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Die Lohn-Preis-Spirale ist eine fette Lüge. Es ist eine Taktik, um den Lohnabhängigen zu vermitteln, der Kampf für höhere Löhne sei gegen ihr eigenes Interesse. Dies würde die Preise nur noch weiter erhöhen. Ein weiterer Deckmantel, um gleich viel Profit einzustecken und um die Inflation auf die ArbeiterInnen abzuwälzen. Trotzdem wird diese ständig wiedergekäut.

Rotlicht: Lohn-Preis-Spirale

Das Bild ist schief, die dahinterstehende Behauptung gehört aber zum unverzichtbaren Teil der herrschenden Volkswirtschaftslehre: Zur Rede steht die Lohn-Preis-Spirale. Es scheint, als drückten Löhne und Preise sich gegenseitig nach oben. Behauptet wird, dass höhere Löhne zu steigenden Preisen führten: Sie verteuerten die Produktion, erhöhten aber auch die Einkommen, die es den Arbeitern ermöglichten, die teureren Waren zu bezahlen. Steigende Preise wiederum zwingen die Gewerkschaften, höhere Löhne zu fordern, um das reale Einkommen zu sichern. Die Unternehmer begründen steigende Preise mit gestiegenen Lohnkosten und die Arbeiter ihre Forderungen nach höheren Löhnen mit dem gestiegenen Preisniveau. Langfristig ändere sich an der Verteilung des Volkseinkommens nichts. Vorübergehende Lohnvorteile würden durch höhere Preise und vorauseilende Preise durch einen Anstieg der Löhne wettgemacht. Die Lohn-Preis-Spirale erweist sich als eine These, mit der der Status quo der Einkommensverteilung scheinbar erklärt und in den Stand eines naturgesetzlichen Dogmas gehoben wird. Sie leuchtet vielen ein. Ist sie richtig?

Steigen die Löhne so stark wie die Produktivität, mindert ihr Anstieg den Profit nicht. Autoren der VWL-Lehrbücher schreiben daher, die Preissteigerungsrate sei gleich der Differenz aus der Lohnsteigerungsrate und der Produktivitätszuwachsrate. Von den sonstigen Kosten wird offenbar abgesehen. Ist der Produktivitätsanstieg gleich null, würden danach die Preise prozentual so stark steigen wie die Löhne. Das ist sehr willkürlich, wie eine einfache Überlegung zeigt: Ein Automobilzulieferer verkaufe seine Ware zu einem Preis von 100 Euro, und der Anteil der Lohnkosten am Preis betrage 18 Prozent. Weshalb die Preise um zehn Euro (= zehn Prozent) steigen müssten, wenn die Löhne um 1,80 Euro (= zehn Prozent) steigen, bleibt ein Geheimnis der Ökonomieprofessoren.

Eine zehnprozentige Erhöhung des Lohnes würde in diesem Fall allenfalls zu einer Preiserhöhung von 1,8 Prozent führen, wenn die Lohnerhöhung weitergegeben wird. Daran wird deutlich, wie absurd es ist, den Gewerkschaften die Verantwortung für steigende Preise anzulasten. Die Preiserhöhung könnte daraus resultieren, dass Material- und Energiekosten gestiegen sind oder dass zu hohe Abschreibungen verrechnet werden. Der entscheidende Grund: Preissteigerungen widerspiegeln das Streben nach höchstem Profit. Wenn die Preise, die sonstigen Kosten und die Produktivität gegeben sind, gehen die Profite im Ausmaß der Lohnsteigerung zurück. Und das ist der Knackpunkt des Ganzen: Unternehmer wollen genau dies verhindern. Deshalb setzen sie den Preis hoch. Was als lohnbedingte Preissteigerung hingestellt wird, ist der Versuch, eine Korrektur der Verteilung der Einkommen zugunsten der Lohnempfänger zu verhindern. Die Unterstellung einer starren Beziehung zwischen Löhnen und Preisen, das Dogma, dass die Warenpreise bestimmt würden durch die Arbeitslöhne, ist unhaltbar: Die Preise folgen nicht primär den Löhnen. Profitstreben, Marktmacht und die Abschöpfung von Liquiditätspotentialen sowie erwartete Kosten- und Preiserhöhungen sind wichtigere Einflussfaktoren.

Bemerkenswert ist, dass die Lohn-Preis-Spirale, obgleich eine der beliebtesten Floskeln zeitgenössischer Ökonomen, von deren großen Vorgängern schon vor Jahrhunderten als Unsinn abgetan worden ist: »Es war das große Verdienst Ricardos«, lobte Karl Marx, »dass er in seinem 1817 veröffentlichten Werk ›On the Principles of Political Economy‹ (Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie) den alten landläufigen und abgedroschnen Trugschluss, wonach der Arbeitslohn die Preise bestimmt, von Grund aus zunichte machte, einen Trugschluss, den (auch) Adam Smith und seine französischen Vorgänger in den wirklich wissenschaftlichen Partien ihrer Untersuchungen aufgegeben hatten« (MEW 16, S. 121).
- https://www.jungewelt.de/artikel/413391.rotlicht-lohn-preis-spirale.html