#lyrik

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#literatur #lyrik #weihnachten #krieg #donbass

Weihnachtslied mit viel Rot

Der Weihnachtsmann trägt eine rote Nase.
(Rezea, sagt die Ärztin. Na, was soll’s!)
Bei Cherson schlägt ein tot geschossner Hase
Mit Namen Jegor einmal noch Kobolz.

Ist er ein Russe, war er Ukrainer?
Ist schwer zu unterscheiden. Wie so oft.
Es war ein Junges, Sonstiges weiss keiner;
Vielleicht die Mutter, die ist weit und hofft.

Der Krieg steht still. Ein buntes Karussell,
Das sich nur dreht, bezahlt es seine Kunden.
Die bleiben aus. Sie werden, rot ihr Fell,
Im Feld mit Eis im Auge aufgefunden.

Der Weihnachtsmann trägt eine rote Mütze
Und unter seinem Mantel ein Gewehr.
Bei Cherson liegt ein Junges in der Pfütze –
Geschenke aus dem Sack braucht er nicht mehr.

von Eckhard Mieder (https://de.wikipedia.org/wiki/Eckhard_Mieder)

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#music #avant-pop #lyrik #berlin

Die John​-​Peel​-​Session by Foyer des Arts

...In the year 2000 Goldt asked the BBC what had happened to the session tapes, only to learn that they had probably been wiped. This was not a huge surprise, as the BBC archives were notoriously unreliable. Entire Dusty Springfield shows disappeared, apparently deleted. Twenty years later, the Cologne-based sound engineer Tom Morgenstern, with the help of a colleague from the BBC, managed to unearth the lost tapes. And here they are, 35 years on, as fresh as the day they were made.

birne@diaspora.psyco.fr

DV sihst/ wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was dieser heute baut/ reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn/ wird eine Wiesen sein/
Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.

Was itzund prächtig blüht/ sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen Asch und Bein/
Nichts ist/ das ewig sey/ kein Ertz/ kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück vns an/ bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit/ der leichte Mensch bestehn?
Ach! Was ist alles diß/ was wir vor köstlich achten/

Als schlechte Nichtigkeit/ als Schatten/ Staub vnd Wind;
Als eine Wiesen-Blum/ die man nicht wider find't.
Noch wil was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

#Rostock #Marienkirche #Lyrik #1650s #Barock #AndreasGryphius #myphoto

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#kultur #kunst #musik #lyrik #rip

Von unterwegs

Von Roman Bunka (1951–2022)

Im Bahnhof Bamberg
denke ich an Wollschläger,
der den Joyce übersetzt hat
und die Geschichte dieser Stadt aufschrieb,
so, dass sie ihn nicht mehr dort haben wollten.
Ich fahre mit einer arabischen Laute
durch das Land der Hexenverbrenner.
*
Die Eingeborenen hören mir freundlich zu,
nach dem Konzert ein langer Fußmarsch
am dort noch jungen Main.
Am kleinen Bahnhof,
dessen Fensterscheiben zerschlagen sind
und die Türen vernagelt,
treffe ich nur einen einzigen Menschen,
auch er ein Fremder.
Ich habe meinen Lohn in der Tasche,
er zeigt mir seine leere Geldbörse.
Er spricht schlecht deutsch,
ich noch schlechter arabisch.
*
Er ist aus dem Irak.
Der Schaffner,
bei dem ich für ihn eine Fahrkarte
kaufen will, spricht fränkisch
und winkt ab,
lässt ihn umsonst mitfahren.
Ich glaube, er erlebt so etwas öfters.
*
Wir freuen uns
und schauen aus dem Fenster.
Unter dem bunten Herbstlaub
brauner, zäher Lehm.
Neben dem Metzger
das Büro
einer neuen Partei.

  • Roman Bunka, der Oud-Spieler, Gitarrist und Komponist Roman Bunka ist am 12. Juni 2022 im Alter von 70 Jahren in München gestorben.
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#music #experimental #industrial #theater #neoclassical #musical #lyrik #laibach #heinermüller

„Der Dialog mit den Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen begraben wurde.“ – Willkommen im Abgrund!

Laibach plays Heiner Müller - Wir sind das Volk

  • „Sobald das Wort ‚Volk‘ fällt, werde ich doch mißtrauisch“, erklärte Heiner Müller 1990. „Es ist nicht mein Volk. Ich hab sehr gut verstanden, gerade im Herbst vorigen Jahres, warum der Brecht immer darauf bestand, ‘Bevölkerung’ zu sagen statt ‚Volk‘. Natürlich ist so eine Losung ‚Wir sind eine Bevölkerung‘ unbrauchbar, die zündet überhaupt nicht.“ Heute stellt sich die Frage neu, wer oder was dieser Chor war, der sich 1989 mit der Parole „Wir sind das Volk“ selbst ermächtigte. In Zeiten globaler Regression hat sich das Phantasma „Volk“ wieder in ethnischer, kultureller oder ideologischer Homogenität vereint. Das Musiktheaterprojekt „Wir sind das Volk – ein Musical“ bringt nun in Gleichklang, was lange schon zusammengehört: den Dichter Heiner Müller und die legendäre Musikgruppe Laibach. „Der Dialog mit den Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen begraben wurde.“ – Willkommen im Abgrund! https://www.internationale-heiner-mueller-gesellschaft.de/archiv/theater-festivals/2020-01-23/wir-sind-das-volk-ein-musical
mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#kunst #lyrik #gedicht-zeigen

1. Mai

  • Von Thomas Gsella

Heut heißt er »Tag der Arbeit«, ächz;
Als wär grad die zu feiern.
Bald, nach dem letzten des Gefechts,
Kommt Frust auf unter Geiern.
*
Bald wird die Arbeit neu verteilt
Von uns, die wir sie leisten,
Den Geiern Weltverbot erteilt,
Und wir (wir sind die meisten)
Tun wenig Nötiges und mehr
Lust, Freundschaft, lesen, pennen.
*
Dann werden wir ihn »Feier der
Freiheit von Arbeit« nennen.

erwin_mueller@pod.dapor.net

Novalis (Frühlingsgedichte)

Es färbte sich die Wiese grün...

Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt,
Es drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßen Duft entgegen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben, Farben, Duft und Schall,
Sie schienen gern sich zu vereinen,
Dass alles möchte lieblich scheinen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

So dacht ich: ist ein Geist erwacht,
Der alles so lebendig macht
Und der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren?
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Vielleicht beginnt ein neues Reich –
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Wie ich so stand und bei mir sann,
Ein mächtger Trieb in mir begann.
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Sie ging vorbei, ich grüßte sie,
Sie dankte, das vergess ich nie –
Ich musste ihre Hand erfassen
Und Sie schien gern sie mir zu lassen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein.
Kurzum, ich sah, dass jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden.
Nun wusst ich wohl, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

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Erich Kästner - Der April

Wieso Warum | Ausgewählte Gedichte 1928 -1955 | Aufbau-Verlag Berlin und Weimar | 1965

Der Regen klimpert mit einem Finger
die grüne Ostermelodie.
Das Jahr wird älter und täglich jünger.
o Widerspruch voll Harmonie!

Der Mond in seiner goldenen Jacke
versteckt sich hinter dem Wolken-Store.
Der Ärmste hat links eine dicke Backe
und kommt sich ein bißchen lächerlich vor.
Auch diesmal ist es dem März geglückt:
Er hat ihn in den April geschickt.

Und schon hoppeln die Hasen,
mit Pinseln und Tuben
und schnuppernden Nasen,
aus Höhlen und Gruben
durch Gärten und Straßen
und über den Rasen
in Ställe und Stuben.

Dort legten sie Eier, als ob's gar nichts wäre,
aus Nougat, Krokant und Marzipan.
Der Tapferste legt eine Bonbonniere.
Er blickt dabei entschlossen ins Leere.
Bonbonnieren sind leichter gesagt als getan.

Dann geht es ans Malen. Das dauert Stunden.
Dann werden noch seidene Schleifen gebunden.
Und Verstecke gesucht. Und Verstecke gefunden:

Hinterm Ofen, unterm Sofa,
in der Wanduhr, auf dem Gang,
hinterm Schuppen, unterm Birnbaum,
in der Standuhr, auf dem Schrank.

Da kräht der Hahn den Morgen an!
Schwupp, sind die Hasen verschwunden.
Ein Giebelfenster erglänzt im Gemäuer.
Am Gartentor lehnt und gähnt ein Mann.
Über die Hänge läuft grünes Feuer
die Büsche entlang und die Pappeln hinan.
Der Frühling, denkt er, kommt also auch heuer.
Er spürt nicht Wunder noch Abenteuer"
weil er sich nicht mehr wundern kann.

Liegt dort nicht ein kleiner Pinsel im Grase?
Auch das kommt dem Manne nicht seltsam vor.
Er merkt gar nicht, daß ihn ein Osterhase
auf dem Heimweg verlor.

#ErichKästner #Lyrik #Poesie #Ostern #April #Hastag

#Illustration #gmic #gimp #mywork

miller@nerdpol.ch
Klaus #Kinski spricht #Villon: 'Die Lästerzungen'

https://www.youtube.com/watch?v=qnRXZ6xC9No

#Lyrik #deutsch


In Kalk, noch ungelöscht, in Eisenbrei,
in Salz, Salpeter, Phosphorgluten,
in dem Urin von rossigen Eselsstuten,
in Schlangengift und in Altweiberspei,
in Hundeschiss und Wasser aus den Badewannen,
in Wolfsmilch, Ochsengalle und Latrinenflut:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.

In eines Katers Hirn, der nicht mehr fischt,
im Geifer, der aus den Gebissen
der tollen Hunde träuft, mit Affenpiss vermischt,
in Stacheln, einem Igel ausgerissen,
im Regenfass, drin schon die Würmer schwimmen,
krepierte Ratten und der grüne Schleim
von Pilzen, die des Nachts wie Feuer glimmen,
in Pferderotz und auch in heissem Leim:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.

In dem Gefäss, drin alles reingerät,
was so ein Medikus herausholt aus dem schwieren
Gedärm an Eiter und verpestetem Sekret,
in Salben, die sie in den Schlitz sich schmieren,
die Hurenmenscher, um sich kalt zu halten,
in all dem Schmodder, der zurückbleibt
in den Spitzen und den Spalten
(wer hätte nicht durch solchen Schiet hindurchgemusst!):
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.

Meine Herren, packt all die saubren Sachen
(gehen sie in den verfaulten Kürbis nicht hinein)
in eure Hosen, um den Bottich voll zu machen,
gebt auch den Arschgeruch von einem Schwein hinein,
und hat's vier Wochen lang gegoren:
In diesem Saft solln eure Lästerzungen schmoren.