#soziale-bewegungen

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#politik #protest #widerstand #streiks #macron #fn #kapitalismus #faschismus #klassenkampf #gewerkschaften #soziale-bewegungen #frankreich

Rückkehr nach Vichy

Die Annäherung zwischen Macronisten und RN ist also wesentlicher Teil der Strategie der Regierung, [...] Es ist nicht verwunderlich, dass Macron diesen Weg einschlägt, um aus der Krise zu kommen. Zwischen extremer Rechte und der Linken hat das Kapital schon immer gewusst, wo es steht. Das bestätigen auch die jüngsten Äußerungungen des Vorsitzenden des Medef, der größten »Arbeitgebervereinigung« in Frankreich, am Montag vergangener Woche im Interview mit dem Radiosender Franceinfo. Dort erklärte Geoffroy Roux de Bézieux wortwörtlich, Le Pen an der Macht sei »ein notwendiges Risiko«, das man jetzt eingehen müsse. Der marxistische Philosoph Frédéric Lordon hatte schon 2021 eine »Einheitsfront gegen links« unter Macron vorhergesagt. Dass diese Strategie jetzt dem Präsidenten helfen wird, aus der Krise zu kommen, ist unwahrscheinlich. Der Protest gegen die »Rentenreform« ist dafür zu breit aufgestellt. Allerdings ist dieses Spiel ein gefährliches, weil es Le Pen den Weg in den Élysée-Palast ebnet.
- aus Frankreich: Präsident Macron sucht Allianz mit rechter Le Pen, um »Einheitsfront« gegen Linke zu schmieden
https://www.jungewelt.de/artikel/448361.gef%C3%A4hrliche-strategie-m%C3%A9lenchon-staatsfeind-nummer-eins.html

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#politik #soziale-bewegungen #patriarchat #kapitalismus #feminismus #internationalismus #lateinamerika

Apropos "Feministische Außenpolitik":

"...der Kampf zur Überwindung der kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaften, die Formen von Herrschaft und Gewalt gegen Frauen in allen Teilen der Welt aufrechterhalten"

In Lateinamerika entsteht die "Feministische Internationale"

Mexiko-Stadt. Am 8. März haben 58 Frauen aus rund 30 Ländern den Aufruf für eine "Feministische Internationale" (Internacional Feminista) lanciert. Mit der Organisation wollen die Teilnehmenden feministische Anliegen international verknüpfen.

Das Gründungstreffen wird vom 30. März bis zum 1. April in Mexiko-Stadt stattfinden. Dort werde "ein Fahrplan erstellt, der es ermöglicht, die Debatte über die Vorschläge zu organisieren, die Frauengruppen in jedem einzelnen Land und auch auf globaler Ebene entwickeln", erklärte die ecuadorianische Abgeordnete und Mitunterzeichnerin Gisela Garzón.

Als eine ihrer Aufgaben sehen die Initiatorinnen, "kritische und mehrsprachige Dialoge zwischen Feminismus, Außenpolitik, internationaler Sicherheit und Diplomatie aus Mexiko und dem übrigen Lateinamerika im Allgemeinen zu befördern". Entsprechend feministischer Grundsätze wollten sie Pluralität, kollektives Handeln, Rechenschaftspflicht und Transparenz in Bezug auf öffentliche Maßnahmen vorantreiben, die eine Geschlechterperspektive beinhalten. Ihre Rolle in der weltweiten feministischen Bewegung sehen die Initiatorinnen darin, "öffentliche Maßnahmen zu entwickeln, umzusetzen, zu begleiten und zu evaluieren, die einen integrativen und radikal transformativen feministischen Ansatz gewährleisten".

Das Gründungstreffen finde in einer entscheidenden Zeit statt, in der die Welt "schwere wirtschaftliche, politische, soziale, gesundheitliche und ökologische Krisen durchlebt, wobei die am stärksten Betroffenen und Verarmten die Frauen sind", heißt es in dem Aufruf weiter. Und: "Wir glauben an den Feminismus als grenzüberschreitendes politisches Projekt, das sich für gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen einsetzt".

Die "Feministische Internationale" rufe dazu auf, sich zusammenschließen, um Alternativen für Entwicklung und Demokratisierung zu schaffen, die auf dem Aktivismus "eines popularen, intersektionalen, klassenbezogenen, antikapitalistischen, dissidenten, dekolonialen, antirassistischen, ökologischen Feminismus basieren, mit einem tiefgehenden Sinn für Demokratisierung und für die Schaffung von Frieden", so das Dokument.

Die Unterzeichnerinnen kommen aus unterschiedlichen Berufen und Bereichen, vor allem aus der Politik. Auf der Liste firmieren unter anderem die chilenische Ministerin für Frauen und Gleichstellung der Geschlechter, Antonia Orellana, die honduranische Präsidentin Xiomara Castro, die Regierungschefin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, Venezuelas Frauenministerin Diva Guzmán sowie Mariela Castro aus Kuba, Direktorin des Centro Nacional de Educación Sexual und Parlamentsabgeordnete. Aus Deutschland beteiligen sich die Mitglieder der Partei Die Linke, Alex Wischnewsky, Daphne Weber und Bettina Gutperl.

Neben den Unterstützerinnen aus Süd- und Zentralamerika und einigen aus Europa, finden sich außerdem Frauen aus asiatischen Ländern: Varsha Gandikola-Nelluta aus Indien, Vorstandsmitglied der Organisation Progressive International, die palästinensische Aktivistin und politische Analytikerin Yara Hawari, sowie aus Bangladesch Nazma Akter, Vorsitzende der Gewerkschaft Sommilito Garments Sramik.

Was sie trotz aller Unterschiede zusammenbringe, sei "der Kampf zur Überwindung der kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaften, die Formen von Herrschaft und Gewalt gegen Frauen in allen Teilen der Welt aufrechterhalten", so der Aufruf.
- https://amerika21.de/2023/03/263160/gruendung-feministische-internationale

https://www.internacionalfeminista.com/

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#politik #putsch #polizeigewalt #militär #revolte #streiks #massenproteste #indigene #soziale-bewegungen #linke #peru #medien #solidarität? #schweigen

Das große Schweigen zum elitegesteuerten Putsch gegen den linken Präsidenten und die Revolte der Menschen in Peru sagt viel über die Werte des Westens und deren Medien. Solidarität scheint aber bei vielen Linken hier fehl am Platze, die lieber (Querfront hin oder her) vom Schreibtisch aus im Verbund mit dem toxischen Nationalismus der ukrainischen Eliten und Militärs ihren Krieg gegen Putin führen:

Völkeraufstand gegen Putsch in Peru

Zahl der Todesopfer auf 54 gestiegen. Straßenblockaden in ganz Peru. Polizei geht mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstrierende vor

Lima. Die Proteste gegen die Regierung von Interimspräsidentin Dina Boluarte in Peru haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Der größte Gewerkschaftsbund (CGTP) hat zum landesweiten Streik aufgerufen und seit Donnerstag versammeln sich Menschen aus allen Teilen des Landes in der Hauptstadt, um unter dem Motto "La toma de Lima" (Die Einnahme von Lima) gegen die Amtsenthebung von Präsident Pedro Castillo und für Neuwahlen zu demonstrieren. Landesweit wurden 145 Straßenblockaden registriert.

Wie in den Wochen zuvor waren die Proteste der vergangenen Tage von massiver Repression seitens der Polizei und zahlreichen verletzten und getöteten Demonstrant:innen gekennzeichnet. Boluarte drohte in einer Ansprache den Protestierenden "mit der ganzen Härte des Gesetzes" und verkündete, dass sie nicht zurücktreten werde. [...]

In vielen Städten des Landes solidarisieren sich die Menschen mit den Märschen in Lima. Auch Studierende aus unterschiedlichen Regionen haben sich den Protesten angeschlossen. An der Nationaluniversität San Marcos haben zudem Mitglieder der Universitätsgewerkschaft (FUSM) einen Teil der Universität "in Solidarität" mit den Protesten besetzt. Von ähnlichen Aktionen wurden auch aus der Nationalen Universität für Ingenieurwissenschaften berichtet.

Bereits vergangenes Wochenende machten sich Tausende Mitglieder der indigenen Gemeinschaften sowie sozialer und gewerkschaftlicher Organisationen auf den Weg in die Hauptstadt. Sie kündigten an, so lang in der Stadt zu bleiben, bis Boluarte zurücktrete. Viele der Angereisten berichteten von willkürlichen Straßensperren und Ausweiskontrollen durch die Polizei.

Knapp 50.000 Menschen sollten für den zweiten "Marcha de cuatro Suyos" (Marsch der vier Regionen) mobilisiert werden, um die Forderungen nach sofortigen Wahlen und Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung zu bekräftigen. Der "Marsch der vier Regionen" ist eine historische Referenz und bezieht sich auf den Protest im Jahr 2000, als Tausende Menschen in Lima gegen die Wiederwahl des Diktators Alberto Fujimori protestierten.

Neben Polizeischikanen haben die Protestierenden auf ihrem Weg nach Lima auch viel Solidarität erlebt: "Wir sind dankbar für all die Liebe, die uns in jeder Stadt entgegengebracht wurde. Wir werden sie nicht im Stich lassen. Wir kehren erst zurück, wenn Dina Boluarte zurücktritt. Sie hat uns ignoriert. Sie hat uns gedemütigt. Jetzt wird sie die Stärke der Aymara kennenlernen", sagte José Colque Mamani, einer der angereisten Anführer:innen einer Aymara-Gruppe.

Die Protestwelle begann am 7. Dezember letzten Jahres, als Pedro Castillo aus dem Amt entfernt und verhaftet wurde, nachdem er die Schließung des Parlaments verfügt und einen verfassungsgebenden Prozess für eine neue Magna Carta gefordert hatte.

Seitdem kommt es in fast allen Regionen Perus zu Massenprotesten, die von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt werden. 54 Menschen starben, mehrere hundert wurden verletzt und inhaftiert. Die Regierung Boluarte verlängerte mittlerweile den Ausnahmezustand in Lima, Cusco, Callao, Puno, Amazonas, La Libertad und Tacna um 30 Tage und ermächtigte neben der Polizei auch das Militär einzugreifen, um die Proteste einzudämmen.
- https://amerika21.de/2023/01/262266/protest-peru-marsch-auf-lima

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#politik #medien #stadtpolitik #soziale-bewegungen #initiativen #publikation #empfehlung #vergesellschaftung #mieten #munizipalismus

Die neue Común ist da.

Sehr interessantes Magazin zu Stadtpolitik. Gestaltet und gefüllt aus den sozialen Bewegungen selbst. Früher als Print, aber wegen zu hoher Druck- und Vertriebskosten ab jetzt nur noch online. Ohne Paywall! Spenden sind erwünscht ;)

Hier das Inhaltsverzeichnis: https://comun-magazin.org/inhaltsverzeichnis-comun-07/

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#politik #gesellschaft #revolte #soziale-bewegungen #globaler-süden #haiti

Haiti: Von Verzweiflung und Wut

Die Bevölkerung begehrt auf gegen ein korruptes System ‒ und gegen jede Art von Intervention der "Internationalen Gemeinschaft" (Von Frédéric Thomas)

.... In den internationalen Reaktionen auf die Rebellion in Haiti lassen sich drei Schrecken erkennen: vor den Schwarzen, vor den Bevölkerungen des Südens und vor dem "einfachen Volk". Sicherlich sollte man sich in 7.000 Kilometer Entfernung und mit vollem Bauch vor Aufstandsromantik hüten, aber noch mehr sollte man paternalistische Rhetorik oder falsches Mitgefühl, das die Revolte als Unfall oder Fehler sieht, ablegen.

Die derzeitige Erhebung hat die Positionen geklärt. Die Haitianerinnen und Haitianer haben den ihnen zugewiesenen Platz – den einer bevormundeten, "von oben" verwalteten Bevölkerung, dazu verurteilt, von sinnloser, auswegloser humanitärer Hilfe zu leben – verlassen. Sie haben damit das Schloss des Status Quo und der Beherrschung für einen Moment gesprengt. Gleichzeitig haben sie den internationalen Zynismus und die Doppelbödigkeit entlarvt.

Und sie haben die Optionen, vor denen sie stehen, auf den Punkt gebracht: Entweder sie erleiden die Angst vor Entführung und Vergewaltigung, die Gewalt der Verachtung und der Herrschaft isoliert in jeder Familie, oder sie stellen sich dem gemeinsam auf der Straße. Auf die Gefahr hin, sich einem neuen Massaker auszusetzen, das von den bewaffneten Banden organisiert und von den Machthabern ferngesteuert wird.

Man muss immer wieder sagen: Nicht nur haben die Haitianer und Haitianerinnen Recht, zu revoltieren, sondern einzig die Revolte eröffnet den Weg für einen Wandel, indem sie es ermöglicht, sich von der doppelten Unterordnung unter die Oligarchie und die Internationale Gemeinschaft zu lösen.
- vollständiger Artikel: https://amerika21.de/analyse/260460/haiti-von-verzweiflung-und-wut

Mehr: https://amerika21.de/geo/haiti

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#politik #volksentscheid #dw-enteignen #soziale-bewegungen #parteipolitik #organizing #analyse

Sehr ausführliche und gute Analyse zur Volksentscheid-Kampagne

"In tausenden Gesprächen konnte man feststellen, dass die Menschen an den Haustüren und auf der Straße teilweise radikaler sind als unsere linken Projektionen. Das sollte uns positiv stimmen. Die meisten Menschen wissen sehr genau, wie hoch die letzten Mietsteigerungen waren und was die großen Unternehmen damit zu tun haben. Sie verstehen das Prinzip des Profits der Wenigen. Und sie wissen auch, dass sie jeden Monat über den Tisch gezogen werden und immer mehr Lohn für immer weiter steigende Mieten hinblättern müssen. Lange erklären müssen wir hier nichts. Wir sollten selbstbewusst für unsere konkrete Forderung werben, die die Lebenslage von Hunderttausenden Menschen verbessern könnte.

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#politik #soziale-bewegungen #wohnen #mietenwahnsinn #enteignen #organizing #volksentscheid

Es gibt viel zu tun – packen wir´s an. - Der Erfolg von «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» ist erst der Anfang.

Eine Analyse von Armin Kuhn und Stefan Thimmel, Referenten für Wohnungs-, Mieten- und Stadtpolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung

DER SPIEGEL ruft den «Sieg der Populisten» aus, die FAZ fragt: «Ist das schon Sozialismus?», laut CICERO wurde eine «Illusion» vermittelt und für die BZ wurde «ihre sorgfältig und langfristig aufgezogene Kampagne (im Original: wurde) von der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken gesteuert und finanziell unterstützt». Da reiben sich doch nach dem «Volksentscheid über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen» nicht wenige Medienvertreter:innen die Augen und bemühen Textbausteine aus ihrer Mottenkiste. Denn ein so eindeutiges Ergebnis hatten die wenigsten erwartet. Mehr als eine Million Berliner:innen (1.034.079), 56,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, haben für die Vergesellschaftung gestimmt. Damit hatten die Befürworter:innen mehr als 17 Prozentpunkte Vorsprung auf den ablehnenden Teil der Bevölkerung (715.214 bzw. 39 Prozent Nein-Stimmen). Und es lohnt sich, noch genauer hinzuschauen. Das erwartete Rekordergebnis hat die Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» in Friedrichshain-Kreuzberg mit fast drei Viertel Ja-Stimmen erzielt – in den zwei Nord-Neuköllner Wahlkreisen sind es sogar gut 80 Prozent. Doch auch fast überall außerhalb des durch die SPD-Kampagne sprichwörtlich gewordenen S-Bahnrings gab es Mehrheiten. In zehn von zwölf Berliner Bezirken war der Volksentscheid erfolgreich; so auch mit 55,8 Prozent in Marzahn-Hellersdorf, mit 51,9 Prozent in Spandau und mit 60,8 Prozent in Pankow. Nur im Bezirk Reinickendorf und im Bezirk Steglitz-Zehlendorf mit den Villenvierteln im Grunewald und im Ortsteil Dahlem hatten die Vergesellschaftungs-Gegner:innen eine Mehrheit.

Erfolg trotz Gegenkampagnen

Dabei hatten die meisten Parteien und die immobilienwirtschaftlichen Lobbyverbände und –akteure im Wahlkampf alles in die Waagschale geworfen, um diesen Erfolg zu verhindern: mit knalligen Kampagnen wie das «Bauen statt Klauen» der FDP; mit Tricks wie den CDU-Wahlkampfflyern, die der offiziellen Senatsempfehlung zum Volksentscheid täuschend ähnlich sahen oder Prophezeiungen, auch Genossenschaftsmitglieder würden enteignet; mit Umdeutungen wie von der grünen Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die das Volksbegehren instrumentalisieren wollte, um mit den betroffenen und weiteren Wohnungsunternehmen einen «Mietenschutzschirm» auszuhandeln, bis hin zu unverhohlenen Drohungen der SPD-Spitzenkandidatin und voraussichtlich neuen Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey, die von «roten Linien» für zukünftige Koalitionen sprach. Enteignungen seien mit ihr nicht zu machen.

Doch die überwältigende Zustimmung zur Forderung von «Deutsche Wohnen & Co. enteignen», die sich schon in rund 360.000 gesammelten Unterschriften für das Volksbegehren gezeigt hatte, ließ sich durch solche Manöver nicht beeinträchtigen. Letztlich hat das Volksbegehren genauso viele Menschen hinter sich versammelt wie die drei bisherigen und vielleicht auch zukünftigen Berliner Regierungsparteien SPD, Grüne und LINKE zusammen an Wähler:innenstimmen erreichen konnten. Denn im Erfolg der Kampagne kulminiert die Frustration und der Protest der Berliner:innen nach über zehn Jahren Wohnungskrise und explodierender Mieten. Unzählige Mieter:innen sind in dieser Zeit selbst zum Spielball der Profitinteressen eines Teils der Wohnungswirtschaft geworden, oder haben Angst davor, dass die nächste Mieterhöhung, die Benachrichtigung über den Eigentümerwechsel oder die Eigenbedarfskündigung kurz bevorsteht. Der laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. April 2021 an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz gescheiterte Berliner Mietendeckel, der zumindest für einige Monate Entlastung gebracht hatte, hat die Unterstützung für das Volksbegehren nur noch gesteigert. Die Möglichkeit, den Wohnungskonzernen an der Wahlurne die Grenzen aufzuzeigen, hat eine große Mehrheit dankbar angenommen.

Erfahrungen vieler Initiativen als Basis der Kampagne

Gewonnen hat eine parteipolitisch unabhängige Kampagne, die aus Initiativen und Kämpfen von Mieter:innen hervorgegangen ist, und die von Beginn an stark auf aktives Organizing und Selbstorganisierung gesetzt hat. Die Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» ist auch ein Ergebnis der vielen Abwehrkämpfe, die Mieter:innen, Hausgemeinschaften und Initiativen in den vergangenen Jahren geführt haben. So beschreibt das auch Rouzbeh Taheri, einer der Sprecher:innen der Kampagne in einem Artikel, der schon im Mai 2018 bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Standpunkt erschienen ist. Einer der wesentlichen Ausgangspunkte war dabei ganz konkret die Situation in den 2004 vom Land Berlin unter einem rot-roten Senat privatisierten Beständen der ehemaligen GSW am Kottbusser Tor in Kreuzberg, die heute der Deutsche Wohnen SE gehören. Spätestens ab 2012 organisierte hier die Mieter:inneninitiative Kotti & Co. einen politischen Widerstand, ausgehend von Protestaktionen gegen Mieterhöhungen über Forderungen nach Rekommunalisierung und den Mietenvolksentscheid im Jahr 2015, der u.a. zum Wohnraumversorgungsgesetz für Berlin führte. Ein weiterer Meilenstein war die Gründung einer Vernetzung von etwa 20 betroffenen Initiativen im «Mieter:innenprotest Deutsche Wohnen». Die Erfahrungen und das Wissen unzähliger Initiativen und Kämpfe sind in die Kampagne eingeflossen. Entscheidend war die gemeinsame Entscheidung, möglichst viele Mieter:innen und Unterstützer:innen aktiv und in dezentralen Strukturen – in Hausgemeinschaften, Kiezteams oder AGs, später in Sammelgemeinschaften oder Telefon- oder Haustür-Wahlkampfgruppen – einzubinden. Nur durch die konsequente aktivierende Ansprache und die Offenheit für Mitstreiter:innen unabhängig von ihrem Hintergrund oder ihren politischen Erfahrungen, wurde die breite Unterstützung durch zuletzt über 2.000 Aktive möglich und verlässlich; ein Garant des aktuellen Erfolgs mit einer Verankerung in vielen Berliner Bezirken und nicht allein in Friedrichshain-Kreuzberg.

Als die Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» ins Leben gerufen wurde, waren nicht alle Wohnungsunternehmen bekannt, die im Besitz von 3.000 Wohnungen oder mehr waren. Hier für mehr Transparenz zu sorgen war von Anfang an Ziel des Projektes «Wem gehört die Stadt?» der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das Projekt deckt die Geschäftsmodelle und Praktiken der Wohnungsunternehmen auf und unterstützt Mieter:innen und Initiativen bei der Suche nach Ihrem Vermieter und der Antwort auf die Frage, wie sich der finanzialisierte Wohnungsmarkt vor der eigenen Haustür auswirkt. Durch ausgiebige Datenanalysen und Recherchen konnten im Rahmen dieses Projekts seit 2018 u.a. Immobilienkonzerne und Eigentümer identifiziert werden, die bis dato nicht auf dem Zettel von «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» standen. Aktuell kann von etwa 12 bis 14 Konzernen und Unternehmen mit insgesamt etwa 250.000 Wohnungen ausgegangen werden.

Geschäftsmodelle und Praktiken der Wohnungsunternehmen

Die Liste der Kritikpunkte am Verhalten und am Geschäftsmodell dieser Unternehmen ist lang: vernachlässigte Instandsetzungen, mit alljährlich zum Herbst wiederkehrenden Ausfällen von Heizungen oder Warmwasser; intransparente, überhöhte Betriebskosten, auch als «zweite Miete» bezeichnet; die mangelnde Erreichbarkeit von Hausverwaltungen und Service; unkorrekte Mieterhöhungen - tausendfach abgeschickt sind die wenigen erfolgreichen Klagen einzelner Mieter:innen verschmerzbar; teure Neuvermietungen, oft unter Umgehung der Mietpreisbremse, z.B. durch die Vermietung möblierter Wohnungen; teure, oft unsinnige Modernisierungen, die die Mieten dauerhaft, auch nach Abbezahlung der umgelegten Kosten, erhöhen; Verdrängung von Mieter:innen durch schikanöse Baumaßnahmen und dauerhafte, verdeckte Leerstände; vielfache Aufteilungen und Umwandlungen in teure Eigentumswohnungen. Hinzu kommt eine immer stärkere Marktmacht, die politischen Einfluss mit sich bringt, erst recht nach der geplanten Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen, den beiden größten Wohnungskonzernen in Deutschland.

Über eine Million Berliner:innen, mindestens, haben verstanden, dass sich mit dem Volksentscheid zur Vergesellschaftung der Wohnungen großer Wohnungskonzerne ein historisches Fenster geöffnet hat, um Schlagwörter wie «Die Stadt gehört uns», «Recht auf Stadt» oder «Mietenwahnsinn stoppen» zu einer realen Praxis zu machen und Investoren, deren einziges Geschäftsmodell die Spekulation mit Boden und Wohnraum ist, die rote Karte zu zeigen. «Ich würde eher sagen, eine Abschreckung von Investoren ist genau das, was wir jetzt brauchen. (…) Wenn manche Investoren sich durch die Enteignungsdebatte die Frage stellen würden, ob sie noch in Berlin investieren sollen, wäre das ein positiver Nebeneffekt und würde langfristig wohl dazu beitragen, dass die Immobilien- und Bodenpreise wieder sinken», so der Stadtforscher Prof. Dr. Sebastian Schipper in Faz.net am 24.04.2019.

Etwa 240.000 von knapp einer Million profitorientiert bewirtschafteten Wohnungen in Berlin - eine genaue Auflistung findet sich in der im November 2020 erschienenen Studie «Wem gehört die Stadt? - Analyse der Eigentümergruppen und ihrer Geschäftspraktiken auf dem Berliner Immobilienmarkt» - würden der Spekulation mit Wohnraum entzogen und durch Vergesellschaftung in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt. Der kommunale Wohnungsbestand würde dadurch schlagartig fast verdoppelt. Eine nicht profitorientierte, unter demokratischer Kontrolle und mit funktionierenden Partizipationsmechanismen ausgestattete gemeinwohlorientierte Anstalt würde in der Folge auch indirekt für alle anderen Mietwohnungen regulierend wirken. Durch den Einfluss auf den Mietspiegel könnten die Mieten, die in Berlin allein im Zeitraum zwischen 2013 und 2018 bei den Bestandsmieten um 19 Prozent und bei den Angebotsmieten sogar um 140 Prozent gestiegen sind, deutlich sinken. Und nicht zuletzt für Rentner:innen, die zur Miete wohnen, wäre eine solche Reduzierung oder zumindest ein Stopp der explodierenden Mieterhöhungen bei stagnierenden oder sinkenden Renten deutlich wirksamer als jede weitere Förderung für den Kauf von Eigentumswohnungen, der allzu oft als»beste Altersvorsorge» gerechtfertigt wird.

Die Argumente der Gegner:innen

Während sich also die Hoffnungen der Mieter:innenbewegung und der Befürworter:innen des Volksentscheids darauf richten, Spekulation mit Wohnraum zu erschweren und mit dann vergesellschafteten Wohnungen die soziale Wohnraumversorgung zu verbessern, finden sich im politischen Diskurs im Wesentlichen zwei Argumentationslinien gegen Enteignung und Vergesellschaftung: Erstens, die Vergesellschaftung schaffe keine neuen Wohnungen – «Bauen, bauen, bauen» ist hier die alleinige Devise. Das eine tun, um damit ein Viertel der Wohnungen in Berlin dem spekulativen Markt zu entziehen und das andere nicht lassen, um einen gemeinwohlorientierten, genossenschaftlichen und leistbaren privaten Neubau zu fördern, wäre eine gesellschaftlich verantwortliche und zukunftsfähige Strategie. Unstrittig ist auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum: Berlin fehlen aktuell mindestens 300.000 Wohnungen mit günstigen Mietpreisen bis zu 6 Euro pro Quadratmeter. Davon müssten ca. 100.000 Neubauwohnungen bis 2030 müssen gebaut werden.

Das zweite Gegenargument: Die Vergesellschaftung sei zu teuer. Hier werden dann Entschädigungsmodelle zum Marktwert von bis zu 39 Milliarden Euro allein für die vom Berliner Senat gelisteten 10 betroffenen Wohnungsunternehmen genannt. In einem Fachgespräch der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 07. September 2021 mit zahlreichen renommierten Jurist:innen und Ökonom:innen wurde deutlich, dass Vergesellschaftung möglich und verfassungsrechtlich zulässig ist und das auch zu einer Entschädigung, die weit unter Marktwert liegt und haushaltsneutral finanzierbar ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie von Andrej Holm und Sebastian Gerhardt. Eine Vergesellschaftung der großen profitorientierten Wohnungsbestände steht damit nicht notwendigerweise in Konkurrenz zu anderen notwendigen Ausgaben wie Klimaschutz im Gebäudebereich, Verkehrswende, Schulbauoffensive etc.

Das Ergebnis ist politisch verbindlich

Die roten Linien, die im Vorfeld des Volksentscheids gezogen wurden, sind mit der überwältigenden Zustimmung zur Enteignung in den gelb-lila Farben der Kampagne übermalt worden. Die jetzt vorliegende Aufforderung ist zwar nicht rechtlich, aber politisch verbindlich. Der neue gewählte Berliner Senat muss sich damit auseinandersetzen. Und dabei herauskommen muss ein Gesetzesentwurf, der einen konkreten, gangbaren Weg zur Vergesellschaftung und zur Demokratisierung der großen profitorientierten Wohnungsbestände in Berlin aufzeigt.

Die Wohnungsbaugenossenschaften mit ihren ca. 220.000 Wohnungen in Berlin haben dazu nie gehört und werden auch niemals unter ein Vergesellschaftungsgesetz fallen. Gemeinwohlorientiert und nicht profitorientiert, wie sie per se sind, können Wohnungsbaugenossenschaften nicht enteignet werden mit dem Ziel, sie zu gemeinwohlorientierten, nicht profitorientierten Gesellschaften zu machen. Das wäre absurd. Das wissen natürlich auch die Parteien und Verbände, die nah dran sind an der Immobilienlobby und ihren üppigen Spenden. Warum einige Vertreter:innen von Genossenschaften allerdings dennoch die Mär von ihrer drohenden Enteignung weiterhin schüren, ist offensichtlich: Demokratisierungsbedarf gibt es auch hier. Der breiten und offen geführten Diskussion darüber im Zuge der Ausformulierung eines Gesetzestextes werden auch sie sich nicht entziehen können. Schon gibt es Initiativen, die Druck innerhalb der Wohnungsbaugenossenschaften machen und genau eine solche Diskussion fordern.
Inspiration für andere Kampagnen

Druck ist auch das Stichwort der Stunde aus der Dynamik des Erfolgs heraus: Enteignungsforderungen in weiteren Bundesländern (wie z.B. Vonovia und Co. enteignen), Share-Deals, ein qualifiziertes Vorkaufsrecht, eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit, eine andere Bodenpolitik (Bodenpreisdeckel oder Baulandspekulanten enteignen), Konzepte für eine sozial gerechte energetische Sanierung, Bundesweiter Mietendeckel etc. stehen weiterhin auf der Agenda und weitere Kampagnen sind vonnöten und stehen schon in den Startlöchern. Der überwältigende Erfolg von «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» in der Nacht des 26. September 2021 wird all diesen Kämpfen Inspiration sein.

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #afghanistan #frauenrechte #feminismus #soziale-bewegungen #geschichte

Sehr gutes Interview mit Aktivistinnen von RAWA (Revolutionäre Vereinigung der Frauen Afghanistans).

Frauenrechte in Afghanistan: Der Kampf beginnt in der Familie

Die Frauenrechtsorganisation RAWA berichtet über die derzeitige Lage in Afghanistan und warum das Land jetzt wieder am Nullpunkt steht

Zunächst denken wir, dass wir von Ausländern – insbesondere von unseren beiden Nachbarn Iran und Pakistan, die eine entscheidende Rolle bei der Förderung des Fundamentalismus gespielt haben – und vom Westen nichts erwarten dürfen: Wir können und sollten keine positiven Erwartungen haben. Aber wenn es um die große Masse der Menschen aller Länder geht, denken wir, dass wir alle ähnliche Schmerzen erleiden.
Wir erwarten und bitten die Weltbürger, das gepeinigte Volk Afghanistans nicht zu vergessen und unserer Not im Ausland eine Stimme zu geben. Wir bitten diese Weltbürger, alle Antikriegskräfte, alle gerechtigkeitsliebenden Kräfte, alle fortschrittlichen Bewegungen, Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit sie sich nicht mehr in Afghanistan einmischen.....

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #afghanistan #frauenrechte #feminismus #soziale-bewegungen #geschichte

Krieg in Afghanistan: Mär von der Frauenbefreiung

Afghanistan: Westen instrumentalisiert Feminismus für eigene Interessen. Kampf um gleiche Rechte schon seit 60er Jahren torpediert (Von Jürgen Heiser)

Nach den in westlichen Medien zunächst kolportierten »Garantien« der neuen Machthaber in Kabul, Pressefreiheit und Frauenrechte »achten zu wollen«, zeigten sich diese schließlich doch besorgt, die Taliban könnten die angeblich von NATO-Truppen gesicherten Rechte von afghanischen Mädchen und Frauen wieder beseitigen: Es könne ähnlich werden wie während der Herrschaft der Taliban im Islamischen Emirat Afghanistan (1996 bis 2001), als die Islamisten vor allem für die Unterdrückung von Frauen und Mädchen bekannt waren, heißt es.

Allerdings kam es nicht erst während des ersten Taliban-Emirats zur Unterdrückung von Frauen, aus der sie der NATO-Einmarsch vorgeblich »befreite«. Diese bis heute gepflegte Mär des Westens stellt die Geschichte Afghanistans und speziell des Freiheitskampfes der Frauen auf den Kopf. Im 2001 von der US-geführten Kriegsallianz begonnenen Angriff auf das Land ging es nie um die Befreiung der Frau. Wer das dennoch behauptet, will vergessen machen, dass es gerade die USA, ihre Geheimdienste und europäischen Verbündeten waren, die den in den 1960er Jahren von den afghanischen Frauen begonnenen Kampf um Gleichberechtigung niederschlugen.

Damals hatte der gesellschaftliche Aufbruch vor allem die urbane Jugend erfasst, und es entstand eine starke säkulare Studenten- und Frauenbewegung. Sozialistische und kommunistische Organisationen wurden gegründet, und linke Parteien entwickelten revolutionäre Programme für eine demokratische Umgestaltung. Wie in anderen Teilen der Welt war dieser Aufbruch sicher auch in Afghanistan mit taktischen und strategischen Fehlern behaftet, aber dennoch ein kolossaler Fortschritt.
- vollständiger Artikel: https://www.jungewelt.de/artikel/409086.krieg-in-afghanistan-m%C3%A4r-von-der-frauenbefreiung.html

Gesicht eines neuen Afghanistans: Die Kommunistin Anahita Ratebsad hat zeit ihres Lebens für Fortschritt und Gleichberechtigung gearbeitet

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wahlen #verfassung #demokratie #menschenrechte #soziale-bewegungen #aufstand

Gegen das Erbe Pinochets: Venceremos – wir werden siegen

Wahlen in Chile: Linke und Unabhängige gewinnen Mehrheit in verfassunggebender Versammlung. Kommunistin wird Bürgermeisterin von Santiago (Von Frederic Schnatterer)

Linke und unabhängige Delegierte stellen die Mehrheit in der verfassunggebenden Versammlung in Chile. Das geht aus den ersten Ergebnissen der Abstimmung vom Wochenende hervor, die die Wahlbehörde Servel am Sonntag abend (Ortszeit) veröffentlichte. Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmen entfallen demnach 65 der insgesamt 155 Mandate auf Kandidaten linksgerichteter Parteien – 25 auf Mitglieder der sozialdemokratisch orientierten Lista Apruebo, 27 auf Apruebo Dignidad, der auch die KP Chiles angehört. Das rechte Bündnis Vamos por Chile des Präsidenten Sebastián Piñera kommt lediglich auf 38 Sitze.

Großer Gewinner der Abstimmung sind zudem die Unabhängigen, voraussichtlich 48 Delegierte gehören keiner politischen Partei an. Angesichts der Tatsache, dass das chilenische Wahlsystem die traditionellen Parteien bevorteilt, war dieses Ergebnis nicht erwartet worden. 17 Mandate waren Vertretern der indigenen Bevölkerung vorbehalten. Zudem wird der Konvent geschlechterparitätisch besetzt sein, was Chile zum ersten Land der Welt macht, in dem ebenso viele Frauen wie Männer die künftige Verfassung ausarbeiten werden. Die Delegierten haben nun ein Jahr lang Zeit, um den Text zu formulieren, ehe in einem weiteren Referendum darüber abgestimmt wird.

Viele der unabhängigen Delegierten kommen aus den Reihen der sozialen Revolte, die im Oktober 2019 ausgebrochen war und sich die Ausarbeitung einer neuen Verfassung auf die Fahnen schrieb. Nach einem Jahr der Massenproteste hatte im vergangenen Oktober eine überwältigende Mehrheit in einem Referendum für eine Ablösung der noch aus Zeiten der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973–1990) stammenden Konstitution gestimmt. Von den mehr als 14 Millionen dazu berechtigten Chileninnen und Chilenen beteiligten sich am Sonnabend und Sonntag 6,4 Millionen an der Abstimmung.

Das Ergebnis stellt eine herbe Niederlage für die chilenische Rechte dar. »Wir sind nicht ausreichend auf die Forderungen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger eingestellt«, erklärte Präsident Piñera, der für die Abstimmung ein Bündnis mit der Ultrarechten eingegangen war, am Sonntag. Nun gehe es darum, »demütig und aufmerksam auf die Botschaft des Volkes zu hören«. Seit Monaten hält sich die Regierung von Piñera im Amt, obwohl sie über fast keinen Rückhalt mehr verfügt.

Besonders bedeutsam ist, dass die Rechte das von ihr angestrebte Drittel in der verfassunggebenden Versammlung verpasst hat und somit progressive Inhalte nicht blockieren kann. In dem Konvent müssen Entscheidungen mit einer Zweidrittelmehrheit getroffen werden. Die KP-Abgeordnete Karol Cariola dankte am Sonntag dementsprechend den Wählerinnen und Wählern, die »ohne Angst gewählt« hätten und erklärte: »Wir werden weiter die Ketten der Diktatur zerstören, um eine historische Verfassung auszuarbeiten.«

Auch bei den ebenfalls am Wochenende durchgeführten Wahlen von Bürgermeistern, Gemeinderäten und Gouverneuren musste die Rechte teils heftige Schlappen einstecken. Dabei sticht besonders die Hauptstadt Santiago hervor. Hier setzte sich Irací Hassler von der Kommunistischen Partei gegen den rechten Amtsinhaber Felipe Alessandri durch. Nach ihrem Triumph erklärte die Kommunistin: »Wir hoffen, dass das heute nur der Vorgeschmack für das ist, was unserem ganzen Land bevorsteht: dass niemals wieder die Rechte gegen unsere Nachbarinnen und Nachbarn regieren wird.«

Mehr: https://amerika21.de/2021/05/250653/wahlen-verfassung-chile-linker-erfolg