Die Entdecker
Vorið eg að vini kýs,
verður nótt að degi,
þegar glóærð geisladís
gengur norðurvegi.
Die Kleinigkeit — Realdo Colombo, Anatom an der Universität zu Padua (Italien), beschrieb im Jahre 1559 in seinem Buche de re anatomica erstmals die Klitoris und bezeichnete sich folglich auch als der „Entdecker“ der Klitoris. Sein Nachfolger in Padua, Gabriele Falloppio, machte Colombo allerdings einige Jahre später seine „Entdeckung“ streitig und wollte als der wirkliche „Entdecker“ der Klitoris gelten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich schon ungezählte Jahrtausende vor diesem Prioritätsstreit um die „Entdeckung“ etliche Frauen voller Wonne der ausführlichen Erforschung der von männlichen Anatomen so oft übersehenen Kleinigkeit hingegeben hatten und auch immer wieder Männer dazu anleiteten.
Die Ausländer — Als Christoph Kolumbus das Land des amerikanischen Kontinentes betrat, glaubte er sich in Indien, erst Amerigo Vespucci vermutete später beim Erforschen der Amazonasmündung, dass es sich um eine völlig unbekannte Welt handeln müsse. Matthias Ringmann, ein Freiburger Dichter, las Vespuccis Reiseberichte und hielt daraufhin Vespucci für den Entdecker der „neuen Welt“. Da Ringmann mit dem Freiburger Kartographen Martin Waldseemüller zusammen arbeitete, welcher gerade eine neue Bearbeitung der Weltkarte anfertigte, verfasste er die Begleitschrift zu diesem Kartenwerk, in der er vorschlug, den neuen Kontinent nach seinem „Entdecker“ Amerige oder America zu nennen. Die von Waldseemüller und Ringman herausgegebene Karte der Welt verbreitete sich sehr schnell, vor allem durch Raubdrucke, und der Fehler Ringmanns wurde in Fachkreisen zur offiziellen Bezeichung des „neuen“ Kontinentes. Die Erben von Christoph Kolumbus strebten im 16. Jahrhundert ein Gerichtsverfahren an, in welchem sie erreichten, dass Kolumbus als Entdecker Amerikas festgeschrieben wurde, und so steht es bis heute in allen Geschichtsbüchern der Welt. Die vielen Menschen hingegen, die seit Äonen auf dem amerikanischen Kontinent lebten und deren ausgedünnte Nachkommen dort bis auf den heutigen Tag leben; die Menschen, die für die heilige Erde, auf der sie lebten, gewiss so viele treffliche Namen hatten, wie sie verschiedene Sprachen sprachen, sie wurden und werden trotz aller voranschreitender Einsicht in die wirklichen Verhältnisse weiterhin als Bewohner Indiens, als Indianer bezeichnet. Und auf diese Weise. Bis heute in ihrer eigenen Heimat zu Ausländern gestempelt. Und genau so. Werden sie von den Nachkommen der „Entdecker“ auch oft behandelt.
Vom Pissen — Am 20. Juli 1969, nach Greenwich-Zeit gegen drei Uhr morgens, betrat Neil Armstrong unter Absagen weihevoller Worte in den mit starken Störgeräuschen durchsetzten Funk die Oberfläche des Mondes. Der Name des zweiten Menschen auf dem Mond ist heute übrigens so gut wie vergessen, er lautet Edwin Aldrin. Die wissenschaftliche Mission von Apollo 11 war nicht groß und hatte den Chrakter eines Feigenblattes, aber das tat dem medial aufgerichteten Weltspektakel keinen Abbruch. Ein besonders wichtiger Anteil der Mondshow war das Aufstellen einer US-Flagge auf dem Mond, um auf diese Weise die Überlegenheit der USA gegenüber der Sowjetunion zu demonstrieren. In der Sowjetunion freilich verzichtete man nach einigen Fehlschlägen im Vorfelde auf eine gefährliche bemannte Mission zum Mond und führte ein wissenschaftliches Programm mit unbemannten Sonden durch, bei dem sogar einige hundert Gramm Bodenprobe vom Mond für nähere Untersuchungen auf die Erde gebracht wurde. Später brachten Luna 17 und Luna 21 auch jeweils einen fernsteuerbaren, beweglichen Roboter namens Lunochod zum Mond. Die gut entwickelte und im Vergleich zum Einsatz von Menschen unter Extrembedingungen auch preiswerte russische Robotertechnik sollte später noch einmal auf der Erde eine Anwendung finden: Ein russischer Roboter entfaltete auf dem Meeresgrund unterhalb des Nordpols eine russische Flagge. Noch preisgünstiger ist nur das Verfahren der Hunde, die nicht in die Höhe und nicht in die Tiefe streben, die zur Markierung des Ortes nur einfach ein Beinchen heben.
#Herrschaft #Monströses #Rückblick #Realsatire #Wissenschaft | Zweitverwertet aus Lumières dans la nuit, und ja, der Text ist schon alt. Das altnordische Zitat könnte man grob (und unter Stabreimerhalt, aber mit unnatürlicher deutscher Wortstellung) als »Frühling ich zum Freunde wähl / es wird die Nacht zum Tage / wenn gluthaarig die Sonnengöttin / geht im Norden Wege« übelsetzen, aber lasst das lieber jemanden machen, der wirklich etwas davon versteht…