfertigt nichts. Nicht unsere Rohheit, die den stumpfen Gewaltexzessen unserer Kinder ein Nährboden geworden ist. Nicht die Obszönität unserer Ablehnung. Nicht unsere Ideenlosigkeit, unsere Perspektivlosigkeit, Lustlosigkeit, unsere Teilnahmslosigkeit. Nicht unser geducktes Knurren und nicht die geballten Fäuste in unseren Hosentaschen. Aber vielleicht hilft es, unser gesundes Misstrauen und unseren fehlenden Respekt vor dem Staat und seinen Repräsentanten zu begreifen.

  • von Behzad Karim Khani, Jahrgang 1977, wurde in Teheran, Iran, geboren. 1986 emigrierte seine Familie nach Deutschland, wo er später an der Ruhr-Universität Bochum Kunstgeschichte und Medienwissenschaften studiert hat. Heute lebt der Schriftsteller in Berlin-Neukölln. In Kreuzberg betrieb er bis vor Kurzem die Lugosi-Bar. Im Jahr 2022 war er für den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert.
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Sehr gute Interviews zur Medienanalyse in Kriegszeiten:

"Wer immer mit seinem Finger auf den bösen Feind zeigt und sagt: "Der macht aber Medienzensur!" Wer immer das tut, hat das Recht dazu nur dann, wenn er zunächst einmal seine eigene Medienlandschaft kritisch betrachtet. Kritik fängt zuhause an und erst dann hat sie das Recht einen Schritt nach draußen ins Ausland zu tun. Das ist eine ganz simple und einfache Regel, die ich versuchen nach wie vor zu praktizieren."

Dreiteiliges Interview mit Prof. Dr. Jörg Becker (Experte für Kommunikations- und Propagandaforschung):
- https://www.heise.de/tp/features/Zensur-macht-nur-die-Sowjetunion-wir-selbst-haben-freie-Medien-7152051.html?seite=all
- https://www.heise.de/tp/features/Reicht-denn-das-Leid-der-Menschen-nicht-aus-7153460.html?seite=all
- https://www.heise.de/tp/features/Unseren-Medien-geht-der-Atem-aus-7153957.html?seite=all

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Sonderbare Kriegsdiskurse

Eine Polemik als Einladung zur Debatte (von Sabine Schiffer)

Der russische Krieg in der Ukraine ist genauso grausam wie die Erkenntnis, dass er nichts Besonderes ist. Angesichts des Zeitenwende-Diskurses und der sichtbar werdenden Kriegsgräuel vor unserer Haustür ist es besonders erschütternd, einsehen zu müssen, dass der Krieg keine Ausnahme darstellt, sondern wie jeder Krieg vernichtend ist. Neben den üblichen Kollateralschäden entfesselten Hasses, wie Vergewaltigungen und willkürlichen Tötungen von Zivilisten, zieht die Umstrukturierung der Wirtschaft in eine Kriegswirtschaft weite Kreise über die Ukraine und die Jetzt-Zeit hinaus. Der Diskurs um eine Einzigartigkeit dieses Krieges ermöglicht es jedoch, damit Politik zu machen und für diese Politik PR.

Natürlich gehört zum Krieg stets die Propaganda. Neben der russischen auch die ukrainische und auch die europäische und auch die US-amerikanische, sowie die der NATO und Deutschlands. Während man mit dem Begriff „Desinformation“ versucht, die russische Propaganda als irgendwie besonders und völlig anders als die anderer zu labeln, kann man ihr vor allem Plumpheit attestieren. Nein, der „Kampf gegen Faschisten“ ist nicht glaubwürdig, wenn man an anderer Stelle gut mit Faschisten zusammen arbeitet, und die Übernahme der Bush-Doktrin auch nicht.

Die PR der Ukraine ist besser. Nicht nur ist der Staatspräsident ein Medienprofi, zur Unterstützung des angegriffenen Landes hat sich ein internationales Unterstützer-Netzwerk um den umtriebigen David Gallagher gebildet. Dessen Aktivitäten kann man unter dem Hashtag Ukraine Communications Support leicht im Internet finden. Die Reden Selenskyis dürften aus Edelfedern von Kommunikationsprofis stammen, die historischen Bezüge im jeweiligen Nationalframe der angesprochenen Unterstützerländer setzen einiges an Wissen und Recherche voraus. So berechtigt die Anliegen der ukrainischen Regierung im Krieg auch sind, man sollte es den Medien nachtun, Propaganda auch von ukrainischer Seite aufzudecken – denn die Aufgabe des Journalismus ist ja die Berichterstattung und nicht Aktivismus als Kriegspartei.

Und nein, es ist keine Relativierung auf diese Fakten hinzuweisen. Auch nicht auf die langjährige Hinführung zum Krieg, bei der ein EU-Assoziierungsabkommen keine unwesentliche Rollte spielte. Im Gegenteil. Es ist Relativierung, wenn bestimmte – ein Narrativ störende – Fakten systematisch ausgeblendet werden. Dann ist es eben nicht mehr Berichterstattung, sondern Gesinnungsaktivismus; was manche mit Haltungsjournalismus verwechseln mögen.

Relativierung des Begriffs Relativierung

Wie aber gelingt es, dass Kritik am feststellbaren Doppelmaß als „Relativierung“ diffamiert wird und nicht die Relativierung selbst?

Dies ist auf eine perfide Diskursstrategie zurück zu führen. Denn ganz offensichtlich arbeiten doch alle mit den gleichen sprachlichen Mitteln. Putins Versuch, den Krieg als „Sonderoperation“ schönzureden, ist schon rein sprachlich nicht so weit entfernt von Wordings wie „Stabilisierungsmission“ der Bundeswehr in Mali oder dem sogenannten „Sondervermögen“ fürs Militär – eine militarisierte Außenpolitik also, die auf Schulden basiert. Und eine solche Politik kann natürlich keine feministische sein, weshalb es diese Behauptung besonders oft zu wiederholen gilt – denn aus der PR-Forschung ist bekannt: Wiederholen ist Überzeugen.

Tatsächlich hat Überzeugung weniger mit Erkenntnis und Wahrheit zu tun. Anders lässt es sich nicht erklären, dass man die Parallelen in der strategischen Kommunikation nicht erkennen will und Unterschiede dort ausmacht, wo keine sind. Es ist also im ureigensten Interesse auch unserer Machteliten, dass Verwirrung herrscht über die so viel beschworenen Werte, bis hin zur Verdrehung der Tatsachen.

Durch Euphemismen, die Fortschritt und Emanzipation suggerieren, lässt sich der Rückschritt in längst überwunden geglaubte Zeiten kaschieren. Für „Frauenemanzipation“ wurde schon in Afghanistan in den Krieg gezogen und „Kriegskredite“ sind schon lange kein ausschließlich historisches Thema mehr. Dass das wohl klingende „(Sonder-)Vermögen“ hier nichts anderes als „Schulden“ bedeutet, erwähnt immerhin der Deutschlandfunk hin und wieder. Dass der wohlklingende Begriff, der Haben (statt Soll) suggeriert, ein Spin ist, der uns in Zustimmung manipulieren soll, wird aber nicht in gleichem Maße skandalisiert, wie die russischen Versuche die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Wie gelingt das? Das unterscheidungsrelevante Merkmal scheint mir zu sein, ob Kriege und Kriegsverbrechen von „unseren“ Freunden oder Feinden begangen werden. Selbst Saudi-Arabien, aus dem 15 der 19 Terrorverdächtigen des Anschlags vom 11. September 2001 eingereist sind und das mit seiner Teilnahme am Stellvertreterkrieg im Jemen die Absatzsteigerung der deutschen Waffenindustrie befeuert, gilt weiterhin als „Stabilitätsfaktor im Nahen Osten“. Und nie gab es vergleichbare Forderungen gegen das Völkermorden im Irak, man vermisst bis heute eine breite Front für die Initiative, die Kriegsverbrecher Bush und Blair vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Allgemeine Großzügigkeit also, solange die USA der Aggressor sind? Bei Terrormilizen war man schon etwas strenger. Und ja, die Opfer mögen auch eine Rolle spielen. Was kratzt einen schon der Tod von Arabern, Afrikanern, Asiaten, Lateinamerikanern?

Aber Vorsicht! Bei Osteuropäern ist nicht sicher, dass sie immer als „zu uns gehörig“ eingestuft werden – für Serben und Ungarn beispielsweise gilt das nicht. Und die aktuelle Solidarität mit den Ukrainern ist auch nicht in ewigen Stein gemeißelt, sondern könnte sich als instrumentelle Rhetorik erweisen, wenn die geopolitischen Interessen weiter ziehen. So spielen die Jesidinnen im Irak, eine immer noch verfolgte Minderheit, nach dem Durchsetzen deutscher Waffenlieferungen an die Peschmerga auch keine diskursive Rolle mehr.

Wer die vergleichbaren Kriegsverbrechen anderswo ausblendet, relativiert die russischen. Nur der Verfall ins Doppelmaß kann suggerieren, dass der Krieg in der Ukraine ein völlig anderer wäre, als alle anderen Kriege. Das ist Relativierung. Und natürlich müssen die Spin-Doktoren daran arbeiten, den Begriff wertlos zu machen oder bestenfalls umzudrehen. Scheint zu klappen, wenn man sich die unzähligen Versuche ansieht, die es etwa im deutschen Medienwald gegeben hat, um den seriös Berichtenden und Einordnenden und natürlich der Friedensbewegung „Whataboutism“ zu attestieren. Ein neuer Kampfbegriff am Sternenhimmel der Propaganda, ja der Kriegspropaganda und Cancel Culture. Denn am Ende des Tages bedeutet das Sprechverbot in Bezug auf die Hinführung zum Krieg gleichzeitig, dass die Lösungsmöglichkeiten ausgeblendet werden.

Diese liegen, wie Johan Galtung nicht müde wird zu betonen, in „solving the underlying conflict“ (vgl. Debatte zum Konzept des Friedensjournalismus von Sigrun Rottmann). Das bedeutet, dass eine eingehende Analyse des zugrunde liegenden Konflikts geschehen muss, der auf Russland-NATO Ebene liegen könnte, bevor man mit vermeintlichen Lösungskonzepten um die Ecke kommt. Hierin liegt vielleicht der Unterschied zwischen ad-hoc Friedensinitiativen von Wunschdenkenden und den Vorschlägen, die auf der Basis eingehender Analysen beruhen. Tatsächlich könnte man für letzteres die Publikationen der Friedensbewegung heranziehen, wenn man denn seriösen Journalismus betreiben und nicht den Pazifismus per se denunzieren wollte – also etwa die Bände der Jahreskonferenzen des Friedensratschlags in Kassel (s. Jahresbände unter der Herausgeberschaft von Lühr Henken) oder die Analysen der Informationsstelle Militarisierung aus Tübingen. Die Fehlentscheidungen der diese Erkenntnisse ignorierenden Politik lassen sich nur mut- und böswillig den Ignorierten zuweisen.

Wenn das Doppelmaß zum Standard wird …

Wer aber eine Befriedung nicht will, muss die Kritiker von Kriegslogik und Militarisierungspolitik – flankiert durch auffällig waffenfreundliche Mediendiskurse – angreifen. Ein altbewährtes Mittel der Rhetorik: Kannst Du die Botschaft nicht delegitimieren, verunglimpfe den Überbringer der Nachricht – damit man ihm möglichst gar nicht zuhört und seine Argumente nicht am Ende noch verfangen in der öffentlichen Meinung. Das effektivste Mittel ist natürlich das komplette Ausblenden wichtiger Meinungsäußerungen. So geschehen beispielsweise am 2. Juli 2022 in Berlin, als von der gut besuchten Demonstration „Wir zahlen nicht für Eure Kriege!“ nichts in den Medien, nicht einmal in der Lokalberichterstattung des rbb – trotz seines öffentlich-rechtlichen Auftrags – zu vernehmen war. Ein paar Eindrücke gibt es hier.

Das alt bewährte Mittel der ad-hominem Angriffe auf Kritiker – etwa, indem man ihnen publizistisch Personas non Gratas zuordnet, sie versucht lächerlich zu machen oder sonstwie zu diskreditieren (durch Labels wie „Lumpenpazifist“ bspw.) – hilft dabei, der inhaltlich-kritischen Auseinandersetzung auszuweichen. Das zunehmende Arbeiten mit Labels und eine Art Kontaktschuldjournalismus kann aber nur erfolgreich sein, wenn man sich auf einen solchen Diskurs einlässt, auf eine relativ aussichtslose Verteidigungsdebatte hereinfällt und nicht bei der Sache bleibt. Das ist leichter gesagt, als getan, denn es gibt mächtige Verbündete für die subtileren Zensurversuche unserer neuen Medienkultur; nicht zuletzt Google oder neuerdings Medienlabel à la NewsGuard tragen dazu bei.

.... Wer traut sich, in dieser Stimmungslage, an die wöchentlich unterzeichnete Kill-List für Drohnentötungen auf Verdacht durch Barack Obama zu erinnern? Oder gar die Frage zu stellen, ob die Verleihung des Friedensnobelpreises an den außerhalb der Rechtsnorm handelnden US-Präsidenten ein Fehler war. Doch, einige taten es. Aber im aktuellen Kontext scheint das verboten oder zumindest nicht opportun. Wer hätte gefordert, mit ihm nicht zu sprechen, ihn gar von internationalen Treffen auszuladen wegen der Menschen- und Völkerrechtsverstöße? George W. Bush vielleicht schon eher? Nein, nicht einmal Donald Trump wurde vergleichbar ausgegrenzt wie der russische Präsident Putin. Hält man das für eine Basis, den Krieg in der Ukraine zu beenden und zur Verhandlung gegenseitiger Sicherheitsgarantien zu kommen? Und wenn nicht, will man das überhaupt?

Letztere Frage richtet sich in der öffentlichen Debatte auffällig nur an Putin, der mit seinen Äußerungen immer wieder verbales Öl ins Feuer gießt. Nein, gute PR-Strategen sind die Russen nicht. Aber wie lässt sich die neue Parole vom „ukrainischen Sieg über Russland“ erklären, den es nach Auskunft namhafter Militärstrategen nicht geben kann? Sprich: Wir reden also nonchalant über eine Verlängerung des Krieges mit allen möglichen Ausweitungspotentialen – in Europa.

Und über die Ausweitung der Einflusssphären anderer Despoten, die nun hofiert werden dürfen vom „Wertewesten“ angesichts der übergeordneten Parole der „Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas“ – also auch in Zeiten der Klimakatastrophe nicht die „Unabhängigkeit von Öl und Gas“ generell. Während man nun auf der einen Seite schon jedes Telefonat mit Putin als Quasi-Verrat an der solidarischen Sache inkriminiert, nimmt man gerne das lange unverkäufliche und umweltschädliche Fracking-Gas aus den USA ab, baut umweltprüfungsfrei lange umstrittene LNG-Terminals aus und verhandelt mit derzeit noch genehmen Diktatoren auf der arabischen Halbinsel und in Aserbaidschan über letztendlich wieder russische Gaslieferungen, denn das ist nicht selten deren Bezugsquelle. Anstrich Whitewashing, die Mühe des Greenwashings macht man sich dabei nicht einmal – auch wenn mit dem Begriff „Brückentechnologie“ dies ansatzweise versucht wurde.

Der Verrat an der Friedenspflicht

… wird tatsächlich nicht nur von Putin allein betrieben, obwohl schon lange mit allen sprachlichen und bildlichen Mitteln versucht wird, ihn als Ausnahmeparia darzustellen. Das ist legitim in Zeiten der Propaganda. Aber es ist dann eben Propaganda und nicht etwa Berichterstattung (vgl. Ponsonby). Und ermöglicht der Politik, den Grundsatz „Nie wieder Krieg!“ endgültig zu verbannen und auf den Umbau hin zu einer Kriegswirtschaft zu setzen. Das hat in dem strukturellen Ausmaß nicht einmal die Zeitenwende der Bundeswehrentsendung ins Ausland 1999 vermocht.

Die deutsche Politik, allen voran die transatlantischen Grünen, überschlagen sich in Kriegsrhetorik. Aber auch viele Medien durchbrechen nicht die Kriegstreiberei. Teils sogar im Gegenteil: So wurde in der ersten Solidaritätswelle für die Ukraine kaum eine Debatte ermöglicht, was denn alles zur Solidarität beitragen würde, was gut, was eventuell kontraproduktiv ist, was es alles für verschiedene Handlungsmöglichkeiten gibt – vielmehr wurde die Solidaritätsfrage auf die von Waffenlieferungen Ja oder Nein eingeschränkt; eine Entscheidungsfrage, die über Mitreden- und Nichtmitredendürfen entschied. In Interviews, Presseclub und Talk-Shows trieben nicht selten Journalisten die Gefragten zum Bekenntnis für mehr und schwerere Waffen vor sich her, um sie nicht der fehlenden Solidarität bezichtigen zu müssen, oder luden gleich mehrere Vertreter einer (transatlantischen) Ausrichtung – etwa des Zentrums Liberale Moderne – ein, ohne dies kenntlich zu machen. Der Ruf nach mehr Krieg war damit garantiert.

Tatsächlich aber gibt es eine Friedenspflicht für Medien und Journalismus. So hat die UNO entsprechende Wünsche und Pflichten formuliert, aber auch im Rahmen deutscher Rechtsnormen wird beispielsweise die Bewerbung von Angriffskriegen abgelehnt, wie es Udo Branahl in seinem Aufsatz „Recht und Moral im Journalismus“ 1992 erörtert (s. Haller/Holzhey: Medien-Ethik, S. 224f). Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine kann den Medien nicht unterstellt werden, sie würden zu einem Angriffskrieg aufrufen. Aber dienen die Aufrufe zu mehr Waffen der Kriegsbeendigung oder der Kriegserweiterung? Das ist im Moment noch unklar und bedarf eines Debattenraums zur Klärung – und zwar jenseits dramaturgisch durchgeplanter Talks, die ja die Show im Namen tragen.

Mit Blick auf andere Kriege der jüngeren Vergangenheit hat sich im Nachhinein immer ein anderes Bild ergeben als zu Beginn. So warb etwa die US-Administration für einen präventiven Krieg gegen den Irak mit dem Verweis auf die Existenz von Massenvernichtungswaffen, die uns bedrohten. Dies war konstruiert, man fand diesen offiziellen Kriegsgrund nie – hat aber vor dem Krieg Waffeninspekteuren, wie Scott Ritter, die nicht das Narrativ vom gefährlichen Irak bedienten, ausgegrenzt und diffamiert. Dass Ritter am Ende recht behielt, ist der eine Skandal, dass man seither nicht vorsichtiger ist in der Parteinahme (für mehr Krieg), ist der andere Skandal – denn im Nachgang und mit mehr Fakten sieht die Lageeinschätzung höchst wahrscheinlich immer anders aus. So musst auch im Nachgang zum Krieg in Jugoslawien das Narrativ von der mutwilligen serbischen Aggressionkorrigiert werden.

Wie aber sieht die Friedenspflicht im Journalismus im Falle eines Verteidigungskrieges aus? Im Rundfunkgesetz des WDR von 1954 heißt es ja explizit: „Der Westdeutsche Rundfunk soll die internationale Verständigung fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen und nur der Wahrheit verpflichtet sein.“ (zit. nach Becker 2016: Medien im Krieg, S. 10/s.u.). Erfüllen unsere Medien diese Aufgabe? Die ja nicht aus der Zeit gefallen sein kann, weil diese Fragen ja immer im Raum stehen. Und übrigens im Nachgang zum Jugoslawienkrieg auch selbstkritisch in Medien debattiert wurde. Aber ist eine solche Debatte schon während des Krieges möglich? Oder einfach nötig? Wäre demnach der normale Journalismus dem Friedensjournalismus verpflichtet? Was leisten unsere Medien im Kriegskontext und was nicht?

Tatsächlich diagnostiziert der Kommunikationswissenschaftler Jörg Becker in seiner Buch-gewordenen Abrechnung mit der Medienleistung in und um Kriege „Medien im Krieg – Krieg in den Medien“ und darüber hinaus folgende Anhaltspunkte, die einer Polemik durchaus würdig sind:

■ Massenmedien übernehmen häufig ungeprüft an sie weitergegebene Informationen von staatlichen Stellen.

■ In vielen Massenmedien wird gelogen.

■ Massenmedien spiegeln eher den parlamentarischen Konsens, als dass sie ihrer verfassungsmäßigen Wächteraufgabe nachkommen.

■ Massenmedien zeigen eher Beharrungs- und Verstärkungstendenz, als dass sie Motor von Veränderung und gesellschaftlichen Alternativen sind. Meist sind sie also affirmativ, nicht kritisch.

■ Massenmedien konstruieren eine ihnen eigene Realität. Oft haben ihre Informationen und Berichte wenig mit dem zu tun, was man gemeinhin Wirklichkeit nennt.

■ Massenmedien neigen zu einer Vermischung von Meinung und Nachricht, von Politik und Unterhaltung, von Aufklärung und Kommerz.

■ Massenmedien sind gerade im Bereich der internationalen Beziehungen ein Substitut für eigene und persönliche Erfahrung. (Becker 2016 Medien im Krieg, S. 12).

Die hier benannten geballten Fehlleistungen von Medienmachenden, die in ihrer Pauschalität natürlich zugespitzt sind, aber auch zum Nachdenken und zur Debatte anregen wollen – sowie zur Lektüre des ganzen Buches – sollen zu einer Grundsatzdebatte überleiten, die sich um die Grenzziehung zwischen Haltung im Journalismus und Gesinnungskommunikation bemüht (s.o.).

Die bisweilen in der Öffentlichkeit leicht formulierte Forderung nach Neutralität im Journalismus führt in ihrer Umsetzung zu komplexen Fragen rund um den Idealtypus der Objektivität, der Wahrheitssuche, des Agenda-Setting und Agenda-Cutting, der konstruierten Wirklichkeitsvorstellungen durch Auswahlentscheidungen. Wäre Objektivitätsstreben schon genug? Oder welche ethischen Leitlinien kommen in Krieg und Krise besonders zum Tragen?

In der Wissenschaft wird die Debatte geführt, die Beteiligung von Medienmachenden ist geboten und die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit ist auf die mediale Vermittlung angewiesen. Hier ist Medienverantwortung gefordert.

Zugabe: Interview mit Jörg Becker (Experte für Kommunikations- und Propagandaforschung) über die politische Rolle von Medien und PR-Arbeit sowie das alte russische Feindbild

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#medien #medienkritik #konkret #boykott

Streit um Konkret

Mehr als 20 Autoren wollen nicht mehr für die Monatszeitschrift Konkret schreiben. In einer am Donnerstag im Internet veröffentlichten Erklärung schreiben sie, dass mit dem redaktionellen Kurs zum russischen Angriffskrieg eine rote Linie überschritten sei und erklären ihre Mitarbeit für beendet. Die Redaktion hingegen sieht in der Erklärung einen Akt von Hochstapelei. Auf der Homepage hat sie am gestrigen Freitag eine „Richtigstellung“ veröffentlicht: „Beenden kann man nur, was es gibt. Ein großer Teil der Unterzeichner/innen aber sind keine ,Autorinnen und Autoren von konkret‘; sie sind es nicht mehr, seit konkret bereits vor Jahren die Zusammenarbeit mit ihnen aus inhaltlichen Gründen eingestellt hat, und sie standen nicht in Gefahr, von konkret künftig um einen Beitrag gebeten zu werden.“

Die Unterzeichner der Erklärung – zu Beginn waren es 17, einige weitere sind später hinzugekommen – schreiben in ihrer Erklärung zur Position der Zeitschrift im Ukraine-Krieg: „Wir wollen und können nicht weiter in einer Zeitschrift publizieren, die sich in dieser Frage in die Nachbarschaft der AfD, des völkischen Flügels der Linkspartei oder Jürgen Elsässers Compact, von Henry Kissinger, Klaus von Dohnanyi oder den Lobbyverbänden der deutschen Industrie begibt.“ Der März-Titel „Nato-Aggression gegen Russland“ der Zeitschrift hätte zum Umdenken führen müssen, heißt es. „Durch das russische Vorgehen wurde der Titel, ob nolens oder volens, zu noch Schlimmerem: einem Stück Kriegspropaganda.“ Aus einem Organ der Kritik werde eine monatliche „Junge Welt“. „Für die schreiben wir aus guten Gründen nicht. Für die Kopie dann halt auch nicht.“

Die Redaktion der Zeitschrift wirft den Unterstützern der Erklärung vor, mit Halbwarheiten und „ganzen Lügen“ zu arbeiten. Der Text sei strukturiert von einer „Logik“, nach der ein Nazi sei, wer sich gegen Hartz IV stelle, weil schließlich auch die NPD eine Anti-Hartz-IV-Kampagne gestartet habe. Sie sei geprägt vom Willen zu einer politischen Hetze und verdiene keine Antwort. „Wer konkret in die Nachbarschaft von AfD und ,Compact‘ rückt, mit dem lohnt keine Debatte – die konkret im übrigen natürlich auch bezogen auf den Ukraine-Krieg weiter führen wird.“

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat auf Twitter ein Interview mit Lars Quadfasel, einem der Unterstützer der Erklärung gegen Konkret veröffentlicht. „In der Einschätzung von Russland und Putins Politik, gibt es seit Jahren auch innerhalb der Redaktion Dissense“, sagt er. „Die Gewichtung dieser Dissense verschiebt sich natürlich, wenn plötzlich ein Angriffskrieg stattfindet.“ Er habe noch im März einen kritischen Beitrag zum Thema veröffentlichen können, danach sei dies nicht mehr möglich gewesen. „Wir haben lange auf verschiedenen Wegen und verschiedenen Kanälen versucht, intern klarzumachen: Wir erwarten jetzt nicht, dass alle unserer Meinung sind, aber wir erwarten, dass sich in irgendeiner Form damit auseinandergesetzt wird.“

Die Zeitschrift Konkret bezeichnet sich als einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands. Ihre Geschichte reicht zurück ins Jahr 1957. In den 1960er Jahren hatte sie eine große Bedeutung für die Studendenbewegung und wurde finanziell von der DDR unterstützt. Nach dem Konkurs im Jahr 1973 stellte sie zunächst das Erscheinen ein, ab Oktober 1974 erschien die Zeitschrift dann unter der Herausgeberschaft von Hermann L. Gremliza, nach seinem Tod 2019 übernahm seine Tochter Friederike Gremliza die Herausgeberschaft.

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#politik #medien #fakten #faktenchecker #medienkritik #diskurs #repression #zensur #propaganda

"...so wenig, wie der Regenschauer den Regen schaut und der Weihnachtsmann die Nacht weiht, checkt ein „Faktenchecker“ einfach „die Fakten“. Er betreibt tatsächlich Gesinnungsprüfung und Meinungsrepression."

...Die Institutionalisierung von hauptberuflichen "Faktencheckern" führt zur Verengung des Meinungs- und Faktenkorridors in einem Diskursraum, und dies – mal deutlicher und mal undeutlicher – nach Maßgabe der die Faktenchecker finanzierenden Gruppen. Sie schließen so den Diskurs und schotten das damit errichtete Biotop des rechten Glaubens und der Rechtgläubigen gegen Kritik ab. Mit anderen Worten: Ein pluralistischer Diskurs wird durch strukturelle Einschüchterung sabotiert und so weit möglich unterdrückt. Die Aufklärung soll suspendiert werden, damit die Profiteure des Status quo ihre Ruhe haben.

Wer sich „Faktenchecks“ zu eigen macht, anstatt sich selbst ein Urteil über die von ihnen angegriffenen Texte zu bilden, macht einen Fehler: Er stützt die zunehmend offen repressive Diskursarchitektur einer Republik, in deren jüngstem Erkeranbau nun sogar Verfassungsschützer sitzen und nach Autoren Ausschau halten, die mit ihren Äußerungen „den Staat delegitimieren“ – die also, wie es in einem anderen deutschen Staat einmal hieß, nach Auffassung offizieller Stellen „staatsfeindliche Hetze“ betreiben. Legen Sie deshalb Zeitungen beiseite, die „Faktenchecker“ als respektable Quellen zitieren, so als seien sie unabhängig, oder die selbst eine solche Gesinnungsprüftruppe unterhalten; suchen Sie sich andere Webseiten und Radiosender als diejenigen, die sich „Faktenchecker“ als Manipulatoren des öffentlichen Diskurses halten – und erklären Sie bitte ihren Freunden, was ein „Faktenchecker“ eigentlich ist.
- aus Medienkritik | Warum Faktenchecker nicht einfach die Fakten checken (Michael Andrick, Philosoph und Kolumnist der Berliner Zeitung)
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/faktenchecker-so-einfach-ist-es-nicht

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#politik #medien #medienkritik #taz #politische-gefangene #usa #freemumia #freeleonardpeltier

TAZ schweigt politische Langzeitgefangene tot: Der Aktivist Leonard Peltier sitzt seit 46 Jahren. Doch wen kümmert’s noch?

Mit einem Leser:innenbrief machen wir auf die Nichtberichterstattung der TAZ zu Leonard Peltier, Mumia Abu-Jamal sowie weiteren politischen Langzeitgefangenen der USA aufmerksam. Ob der Artikel veröffentlicht wird wissen wir derzeit nicht. Doch diesesmal wollen wir unser Unverständnis über das "TODSCHWEIGEN" zum Anlass eines Aktionsaufrufes machen, sich massenhaft bei der TAZ diesbezüglich zu beschweren. Leser:innenbriefe sind dabei e i n ein probates Mittel.

Seit über zwanzig Jahren haben wir immer wieder Anzeigen in der TAZ aufgegeben, anfänglich noch auf der WIESE. Wir haben auch Artikelentwürfe zu Peltier oder zur Veröffentlichung des durch unseren Verein herausgegebenen Buches "Ein Leben für die Freiheit - Leonard Peltier und der indianische Widerstand" sowie Interviewbeiträge angeboten, so 2021 mit Peltiers Anwalt Kevin Sharp. Antworten: NULL. Hier nun also der Text unseres eingereichten Leser:innenbriefes. Unterstreicht mit kurzen Mails an die TAZ, dass ihr gegen diese Nichtberichterstattung protestiert. Bis zum Jahr 2000 fanden sich teils ausführliche Artikel zu Peltier (z. B. 1991 und 2000 von Stefan Schaaf) in der TAZ. Zahlreiche Tageszeitungen Zeitungen wie Süddeutsche Zeitung, junge Welt, Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Offenbach Post und gar das Stader Tageblatt oder auch Magazine wie Coyote, Rote Hilfe Zeitung, Mut und Liebe, berichteten immer mal wieder über Peltier oder über das 2016 erschienene o.g. Buch zu Peltier. Verhelfen wir Peltier also wieder in die TAZ, diesmal ohne dass dafür unser Verein noch zahlen muss.

Leser*innenbriefe an die TAZ:
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Der Aktivist Leonard Peltier sitzt seit 46 Jahren. Doch wen kümmert’s?

So oder ähnlich hätte eine Überschrift der TAZ in der vergangenen Woche lauten können, denn mit einer fast gleichlautenden Headline fand sich am 19.2.2014 der letzte Artikel zu dem indigenen Langzeitgefangenen in der TAZ. Und auch die gerade mal 528 Zeichen lange letzte in der TAZ veröffentlichte Nachricht über Peltiers Nichtbegnadigung durch Barack Obama ist mittlerweile 5 Jahre alt.

Am 6.2.2022 war der wenige Tage zuvor an Covid 19 erkrankte 77jährige indigene Aktivist seit 46 Jahren inhaftiert. Doch wen kümmerts? Die TAZ wie sich zeigte, jedenfalls längst nicht mehr. Wenn sich in der TAZ dennoch Anzeigen fanden oder beigelegte Postkarten zu Peltier, so wurden diese durch unseren Verein bezahlt: anlässlich Peltiers 70. und 75. Geburtstag 2014 und 2019, anlässlich der Herausgabe unseres Buches zu seinem Fall 2016, anlässlich seiner 45jährigen Inhaftierung und unserer Postkartenkampagne 2021. An journalistischem Unvermögen dürfte es kaum liegen. Mit Dorothea Hahn und Jan Pfaff verfügt die TAZ über zwei ausgezeichnete Korrespondent*innen. Es dürfe eher an der Prioritätensetzung seitens der Chef- und Auslandsredaktion liegen, wenn Anfang Februar zwar ein Artikel über die rechts-rassistische US-Politikerin M. Taylor Greene erscheint, aber das Schicksal des seit 1976 inhaftierten schwererkrankten Peltiers keine Zeile mehr wert ist.

Ähnliches könnte man im Falle der ebenfalls langzeitinhaftierten politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal (seit 40 Jahren in Haft) oder des seit 58 Jahren inhaftierten Ruchell Cinque Magee anmerken. In seinem im November 2021 veröffentlichten sehr lesenswerten Artikel über die Zunahme tödlicher Schießereien in Philadelphia berichtete Jan Pfaff auch über Philadelphias Staatsanwalt Larry Krasner, allerdings erwähnt wurde mit keinem Wort dessen aktuelle Rolle im Falle Abu-Jamals. Und so verwundert das buchstäbliche "Todschweigen" Peltiers in der TAZ auch nicht. ILIJA TROJANOW untertitelte in der TAZ 2014 seinen Artikel "Vernichtung statt Strafe" mit der Zweitüberschrift "Der Aktivist Leonard Peltier sitzt seit 38 Jahren. Doch wen kümmert’s?" 8 Jahre später können wir nur mit Empörung und Unverständnis feststellen, die TAZ nicht mehr. Sie trägt längst dazu bei, politische Gefangene medial lebendig zu begraben. Menschenrechtsaktivist*innen sollten hiergegen massenhaft protestieren und mit Leserbriefen und Schreiben an die Chefredaktion aufmerksam machen, die Menschen auch hierzulande an die Schicksale Peltiers und anderer politisch progressiver Gefangener zu erinnern.

  • Dr. Michael Koch, Seligenstadt Mitgründer von Tokata-LPSG RheinMain e. V. -Verein zur Unterstützung indigener Sozial-, Kultur-, Umwelt- und Menschenrechtsprojekte & Leonard Peltier Support Group und Autor (gemeinsam mit Michael Schiffmann) des Buches "Ein Leben für die Freiheit-Leonard Peltier und der indianische Widerstand" (2016/2017)
mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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