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04.09.2023 Störerhaftung aus der Mottenkiste

Betreiber offener WLANs wieder bedroht

Mehr als 40-mal haben wir in Artikeln gegen die Störerhaftung argumentiert. Die "Störerhaftung" hat über Jahre die Entwicklung und den Betrieb von offenen WLANs in Deutschland behindert, weil die Gefahr bestand, dass Abmahnungen für ungesetzliches Verhalten einzelner Nutzer dieser WLANs auf den Betreiber des Netzes übertragen wurden.

Heise.de schreibt: Nach vielem hin und her beschloss der Bundestag 2017 eine Novelle des Telemediengesetzes (TMG), um die heftig umstrittene Störerhaftung außer Kraft zu setzen, die bis dahin Anbieter öffentlicher WLANs mit Haftung bedrohte. Inhaber von Urheberrechten dürfen demnach von Hotspot-Betreibern weder Schadenersatz noch Abmahngebühren verlangen, wenn sie feststellen, dass über ein solches Funknetz unerlaubt geschützte Werke etwa per Filesharing verbreitet werden.

Nun erscheint dieses Problem erneut, denn aus unerfindlichen Gründen fehlt die entsprechende Klausel in Paragraf 8 TMG im Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) für ein Gesetz für digitale Dienste. Damit soll Volker Wissing (FDP) den Digital Services Act (DSA) der EU in nationales Recht gießen und Online-Plattformen schärfer regulieren.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und der Handelsverband HDE sind besorgt, dass durch die neuen Gesetzesformulierungen längst behobene Probleme erneut aufbrechen. Die Störerhaftung bedroht nicht nur private Betreiber von WLANs sondern vor allem kleine Gewerbetreibende, die in ihren Geschäften oder Restaurants ihren Kunden freies WLAN anbieten wollen.

Das Vorgehen ist ein Schlag gegen offene Software (Open Source) aber auch gegen eine Digitalisierung "von unten". Der DSA soll die großen Internetunternehmen - in der EU Verordnung spricht man von Unternehmen mit mehr als 45 Millionen Kunden - strenger regulieren. Statt dessen werden mit dem geplanten Schritt die "kleinen Pflänzchen der Netzgemeinde" ausgetreten.

Im zitierten Artikel von Heise.de wird berichtet, dass das Ministerium auf Nachfragen, welche DSA Formulierungen solche Änderungen im TMG erfordern, "aus technischen Gründen" keine Antwort erbringen konnte. Das ist Digitalisierung in Deutschland ...

Mehr dazu bei https://www.heise.de/news/Offenes-WLAN-Die-Angst-vor-einem-Comeback-der-Stoererhaftung-geht-um-9293044.html
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28.06.2022 Abgemahnt wegen einer DNS-Auskunft

Das schwächste Glied in der Kette

... hat sich der Musikriese Sony vorgenommen. Sony verklagt in Hamburg eine Schweizer Internet-Stiftung wegen Urheberrechts­verletzung.

Immer wieder - inzwischen schon mehr als 15-mal - haben wir uns mit dem nur in Deutschland existierenden Begriff der "Störerhaftung" auseinandersetzen müssen. Dabei werden oft völlig unbeteiligte Menschen für den Transfer urheberrechtlich geschützen Material haftbar gemacht. Das kann die Oma sein, die ihr WLAN nicht mit einem sicheren Passwort geschützt hat oder der Betreiber eines offenen WLAN - wie das hinter dem Bild links, sogar gefördert von der eignenen Landesregierung. Wir müssen anerkennen, dass die Gerichte nach 20 Jahren dazugelernt haben und es in letzter Zeit mit Störerhaftungsprozessenen ruhiger geworden ist.

Wie ist dennoch der aktuelle Fall entstanden?

Nicht so in dem aktuellen Fall - ein US Musikriese verklagt in Hamburg eine Schweizer Stiftung? Schon die rechtliche Konstruktion ist seltsam. Zwei bis heute unbekannte Nutzer?Innnen namens "Smiler10" und "beatnik" haben auf einer Piraterie-Plattform ein Album der Band Evanescence 2 Wochen vor dem offiziellen Verkaufsstart veröffentlicht, also zum Download angeboten. Die Anwälte von Sony hätten also vesuchen müssen, diesen Server ausfindig zu machen und ihn vom Netz nehmen müssen. Vielleicht hätten sie dabei die Identität der beiden zu Beklagenden ausfindig gemacht ... u.s.w.

Stattdessen schlägt Sony auf das schwächste Glied in einer Kette von technischen Abläufen: Beim Aufruf einer Webadresse, dem sogenannten Uniq Resource Locator (URL) wird zuerst ein DNS-Resolver (Domain Namens Auflöser) nach der IP Adresse gefragt und dann nach dessen Auskunft eine Verbindung zu dieser IP Adresse aufgebaut. DNS-Resolver werden von den großen Internetdiensten, wie Google, Cloudflare, ... angeboten, aber praktisch auch von vielen kleinen Internet-Providern.

Auch die Schweizer Internet-Stiftung Quad9 stellt diesen für das Funktionieren des Internets unersetzlichen Dienst zu Verfügung. Und Sony hat genau dieses auch finanzielle schwache Glied nach einer Abmahnung über 250.000 Euro in Hamburg vor Gericht gezerrt. Das Argument für das Verfahren: Quad9 hat sich durch die Auflösung des Namens des Piraterie-Servers mitschuldig an dem illegalen Download gemacht. Das nennt man dann Störerhaftung und damit hat man in Deutschland schlechte Karten.

Ob Google oder Cloudflare oder sonstwer den gleichen Dienst angeboten haben und auch weiter anbieten, war den Richtern in Hamburg völlig egal. Es hat ihnen als "Beweis" gereicht, dass die beanstandete Namensauflösung durch Quad9 "von deutschem Boden aus möglich war".
Quad9 wird in Berufung gehen ...

Wie der §219a (und sicher auch der §218) muss auch die Störerhaftung endlich völlig aus dem deutschen Recht gestrichen werden!

Mehr dazu bei https://www.republik.ch/2022/06/22/am-gericht
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22.06.2022 Nutzername muss nicht realer Name sein

Zumindest ein kleines Recht auf Anonymität

Wir interpretieren das A jetzt einfach mal für unser Recht auf Anonymität. Dieses Recht stand vor Jahren noch im Telemediengesetz und wurde in letzter Zeit immer mehr geschliffen.

Nun hat der Bundesgerichtshof wenigstens einen kleinen Rest davon gerettet. Im Urteil vom 27. Januar 2022 - III ZR 3/21 und III ZR 4/21 hat sich der zuständige III. Zivilsenat mit der Pflicht eines Anbieters eines sozialen Netzwerks befasst, dessen Nutzung unter Pseudonym zu ermöglichen.

Natürlich muss man sich anmelden, wenn man einen Dienst nutzen will, aber welche Daten sind dafür notwendig? Sicher ein Nutzername aber muss das der wirkliche Name sein? Ist die Wohnanschrift notwendig oder reicht eine E-Mail-Adresse?

Der BGH stellt in seinem Urteil fest:

  • Der beklagte Dienstanbieter wurde verurteilt, es zu dulden, dass der Kläger seinen Profilnamen in ein Pseudonym ändert, und dem Kläger unter Verwendung des gewählten Profilnamens Zugriff auf die Funktionen seines Nutzerkontos zu gewähren.
  • Es ist nicht zumutbar, dass während eines Vertragsverhältnisses die AGB so geändert werden, dass registrierte Nutzer ihre Nutzungsrechte verlieren.
  • Die in den neuen AGB definierte Klarnamenpflicht verstößt gegen den § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung.
  • Dieser Paragraf folgt dem Grundgedanken, dass der Diensteanbieter die Nutzung der Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.

Schön, dass auch mal ein höheres Gericht eine untere Instanz in datenschutzrechtlich positiver Weise belehrt.

Mehr dazu bei https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022013.html
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