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Krieger mit kalten FĂŒĂŸen

Skepsis nimmt zu: Teile des US-MilitÀrestablishments zweifeln an »weiteren Vorteilen« von VerlÀngerung des Ukraine-Konflikts (Von Reinhard Lauterbach)

Einerseits scheint der Ukraine-Krieg fĂŒr die USA gut zu laufen. Das dem Pentagon nahestehende Institute for the Study of War in Washington konstatierte aus Anlass der mutmaßlichen Verletzung moldauischen und rumĂ€nischen Luftraums durch russische Raketen im Zuge der letzten Angriffswelle auf ukrainische Ziele am vergangenen Freitag zufrieden: »Unsere EinschĂ€tzung ist, dass die NATO und ihre einzelnen Mitgliedstaaten die volle Kontrolle ĂŒber ihre Optionen zur Reaktion und deren Ausmaß haben.« Das Verteidigungsministerium in Bukarest hatte der ukrainischen Darstellung widersprochen, wonach rumĂ€nischer und damit NATO-Luftraum verletzt worden sei. Die Raketen seien jenseits der Grenze ĂŒber das Gebiet des Nachbarlands Moldau geflogen. Weiter hieß es: »Wir bleiben auch bei der EinschĂ€tzung, dass Putin nicht an einem direkten Krieg mit der NATO interessiert ist und halten es daher fĂŒr unwahrscheinlich, dass er eine Eskalation riskieren wĂŒrde.« Selber nach Wunsch eskalieren können, ohne vom Gegner darin eingeschrĂ€nkt zu werden – der Traum eines jeden Kriegsplaners.

Andere im militĂ€risch-politischen Establishment der USA beurteilen den Stand der Auseinandersetzung um die Ukraine mit deutlich mehr Skepsis. Zu ihnen gehört die RAND Corporation, ein in Kalifornien ansĂ€ssiger Thinktank, der ebenfalls dem US-MilitĂ€r zuarbeitet. RAND veröffentlichte bereits im Januar eine Studie mit dem Titel »Den langen Krieg vermeiden. Die US-Politik und der weitere Verlauf des russisch-ukrainischen Konflikts«. Darin orientiert man sich an der bereits im Oktober 2021 formulierten Richtlinie von Generalstabschef Mark Milley zu den Interessen der USA gegenĂŒber diesem damals in Washington bereits antizipierten Krieg: erstens einen unmittelbaren (»kinetischen«) Konflikt zwischen dem NATO- bzw. US-MilitĂ€r und Russland zu vermeiden, zweitens, das Kriegsgeschehen auf die geographischen Grenzen der Ukraine zu beschrĂ€nken.

Verhandeln oder eskalieren

Aus dieser Konstellation heraus – und völlig vom Standpunkt der beanspruchten SouverĂ€nitĂ€t der USA in der Wahl ihrer Kriegsziele und -mittel – argumentieren die Autoren der Studie, Samuel Charap und Miranda Priebe, dafĂŒr, dass es fĂŒr die USA besser sei, sich allmĂ€hlich auf eine Verhandlungslösung hin zu orientieren. Denn je lĂ€nger der Krieg dauere und je mehr ihn Russland auf der konventionellen Ebene zu verlieren drohe, desto mehr wachse womöglich auf russischer Seite die Bereitschaft, die Niederlage durch einen Atomwaffeneinsatz abzuwenden. In einer solchen Situation gebe es keine »gute« Lösung: KĂ€me Russland mit dem Atomwaffeneinsatz davon und erlangte durch ihn politische Vorteile, wĂ€re ein »schlechtes Beispiel geschaffen«. Reagierten die USA aber ebenfalls mit Eskalation, könnten sie in einen Atomkrieg »hineingezogen« werden – von dem sie nicht sicher sein könnten, ihn zu gewinnen bzw. zu ĂŒberstehen.

Auch beim zweiten Aspekt von Milleys Richtlinie sehen die Autoren Probleme. Die Interessen der USA und der Ukraine liefen zwar im Moment parallel (»align«), sie seien aber nicht identisch. Insbesondere mĂŒsse Washington sich die Frage stellen, in welchem Grade es das ukrainische Kriegsziel, das gesamte Staatsgebiet zurĂŒckzuerobern, unterstĂŒtzen kann. Interessant ist hier die Argumentation: Das Einfrieren des Konflikts auf dem Gebietsstand des Dezembers 2022 wĂŒrde zwar zementieren, dass Russland das Recht der Ukraine auf territoriale IntegritĂ€t verletzt (eine RĂŒckkehr zur Demarkationslinie vom Februar 2022 wĂŒrde an dieser Verletzung nichts GrundsĂ€tzliches Ă€ndern). Ob es aber der Ukraine gelingen könne, auch die Krim und das gesamte Donbass-Gebiet zurĂŒckzuerobern, sei »zweifelhaft«. Solange die Ukraine nicht durch eine neue russische Offensive ganz vom Schwarzen Meer abgeschnitten ist – und damit, was nicht dazugesagt wird, aber jedem Leser klar sein kann, auch die Kontrolle dieses Meeres durch die USA reduziert wĂ€re –, werde das Land sich mit jedem kĂŒnftigen Gebietsstand irgendwie arrangieren können. Zumal die Autoren darauf hinweisen, dass bei einer weiteren VerlĂ€ngerung des Krieges auch die »unwahrscheinliche, aber nicht ausgeschlossene« Möglichkeit entstehe, dass Russland seinerseits weitere GelĂ€ndegewinne mache.

Land und Frieden

In diesem Sinne ist im Januar offenbar auch CIA-Chef William Burns in Kiew und Moskau gewesen und hat zu sondieren versucht, in welchen MischungsverhĂ€ltnissen die unmittelbar KriegfĂŒhrenden sich einen Tausch von »Land gegen Frieden« (aus Kiewer Perspektive) bzw. »Frieden gegen Land« (aus russischer) vorstellen könnten. Einstweilen haben beide ZiellĂ€nder den von der Neuen ZĂŒrcher Zeitung vermeldeten Besuch dementiert, aber das muss nicht viel heißen.

Charap und Priebe fĂŒhren noch weitere Argumente dafĂŒr an, dass es mit dem KriegfĂŒhren in der Ukraine langsam genug sein muss: Russland sei jetzt schon in seinen konventionellen FĂ€higkeiten so stark beeintrĂ€chtigt, dass eine Fortsetzung der KĂ€mpfe den USA keinen weiteren Vorteil brĂ€chte; je lĂ€nger der Krieg dauere, desto teurer werde anschließend der Wiederaufbau der Ukraine, zumal Russland weiterhin die Möglichkeit besitze, ĂŒber jede denkbare Demarkationslinie hinweg Zerstörungen an der ukrainischen Infrastruktur anzurichten; und, natĂŒrlich, ein Krieg in Europa ziehe US- und NATO-Ressourcen ab von der wichtigeren Auseinandersetzung mit China.

Eine Entwicklung innerhalb der Ukraine stĂŒtzt die Vermutung, dass man Kiew zumindest hinter den Kulissen diese Überlegungen auch vortrĂ€gt. Im Januar wurde Olexij Arestowitsch, ĂŒber Monate einer der lautstĂ€rksten Kommentatoren aus der ukrainischen PrĂ€sidialverwaltung, aus dem Dienst entlassen. Unmittelbarer Anlass war, dass er zu dem folgenschweren Raketeneinschlag in einen Wohnblock in Dnipro mit ĂŒber 40 Toten die von Russland aufgegriffene These vertreten hatte, die Zerstörungen seien durch den Abschuss der eigentlich auf ein Kraftwerk zielenden Rakete hervorgerufen worden. Nach seinem Ausscheiden aus dem unmittelbaren Dienst der Regierung von Wolodimir Selenskij ist Arestowitsch aber nicht von der öffentlichen BildflĂ€che verschwunden. Vielmehr tourt er durch die Talkshows und ĂŒber die Konferenzpodien mit der These, womöglich mĂŒsse sich die Ukraine »mit der Möglichkeit eines fĂŒr viele enttĂ€uschenden Kriegsendes« vertraut machen. NĂ€mlich einem unter Verlust von Teilen des Staatsgebiets. Arestowitsch nannte das die »koreanische Variante«.

Ein Kommentar von der Seitenlinie stÀrkt die Vermutung eines Kampfes zwischen zwei politischen Linien in den USA selbst. Der Investor Elon Musk, der die Ukraine und ihr MilitÀr mit seinem Satelliteninternet »Star Link« ausgestattet und dessen Bandbreite zuletzt reduziert hatte, reagierte auf Kritik an dieser Entscheidung mit dem Hinweis, er wolle nicht derjenige sein, der »den dritten Weltkrieg auslöse«. NÀmlich indem er ukrainische SchlÀge gegen Ziele auf der Krim oder im russischen Hinterland ermöglicht habe.
- https://www.jungewelt.de/artikel/444865.us-prognosen-krieger-mit-kalten-f%C3%BC%C3%9Fen.html

Mehr:

Selbst die RAND Corporation sagt: Eine militÀrische Lösung gibt es nicht

berternste@pod.orkz.net

Rightwing thinktanks run this government. But first, they had to capture the BBC

George Monbiot (The Guardian)

Why are representatives of these shadily funded groups treated as impartial observers on flagship news programmes?

Some of it is easy to understand. Liz Truss, a hollow vessel filled with secondhand ideas by the dark-money thinktanks, believed their assurances that the magic of an unregulated market and tax cuts for the very rich would trigger an economic boom. The thinktanks must scarcely have believed their luck: that someone so malleable could become prime minister.

On the day of the mini-budget, they crowed about taking over the government. (...)

I see these thinktanks, which refuse to reveal the sources of their funding, as lobbyists for hidden interests. We know from leaks and US reports that these include, in some cases, tobacco firms, oil firms and foreign oligarchs. But there is one question to which no one has provided a complete and satisfactory answer.

Day after day, year after year, the BBC has provided these extremists with a massive platform on its news and current affairs programmes. (...)

The BBC routinely torches its editorial guidelines, which state that “we should make checks to establish the credentials of our contributors and to avoid being hoaxed”. (...)

At first, I thought the problem was naivety. But then I saw the BBC’s responses to complaints about its failure to establish the credentials of its contributors. They were defensive, irrational and contradictory. At one point, the BBC said it wasn’t necessary to tell the audience that an MP arguing against climate action was the director of an oil company, on the grounds that he had declared this interest elsewhere. Soon afterwards it claimed that when giving the head of the IEA [Institute of Economic Affairs] a platform to argue against new tobacco regulation, it wasn’t necessary to state that his organisation has been funded by tobacco companies, on the grounds that the IEA had not declared this interest. (...)

These groups are being called upon by the BBC to comment on the performance of this government as if they are impartial observers, rather than the authors of its policies.

I no longer believe the BBC’s failure to uphold its own rules is an accident. I believe it’s a policy. But why? Appeasement is always part of the answer: the BBC constantly seeks to placate the billionaire press and Conservative governments. More importantly, it has always been a defender and projector of established power. (...)

I’m sure there’s more to this story than we yet know. It’s hard to believe how freely the BBC breaks its own rules to promote and normalise an extreme neoliberal cult. Neoliberalism is the intellectual justification for the class war waged by the rich against the poor. The BBC is part of the team.

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Photo of BBC building
Broadcasting House in London. Photograph: Ian West/PA.

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