#friedensbewegung

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #friedensbewegung #linke-politik #rechte #mainstream #bellizismus #abgrenzeritis #emanzipation #geschichte #antimilitarismus #internationale-solidarität #antifaschismus

Wir verstehen uns als Linke in der Friedensbewegung; nicht, um uns von anderen abzugrenzen, vielmehr um uns kenntlich zu machen. Friedenspolitische Grundsätze sind für uns: Antimilitarismus, internationale Solidarität und ein Antifaschismus [...] In unserem Engagement für den Frieden blicken wir auch auf Besitz- und Machtverhältnisse, auf geostrategische Interessen, wir analysieren soziale Gleichheit bzw. Ungleichheit hierzulande und weltweit. (unter 8.)

Warum die Friedensbewegung nicht „rechtsoffen“ ist

Thesenpapier der Initiative Frieden-links (4.4.2023):

Das einigende Band der Friedensbewegung ist die Kritik an Militarismus und Krieg. Auf dieser Grundlage bietet sie Raum für Menschen in ihrer je eigenen bunten Vielfalt von Haltungen und/oder Überzeugungen, darunter etwa konservative oder kommunistische, christliche oder atheistische, anarchistische, bürgerlich-liberale, ökologische, pazifistische und viele andere mehr.

Seit ihrer Herausbildung als „moderne“ Friedensbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird sie von den Kriegstreibern und Militaristen politisch verfolgt, diffamiert als Vaterlandsverräter, als ferngesteuert oder fünfte Kolonne des gerade aktuellen „Feindes“, als naiv, sich der Realität verweigernd, politikunfähig. Die Diffamierung als „rechtsoffen“ (darunter auch „Querdenker“ oder „Antisemiten“) ist jüngeren Datums, aber sie erzielt durchaus Wirkung. Mit ihr setzen wir uns in diesen Thesen auseinander.

  1. Die Friedensbewegung als breites gesellschaftliches Bündnis war immer geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Analysen und Meinungen zu friedenspolitisch relevanten Fragen. Kontroversen – wie aktuell in der Bewertung von Vorgeschichte und Hintergründen des Ukraine-Krieges – stehen aber gemeinsamen, prägnanten Forderungen nicht entgegen.

  2. Die Friedensbewegung war schon immer Diffamierungen ausgesetzt. Neu ist gegenüber früher, dass dieses bei uns durch Kräfte aus Organisationen erfolgt, die bisher in der Friedensbewegung verwurzelt waren. Damit werden innerhalb von großen Mitgliedsorganisationen tiefgehende Widersprüche provoziert, da in ihnen zugleich nach wie vor Menschen aktiv sind, die Stigmatisierung und Ausgrenzung ablehnen. Dasselbe gilt für wichtige Partner der Friedensbewegung, wie Gewerkschaften oder kirchliche Kreise.

  3. Der Hintergrund dieser Entwicklung ist der enorme Druck, den die herrschenden Eliten und ihre Medien auf friedensliebende Kräfte jeglicher Art ausüben. Sie engen den Debattenraum auf erschreckende Art und Weise ein und drohen vom Mainstream abweichenden Meinungen mit Strafen und Berufsverboten.

  4. Aus Sicht der NATO will und muss der Westen den Krieg in der Ukraine gewinnen. Zu Beginn des Krieges mag das noch anders gewesen sein, aber inzwischen geht es den NATO-Falken und ihrem militärisch-industriellen Komplex um die Aufrechterhaltung ihrer Dominanz in der Welt; sie wollen die (Zeiten-)Wende von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt brechen, mindestens jedoch aufhalten. Das begründet ihre Feindschaft und Unversöhnlichkeit gegenüber allen Kräften, die auf Diplomatie, Kompromisse, Abrüstung setzen.

  5. In der deutschen Politik hat die Zeitenwende bereits 1999 stattgefunden, als Grüne und die SPD mit Pazifismus und/oder militärischen Zurückhaltung brachen und im Jugoslawienkrieg zu Bellizisten wurden. Der aktuell eskalierende Bellizismus weist zudem Parallelen zur 1914 geschürten Kriegshysterie auf, bei der eine historisch belegte Anti-Kriegs-Stimmung in der Bevölkerung von Politik und intellektuellen Eliten umgedreht werden konnte. Bereits damals spielten anti-russische Stimmungen eine große Rolle. Es war Karl Liebknecht, der dazu mit seinem Aufruf „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ eine Gegenbewegung ermuntern konnte.

  6. Aktuell werden links und rechts als politische Koordinaten durch eine totalitäre Meinungsmache der politischen „Mitte“ demontiert. Mittlerweile gilt als „rechts“ nahezu jegliches vom Normativen abweichende Verhalten.

  7. Für viele Menschen, die sich in den letzten Jahren (neu) politisiert haben – vor allem durch die Corona-Politik der Bundesregierung und deren Absolutheitsanspruch – erscheint der Begriff links nicht mehr als aufklärerisch, sondern eher als denunziatorisch. „Links“ wird zunehmend als Synonym für inhaltsleere Abgrenzung, als Beschimpfung und Beleidigung durch vermeintlich „Linke“ wahrgenommen. Rechts ist die Auffassung, Krieg und Militarisierung seien notwendig und sinnvoll, rechts ist das Denken in Feindbildern, die Meinung, dass unterschiedliche Menschengruppen und Individuen unterschiedliche Wertigkeiten und Rechte hätten, rechts ist autoritär, nach unten tretend und nach oben katzbuckelnd.

  8. Wir verstehen uns als Linke in der Friedensbewegung; nicht, um uns von anderen abzugrenzen, vielmehr um uns kenntlich zu machen. Friedenspolitische Grundsätze sind für uns: Antimilitarismus, internationale Solidarität und ein Antifaschismus, der die historischen Umstände, die 1933 zur Machtübergabe an die Nazis geführt haben, zugrunde legt und in ihren heutigen Erscheinungen dechiffriert. In unserem Engagement für den Frieden blicken wir auch auf Besitz- und Machtverhältnisse, auf geostrategische Interessen, wir analysieren soziale Gleichheit bzw. Ungleichheit hierzulande und weltweit. Frieden und Demokratie und Menschenrechte, Frieden und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen gehören für uns zusammen.

  9. Wer sich links verortet, sollte dazu stehen. Wer linke Positionen aufgibt, um im Mainstream anzukommen, spielt den Ball denjenigen zu, die rassistische und militaristische Positionen vertreten, aber sich aufgrund ihrer Anhängerschaft oder anderweitiger politischer Opportunität einer strategisch-taktischen Friedensrhetorik bedienen.

  10. Wir demonstrieren aus gegebenen Anlässen mit allen Menschen, die ehrlichen Herzens den jeweiligen Aufruf teilen und setzen uns dafür ein, nur solchen Kräften ein Podium zu bieten. Dabei sind wir uns bewusst, dass die Beurteilung der Aufrichtigkeit eher eine Sache des historischen Bewusstseins und der politischen Erfahrung als einer Überprüfung ist.

  11. Wir wenden uns entschieden gegen eine „Abgrenzeritis“, die ohne Bezug auf eigene friedenspolitische Grundsätze erfolgt. Begriffe wie „rechtsoffen“ (auch „Querdenker“ als Schimpfwort oder der leichtfertige politische Todesstoß „Antisemitismus“) spiegeln nicht linke Denkungsart. Es sind Erfindungen von rechts, um die Bewegung zu spalten. Sie entfalten allerdings ihre Wirkung erst, wenn sie nicht nur „von außen“ den Bewegungen angeheftet werden, sondern sich auf eine „innere Zeugenschaft“ stützen können. Die wiederum arbeitet häufig mit Lügen wie gefälschten oder aus Zusammenhängen heraus gerissenen Zitaten oder indem sie willkürlich und fälschlich Ereignisse oder Äußerungen einander zuordnet, die nichts miteinander zu tun haben.

  12. Wir wollen Organisationen und Parteien nach ihrer Programmatik und nicht nach kritikwürdigen Auftritten einzelner Protagonisten beurteilen. Willkommen sind alle, die ehrlichen Herzens für Frieden eintreten. Wer aber meint, Friedenskundgebungen in rechte Versammlungen ummünzen zu müssen, soll zu Hause bleiben.

  13. Wir wollen Einzelpersonen, die als „umstritten“ oder „rechtsoffen“ dargestellt werden, nach der Gesamtheit ihrer inhaltlichen Aussagen beurteilen und kämpfen hierbei für wahrheitsgemäße Darstellungen. Wir suchen bewusst die Zusammenarbeit mit Kräften, die sich der Friedensfrage „neu“ annähern. Wir wollen deren politische Sozialisierung verstehen und mit ihnen argumentative Ansätze für eine offene und ehrliche Diskussion finden.

  14. Menschen, die ihre Geschichte nicht kennen, sind dazu verdammt sie zu wiederholen. Das beziehen wir auf Schlüsseljahre der deutschen Geschichte wie 1914 und 1933. Wir selbst sehen deshalb ein entsprechendes historisches Bewusstsein als Schlüsselelement unseres aufklärerischen Ansatzes.

lester_bangs@pod.mttv.it

#Wagenknecht & Co.: Neue #Friedensbewegung ?

#Monitor. 02.03.2023. 08:28 Min… #ard Von Georg #Restle , Silke #Diettrich

Ob Friedenstauben oder “Schwerter zu Pflugscharen”:
Rein optisch erinnerte vieles an die alte Friedensbewegung beim “Aufstand für den Frieden”, zu dem Sahra Wagenknecht und Alice #Schwarzer aufgerufen hatten.

Doch was hat dieser Protest mit #Frieden in der #Ukraine zu tun? Die russischen #Kriegsverbrechen wurden in #Berlin ignoriert. Dafür gab es jede Menge russische #Kriegspropaganda . MONITOR-Leiter Georg Restle war in Berlin unterwegs und hat vieles gesehen – nur keine neue Friedensbewegung.
#Schwarzerknecht #Russland #Krieg #Terror #FuckPutin #Butscha

https://www1.wdr.de/daserste/monitor/videos/video-wagenknecht--co-neue-friedensbewegung-100.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #frieden #ukraine #russland #nato #deutschland #friedensbewegung #diffarmierung #staat #medien #antifa #linksliberalala

"Niemand wäre in der KPD auf die Idee gekommen, wenn man einem nationalistisch verblendeten Arbeiter das eigene Programm erklärt, begebe man sich in eine Art „Querfront“. Niemand in der kurdischen Bewegung würde bis heute auf die Idee kommen, dass es eine Art Verbrechen wäre, genau die vom IS, dem türkischen Staat oder wem auch immer verblendeten Nachbarn durch mühevolle Debatten auf die eigene Seite zu ziehen. Eine „Querfront“ fängt da an, wo man entweder die eigenen Inhalte preisgibt, um sich „in der Mitte“ mit dem Gegner zu treffen, oder wo man organisatorische Bündnisse mit den Rechten eingeht. Nichts davon muss man tun, um an einer Kundgebung für Frieden teilzunehmen und dem Ruf nach Brot, Frieden und Sozialismus Gehör zu verschaffen. Nur so, nicht durch den Gleichklang mit den bürgerlichen Diffamierern, kann man Menschen überzeugen."

Kundgebung für Frieden: Beschimpfen, weglaufen oder einmischen?

Große Teile der Überreste der außerparlamentarischen Linken, so auch wir, hatten einen „heißen Herbst“ erwartet. Die Lebenserhaltungskosten erhöhten sich ins Unbezahlbare, die Reallöhne sanken, die Kriegsrhetorik und die Aktienkurse von Rüstungskonzernen lieferten sich ein Rennen um den steilsten Anstieg. Der „heiße Herbst“ blieb aus, die gut gemeinten Demonstrationen waren kaum mehr als Aufmärsche des verbliebenen Aktivist:innen-Bestands, ohne nennenswerte Beteiligung von Menschen, die sich neu oder wieder politisieren. Auch Ansätze von antimilitaristischen Mobilisierungen sozialistischer und kommunistischer Gruppen zogen kaum.

Monate später schreiben Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer ein „Manifest für den Frieden“; über eine halbe Million Menschen unterschreiben, ein paar Zehntausend – Polizei und Presse sprechen von 13 000, Veranstalter von bis zu 50 000, realistisch ist wohl wie stets das arithmetische Mittel aus beiden Zahlen – kommen. Ein Skandal. Den Anwesenden wird das gesamte Arsenal rot-grün-gelb-massenmedialer Diffamierung entgegen geschleudert: Putinversteher, Nazis, hängengebliebene Altlinke, Stalinisten, Russenknechte, moralisch verwahrlost, menschlich gescheitert. „Der Nationalsozialismus alter weißer Männer tarnt sich heute als Sozialnationalismus alter weißer Frauen“, schreibt ein offenbar besonders verwirrter Journalist und erntet knapp 6000 Likes.

Dass eine Demonstration, die sich gegen NATO und Regierung wendet, von der Regierung angegriffen wird – normal. Dass sie von gleichmütig den Slava-Patriotismus ins Land blasenden Massenmedien beschimpft wird – geschenkt.

Aber warum eigentlich wenden sich so viele von denen, die sich „Antifaschisten“, „Linksradikale“ oder „Linke“ nennen, gegen eine Demonstration, die inhaltlich noch vor wenigen Jahren als Ostermarsch der Friedensbewegung durchgegangen wäre? Die Antwort hat zwei Teile. Zum einen gibt es eine „Linke“, der längst das, was sie allen anderen in Sachen Russland vorwirft, mit dem „eigenen“ Imperialismus passiert ist: Man kann dessen Aggressivität gar nicht mehr erkennen, fühlt sich in einer Art unausweichlichen Notwendigkeit an NATO, Baerbock und Waffenexport gebunden, die in einer immer unübersichtlicheren Welt das „kleinere Übel“ darstellen. Man möchte „die Leoparden befreien“ und schäumt vor Wut über diejenigen, die immer noch nicht eingesehen haben, dass in der Ukraine Volk und Regierung eine homogene Volksgemeinschaft bilden, die ums Überleben gegen den neuen Hitler aus Moskau ringt. Die Grünen haben genau diese „linke“ 180-Grad-Wendung schon einmal für militärisches Engagement genutzt, nämlich als es galt, den Hitler vom Balkan durch die antifaschistischen Bombardements der NATO zu entmachten. Der Jugoslawienkrieg wurde zum ersten Bruch mit dem Schwur, dass von „deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen“ solle und die Grünen zur geeignetsten Partei von allen, um genau das zu betreiben, bis heute.

Der zweite Teil hat andere Gründe, und um diesen Teil, nicht um die schon vollends an das Kriegsgetrommel verlorenen, soll es in diesem Artikel gehen. Man will nicht auf Demonstrationen, Kundgebungen, Veranstaltungen gehen, auf denen zu erwarten ist, dass auch Rechte, russische Nationalisten oder Verschwörungstheoretiker teilnehmen.

Alles Nazis?

Bevor man sich entscheidet, ob man als politische Organisation an etwas teilnimmt oder nicht, empfiehlt es sich, die Frage zu stellen, was man da will und wen man erreichen will. Was war das am vergangenen Samstag also für eine Demonstration? Was ist ihr Charakter? Die üblichen Kreise linksliberaler bis antideutscher und anarchistischer Provenienz sowie diejenigen Teile der Linken, die seit langem mit einer transatlantischen Ausrichtung der eigenen Außenpolitik liebäugeln, haben eine simple Antwort: Es war eine rechte Demonstration. Der Schluss geht so: Es waren unbestreitbar Faschisten da, es haben im Vorfeld auch welche dazu aufgerufen, das hat die Leute, die hingegangen sind, nicht vom Hingehen abgehalten, also sind auch sie „rechtsoffen“, womit der Charakter der Demonstration abschließend geklärt wäre. Weitere politische Unterscheidungen braucht es nicht, alle, die das leugnen, sind nun ihrerseits als „rechtsoffen“ oder zumindest „Verharmloser“ der so diagnostizierten „Querfront“ einzustufen und so weiter und so fort, bis als künftige Bündnispartner nur noch das linksliberale Spektrum bleibt, das zwar gegen Azov nichts hat, Erdogan gern die Hand schüttelt, Waffen auch nach Saudi-Arabien verschiebt, aber nie als „Querfront“ zählt, sondern als eben den Sachnotwendigkeiten deutscher Staatsräson unterworfene arme Gutmeinende.

Die Position enthebt jeder Analyse. Man muss sich nicht fragen, was die Interessen der jeweiligen Beteiligten sind, man hat einfach einen Pulk an Schmuddelkindern, mit denen man nicht spielt. Man bleibt lieber unter sich und findet das Fußvolk recht ekelhaft.

Was aber wäre sinnvoller?

Ein Vorschlag: Wir schauen uns die Organisator:innen, die rechten Vereinnahmer und die normalen Teilnehmer:innen mal getrennt an. Sarah Wagenknecht hat nicht einfach dieselbe Position wie Jürgen Elsässer. Sie hat nicht einmal dieselbe Position wie der tatsächliche Querfrontler Dieter Dehm, dem sie kürzlich nach seinem Interview mit Compact attestierte, „nicht mehr alle Taschen im Schrank“ zu haben. Hinsichtlich der Ukraine hat sie die Position der „alten“ Friedensbewegung, gemischt mit einigen Fehleinschätzungen zum Charakter der russischen Regierung.

Die Position Wagenknechts ist aber zugleich keine sozialistische. Das reale Interesse dürfte sein, entlang des Themas „Frieden“ die Gründung einer eigenen Partei voranzutreiben, die in wesentlichen Punkten mit der Programmatik der bestehenden Linkspartei identisch, etwas „populistischer“ und weniger transatlantisch als etwa die Klaus Lederers ist. Ihre Position ist die einer klassischen Sozialdemokratin, gerade auch da, wo sie das Geschick des deutschen Arbeiters mit dem Geschick des deutschen Standorts vermengt und klingt wie jeder SPD-Politiker von vor 30 Jahren. Lenin nannte eine solche Position „sozialchauvinistisch“ und „opportunistisch“ und das bleibt bis heute die korrekte Bezeichnung. „Faschistin“ oder „Querfrontlerin“ ist sie schlichtweg keine.

Die gibt es auch – und auch sie waren auf der Kundgebung vereinzelt zu sehen. Gestalten wie „der Volkslehrer“ oder Jürgen Elsässer machen Politik damit, irgendwo aufzutauchen, medial aufgepumpt und dann herumgereicht zu werden, also wie in aller Welt sollten sie nicht versuchen, ihre 5 Minuten Gesichtsvideo auf einer Kundgebung von ein paar Zehntausend Menschen abzugreifen? Es waren ein paar Dutzend solcher Gestalten, eine kleine Zahl, die eine entschlossene Linke in kürzester Zeit nachhause schicken könnte, die aber in der Berichterstattung vor allem der an „Recherche“ gewohnten linken Medienteams, aber auch der Massenmedien fast die gesamte Aufmerksamkeit genießen.

Zuletzt der größte und wichtigste Part: Das Gros der vielleicht 20 000 Menschen dort waren ältere Linke, Sozialist:innen, Menschen aus der Friedensbewegung, diffus Unzufriedene mit allen möglichen Privatmeinungen. Sicher auch Deutsch-Russen mit nationalistischen Überzeugungen, ein paar mit Verschwörungstheorien im Kopf und dergleichen. Aber vor allem: Leute, die unorganisiert sind, und die zwei Positionen eint: Der Wunsch nach einem Ende des Kriegs und eine gehörige Portion Ablehnung gegen die deutsche Regierung, die NATO und die USA.

Keine Alternative zur Einmischung

Ja und was macht man jetzt? Sich im Reptilienkostüm daneben stellen und mit infantilen Beschimpfungen alle über einen Kamm scheren – oder deutlich verbreiteter, dasselbe aus dem Homeoffice via Social Media zu betreiben, mag irgendeine persönliche Befriedigung schwer nachvollziehbarer Art bieten, eine politische Strategie ist es nicht.

Es könnte sich bei der Kundgebung um den Beginn einer Massenbewegung gegen den Krieg handeln. Umfragen – wie immer mit Vorsicht zu genießen – zeigen, dass die Kriegsbegeisterung kippt, eine halbe Million Unterschriften und ein paar Zehntausend real Demonstrierende sind nicht nichts. Massenbewegungen aber sind häufig bis immer heterogen, das dürfte die deutsche Linke vielleicht vergessen haben, weil sie sie nur aus dem Ausland kennt und dann ordentlich Projektionen über die Realität legt.

Der Gezi-Aufstand in der Türkei – in seiner Gesamtstoßrichtung sicher und zweifellos „links“ und „progressiv“ – bestand zu einem nicht kleinen Teil aus Nationalisten, die ihrerseits genug von Erdogan hatten. Haben die linken und kurdischen Kräfte deshalb gesagt, wir gehen nachhause? Nein, es war ja ihr Aufstand. Bei den Gelbwestenprotesten in Frankreich mussten Antifaschisten den Konsens gegen die faschistische Rechte mit Fäusten durchsetzen, auch in den Krisenprotesten in Griechenland gab es Auseinandersetzungen mit Nationalisten. Generell wird man vielleicht sagen können: Je unorganisierter die progressiven Kräfte, desto diffuser werden Massenproteste ihren Ausdruck finden, weil wenn Menschen ein Bedürfnis haben, auf die Straße zu gehen, werden sie nicht warten, bis die Linke ihren Kram geregelt hat. Und wo sollten die progressiven Kräfte unorganisierter sein als hierzulande?

Das Reinheitsgebot, nur an politischen Bewegungen teilzunehmen, die schon von vornherein dem eigenen Gusto entsprechen, trifft in Deutschland auf die Unfähigkeit, solche zu organisieren. Hätte man, wie etwa in Griechenland oder Portugal, eine viele Zehntausend Mitglieder umfassende Kommunistische Partei, die sich weder auf die Seite Putins, noch die der NATO schlägt, könnte man auf Massendemos gehen, bei denen man sich nicht sorgen muss, dass Dieter Dehm einem die Trikolore auf die Stirn klebt. Haben wir aber nicht. Und werden wir nie haben, wenn wir nicht lernen, dass es keine Alternative zur Einmischung gibt.

Gegen die Faulheit

Weite Teile der deutschen Linken hätten gerne eine andere Bevölkerung. Diese gefällt ihnen nicht, man hält sie für nicht geeignet. Man schaut auf die Leute und ihre Überzeugungen, die man akademisch vermessen und für verkürzt bis reaktionär befunden hat, herab. Man hat sich eine Reihe Schutzmechanismen zurecht gelegt, um sich am besten mit gar nichts mehr beschäftigen zu müssen, was Unwohlsein auslösen könnte. Jede kommunistische und anarchistische Bewegung der Geschichte versuchte, genau die zu agitieren, die eben (noch) nicht derselben Meinung waren, wie man selber. Niemand wäre in der KPD auf die Idee gekommen, wenn man einem nationalistisch verblendeten Arbeiter das eigene Programm erklärt, begebe man sich in eine Art „Querfront“. Niemand in der kurdischen Bewegung würde bis heute auf die Idee kommen, dass es eine Art Verbrechen wäre, genau die vom IS, dem türkischen Staat oder wem auch immer verblendeten Nachbarn durch mühevolle Debatten auf die eigene Seite zu ziehen.

Eine „Querfront“ fängt da an, wo man entweder die eigenen Inhalte preisgibt, um sich „in der Mitte“ mit dem Gegner zu treffen, oder wo man organisatorische Bündnisse mit den Rechten eingeht. Nichts davon muss man tun, um an einer Kundgebung für Frieden teilzunehmen und dem Ruf nach Brot, Frieden und Sozialismus Gehör zu verschaffen. Nur so, nicht durch den Gleichklang mit den bürgerlichen Diffamierern, kann man Menschen überzeugen. Alles andere ist schlichtweg ein Davonlaufen, das als moralische Reinheit vermarktet wird. Es ist Faulheit und da wo es sich gegen diejenigen richtet, die sich diese Arbeit nicht ersparen, ist es eine direkte Hilfeleistung für die Faschisten.
- https://lowerclassmag.com/2023/02/27/kundgebung-fuer-frieden-beschimpfen-weglaufen-oder-einmischen/

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #kapitalismus #kolonialismus #rassismus #frieden #friedensbewegung

Die Ursachen des Unfriedens ausräumen. Weshalb die Friedensbewegung radikaler sein sollte, die Nato ebenso aufgelöst gehört wie die Bundeswehr – und warum Max Horkheimer recht hatte.

Friedenspolitische Aktivitäten [...] machen wenig Sinn, wenn sie sich dieser historischen Realität nicht stellen: Europa – und Nordamerika – pflegen und hegen ein System, dessen Lebensnerv der Diebstahl von Rohstoffen, die Ausbeutung von Menschen und die Mordbrennerei sind. Gewalt gegen Menschen und gegen die Natur gehören zum Wesen und zur Physiognomie dieses Systems, Krieg ist eines seiner definitiven Merkmale. Ein kapitalistisch-neoliberales-kolonialistisches-rassistisches System befrieden, aus ihm also ein friedliches, gerechtes uns freiheitliches System machen zu wollen, ist [...] der Versuch der Quadratur des Kreises [...]
Selbst wenn der aktuelle Krieg in der Ukraine irgendwann mit einem Waffenstillstand und einen europäischen Friedenskonzept enden und wir hier in Mitteleuropa in zehn Jahren noch leben sollten, wird es, angesichts von Rohstoffarmut gerade der westlichen Staaten, neue Kriege geben, wenn nicht bis zum letzten Ukrainer, dann bis zum letzten Kongolesen oder Brasilianer. Diese Perspektive ist in den Verteidigungspolitischen Richtlinien seit mehr als zehn Jahren zielführend verankert [...]
Die größte Bedrohung für die Menschheit, auch für uns hier in Mitteleuropa und für die Ukraine, sind die klimatischen Veränderungen. Wer heute noch einen Funken Verstand hat, muss ihnen in der politischen Agenda absolute Priorität einräumen. Für eine Kritik an der deutschen und europäischen Ukraine-Politik bedeutet diese überlebenswichtige Tatsache, dass die Lieferung schwerer Waffen bzw. eine Verendlosung des Krieges durch sie selbstmörderisches Potenzial haben. Bis Russland besiegt wäre, hätte jeder Versuch, die Erderwärmung auf ein Maß zu begrenzen, das der Gattung Mensch eine Überlebenschance gäbe, seinen Sinn verloren. Die einzige zukunftsfähige Option ist die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen, zu welchen Bedingungen immer, um die eigentliche epochale Aufgabe, die ohne Russland nicht zu lösen ist, gezielt und beschleunigt angehen zu können – von dem unsäglichen Sterben im Granaten- und Bombenhagel ganz abgesehen…“
- vollständiger Text: https://www.heise.de/tp/features/Die-Ursachen-des-Unfriedens-ausraeumen-7154939.html