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Armutsbetroffen: Die Heizungsdebatte macht mir Angst

Vielen Armutsbetroffenen in Deutschland liegt Klimaschutz am Herzen. Doch es ist schwer, mit wenig Geld klimabewusst zu leben. Mit der Debatte um die Heizungsmodernisierung gibt es neue Sorgen

Wir Armutsbetroffenen sind für Klima- und Umweltschutz. Leider ist dieses Thema eines, das man nur mit Geld lösen kann – und bei dem wir nur beschränkt handeln können. Die „Heizungsdebatte“ macht mir Angst, weil hier über Summen geredet wird, die ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen kann. Natürlich habe ich kein eigenes Häuschen, aber ich wohne zur Miete, und die Mietkosten werden vom Jobcenter übernommen – aber nur bis zu einer bestimmten Höhe. Es gibt auch viele Armutsbetroffene, die ihre Miete gerade noch selbst zahlen können. Werden die Vermieter die Kosten für eine Heizungsmodernisierung auf die Mietkosten aufschlagen? Wie stark steigen die Mieten dadurch?

Wie sieht eine sozialverträgliche Lösung der Heizwende für uns 14,1 Million Armutsbetroffene aus? Denn diese brauchen nicht nur wir Armen, sondern auch die, die die „arbeitende Mitte“ sind.

Allein aus Selbstschutz lese ich so wenig wie möglich darüber, weil mich die ganzen Wahrscheinlichkeiten und Kosten noch mehr beunruhigen. Dabei liegt mir der Klimaschutz sehr am Herzen.

Ich will kein Umweltschwein sein!

Ich bin Vegetarierin seit meinem sechzehnten Lebensjahr. Ich wurde das, bevor Essensphilosophien zum Politikum wurden. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe Tiertötungen miterlebt und mich entschieden, nie wieder Fleisch zu essen. Dass ich damit nun einen umweltgerechten Ernährungsstil habe, wäre mir früher nicht in den Sinn gekommen. Ernährungsgewohnheiten sind für mich immer etwas Privates gewesen. Jetzt leiste ich damit einen politisch korrekten Beitrag zu Umweltschutz. Mittlerweile haben die meisten Armutsbetroffenen ihren Fleischkonsum verringert, da Fleisch und Fisch zum Luxusgut geworden sind. Wenn es nach den klimabewussten Armen gehen würde, würden diese wirklich gerne qualitativ hochwertigere Nahrung konsumieren, dazu gehört Bio – oder die Möglichkeit, sich vegan ernähren zu können. Aber wirklich klimabewusste Ernährung scheitert bei uns am Geldbeutel. Haben Sie sich schonmal von 174,19 Euro im Monat ernährt?

Ich greife also auf billiges Obst und Gemüse zurück und fühle mich dabei wie ein Umweltschwein. Im Angebot: Beeren aus Marokko, die weite Transportwege hinter sich haben. Aber ich möchte mein Kind nicht ohne Obst groß werden lassen, da muss ich mein Klimagewissen ausblenden, sonst würde ich mir noch mehr Vorwürfe machen. Ich habe keinen Garten zum Selbstversorgen. Jeder Armutsbetroffene, der die Möglichkeit hat, einen Garten zu bewirtschaften, nutzt diesen zum Sparen.

Auch bei unseren Haushaltsgeräten sind wir Armutsbetroffenen nicht in der Position, wählen zu können. Ein energieeffizienter Kühlschrank kostet sehr viel Geld, und wenn ich ein Darlehen von Jobcenter aufnehme, zahle ich dieses über Jahre ab. Der Bürgergeldsatz ist unter dem Existenzminimum. Wenn ich die Wahl habe zwischen vielfältigem Essen und/oder Medikamenten oder einem neuen Kühlschrank, sind nun mal das Essen und die Medikamente wichtiger. Nicht jedes Amt gewährt übrigens ein Darlehen, Armutsbetroffenen werden gerne mal menschenverachtende Tipps gegeben, wie im Winter die Lebensmittel doch einfach draußen zu lagern, dafür bräuchte man keinen Kühlschrank. Klar ist das dann klimafreundlich. Aber wurde Ihnen das schonmal geraten?

Heizung: Hier ist der Sozialstaat gefragt!

Und nun zur Energie. Meine Gastherme ist ein altes, energiefressendes Gerät, das zu meiner Wohnung gehört. Vermieter sparen, besonders an Wohnungen, in denen Armutsbetroffene wohnen – da kommt ja auch nicht so viel Miete rein. Umbau ist teuer, also tummeln sich in Altbauten Boiler, Thermen und Geräte, die schon vor zehn Jahren hätten ausgetauscht werden können und sollen. Diesbezüglich habe ich der Umwelt gegenüber auch ein schlechtes Gewissen, aber ich habe nun mal nicht das Geld, um diese Geräte auszutauschen.

Eine Möglichkeit für mich war der Verzicht auf einen Gefrierschrank. Ich habe seit Jahren keinen Tiefkühler mehr, die Stromkosten des Gerätes waren zu hoch. Aber all das, was ich einsparen konnte, wurde mir durch die hohen Energiekosten wieder genommen, was mich frustriert zurücklässt.

Es gäbe natürlich eine Politik, die uns Armutsbetroffenen bei Veränderungen die Angst nehmen könnte. Sie nennt sich: sozial. Wenn der Staat dafür sorgt, dass die Kosten nicht bei denen landen, die sie nicht stemmen können – und da nehme ich nicht nur Armutsbetroffene mit rein, sondern auch die arbeitende Mitte –, dann wäre so eine Heizpumpe sicher eine gute Sache: Weniger Heizkosten würde viele von uns entlasten! Aber wenn die Modernisierungskosten einfach auf uns abgewälzt werden, kann das niemand mehr tragen. Es gibt einen Punkt, an dem ich einfach nicht mehr sparen kann – und den haben wir Armutsbetroffenen längst erreicht.

  • Janina Lütt ist armutsbetroffen, sie bestreitet ihre Leben für sich und ihre Tochter mit Erwerbsminderungsrente auf Bürgergeld-Niveau. In ihrer regelmäßigen Kolumne berichtet sie über den Alltag mit zu wenig Geld, über die Sozialpolitik aus der Perspektive von unten, über den Umgang mit ihrer Depression und über das Empowerment durch das Netzwerk #ichbinarmutsbetroffen