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Die Ampel kann Sozialpolitik. Neben einem enttäuschenden Bürgergeld spricht sie sich jetzt dafür aus, das Containern straffrei zu machen. Weggeschmissenes und Abgelaufenes für die Armen: So geht der Zeitenwende-Sozialstaat.
...Die Lebensmittel bei den Tafeln und in den Containern hinter Supermärkten sind ja nicht schlecht, sind im Grunde ja gar kein Abfall. Sie werden aus Bequemlichkeit weggeschmissen. Das stimmt zwar, aber Müll sind sie trotzdem, denn dass sie es sind, darüber scheint es einen breiten Konsens zu geben: Bei wem gibt es schon Käse zum Abendbrot, der zwei Stunden vorher noch neben welken Kartoffeln und schimmeligen Porree in der Tonne lag? Auch wenn er noch gut ist, noch essbar: Die Wenigsten tischen ihren Lieben solche Milcherzeugnisse auf.
Was ist also Abfall? Was Müll ist und was nicht ist ein gesellschaftliches Konzept. Die Frage der Verwertbarkeit von Materialien fällt insofern immer in die sozialwissenschaftliche Deutungshoheit. Für die Mehrzahl der Menschen in unserer Gesellschaft ist tierische Scheiße nutzlos und damit Abfall; andere düngen damit ihr Feld – und in anderen Weltregionen kachelt man damit seine Hütte. Hier isst man bestimmte Tierpartien nicht, dort gelten sie als besonders delikat. Was Abfall ist und was nicht, ist ein Konzept, basierend auf sozio-ökonomische, teils ökologische Entwürfe.
Nicht alle Menschen sehen dasselbe Erzeugnis als Abfall. Wir nennen es Abfall, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist oder wenn nicht mehr viel fehlt, bis diese Grenze hinüber zum Abfall, erreicht ist. Unser Konzept von Wertigkeit eines Artikels, das sich aus der allzeitigen Verfügbarkeit von Lebensmittel rekrutiert, macht etwas schon vorab zum Müll, noch bevor die offizielle Zeitgrenze überschritten ist.
Letzteres mag man als schlechte Entwicklung betrachten, das ändert aber nichts daran, dass wir es mit Produkten zu tun haben, die kaum jemand regulär erwerben möchte. Aber bestimmte Leute im Lande sollten sie dennoch essen: Und diese Doppelmoral im Hinblick auf die Frische von Lebensmittel darf sich dann sogar noch rege Hoffnungen machen, als soziales Gewissen durchzugehen.
In Würde wühlen
Dieser vermeintliche Pragmatismus, der sich hinter der Ansicht versteckt, das alles sei ja noch gut, das könne man noch essen, offenbart natürlich das sozialstaatliche Defizit, das bei den Liberalen und den Grünen vorherrscht. Statt über Strukturen nachzudenken, die ein menschenwürdiges Leben garantieren können, übt man sich im libertären Gutmenschentum, das ein soziales Gewissen lediglich simuliert. Schließlich kann man sich so beruhigt zurücklehnen und einreden: Man habe alles getan, um die schlimmste Not zu lindern.
Von der FDP hat man freilich nichts anderes erwartet, seit Jahrzehnten ist genau das ihre Vorstellung von Sozialpolitik. Die Grünen jedoch geben regelmäßig zu Protokoll, sie seien eine gänzlich soziale Partei, hätten ein Herz für die Habenichtse. Und was fällt ihnen für sie ein? Ein Freifahrtschein zum Wühlen im Müll. Sei der auch noch so gut, noch so essbar: Für die, die das Containern straffrei machen wollen, bleibt es dennoch Müll. Sie würden sich kein Mahl aus Zutaten zaubern, die eben noch im Abfall lagen.
Es ist keine Frage der Nützlichkeit oder des Pragmatismus, die sich hier stellt: Wir haben es mit einer ethischen Frage zu tun. Und die geht so: Ist es sittlich, anderen das zuzuteilen, was ich in den Müll werfen würde?
Wer das mit Ja beantwortet, sagt damit auch: Ich bin etwas Besseres. Aber es ist und bleibt eines in diesem Deutschland eindeutig: Arme Menschen haben keine Würde, wegen der es sich um Sittlichkeit zu diskutieren lohnte. Deren Würde liegt auf dem Müll. Und wenn sie demnächst nach essbaren Resten suchen, ohne Angst haben zu müssen, dass sie gleich die Polizei mit auf das Revier nimmt, finden sie vielleicht zufällig irgendeine entsorgte Würde. Eine, die gleich neben den abgelaufenen Fischstäbchen lag. Die ausrangierte Würde anderer Leute aufzutragen: Mehr kann man als Mensch in Armut in Deutschland nicht erwarten. Auch nicht von einer Bundesregierung, die sich selbst als sozial und progressiv anpreist.
- https://overton-magazin.de/kommentar/gesellschaft-kommentar/sozialstaat-im-muell/