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»Wir zahlen nicht für Eure Kriege«
Niedersachsen: Kriegsgegner drohten wegen Parole auf Grünen-Plakat Strafe und zusätzliche Meldeauflagen. Ein Gespräch mit Johannes D. (Interview: Martin Dolzer)
Sie standen am Montag in Dannenberg als Angeklagter vor dem Amtsgericht, weil Sie ein Wahlplakat von Bündnis 90/Die Grünen mit einem Spruch gegen den Krieg bemalt haben. Wie lautete Ihre Parole?
Während des Wahlkampfs zum Niedersächischen Landtag habe ich die antimilitaristische Aussage »Wir zahlen nicht für eure Kriege – cant’pay – won’t pay!« auf ein Wahlplakat besagter Partei aufgemalt. Da ich mich weigerte, einen ersten Strafbefehl zu akzeptieren, kam es zum Prozess.
Der Sachschaden liege bei fünf Euro. Können Sie dennoch die Anzeige gegen Sie nachvollziehen?
Ich sehe das durchaus im Kontext einer zunehmend autoritären und repressiven Tendenz. Wenn man sich so wie ich in diesem Fall erwischen lässt, ist eine Anzeige leider völlig »normal«. Aber neben einer Geldstrafe und Schadensersatzzahlungen an die »geschädigte« Partei war der Strafbefehl darüber hinaus mit einer Bewährungsauflage verbunden. Ein Jahr lang hätte ich jegliche längere Ortsabwesenheit unverzüglich dem Gericht zu melden. Offensichtlich sollte das einschüchtern.
Sie haben vor Gericht eine Prozesserklärung verlesen, bevor Sie zu einer Geldstrafe von 300 Euro ohne weitere Auflagen verurteilt wurden. Was haben Sie erklärt?
Zunächst stellte ich klar, dass ich den Prozess nicht in der Hoffnung auf eine »mildere« Strafe führe, sondern es meines Erachtens darum geht, zivilen Ungehorsam und Protest und Widerstand gegen die herrschende Kriegspolitik abzustrafen. Des weiteren stellte ich Fragen: Ist es, auch angesichts einer nicht auszuschließenden Gefahr einer Eskalation des Krieges zu einem Weltkrieg, »kriminell«, mit Farbe kriegskritische Slogans auf Papier zu malen? Sind nicht vielmehr diejenigen kriminell, die Kriege führen oder führen lassen, die bereit sind, Tausende Menschenleben zu opfern – für imperialistische Interessen, für eine wenige, die sich schamlos bereichern?
Kurzum: Wer stirbt in Kriegen, wer profitiert? …
»Die Waffen liefern die Reichen – die Armen die Leichen«, diese Formel fasst das ziemlich zutreffend zusammen. Die Aktienkurse der Rüstungsschmieden sind seit Beginn des Krieges in der Ukraine durch die Decke gegangen. Unterdessen sterben jeden Tag geschätzt 1.000 Menschen. Während männlichen Personen die Ausreise verboten wird und sie statt dessen in die Schlacht geschickt werden, werden Kriegsdienstverweigerer in die Knäste gesteckt, auf den Straßen aufgegriffen und teilweise direkt an die Front gekarrt. Erst vor kurzem gelangte an die Öffentlichkeit, dass Deserteure an der ukrainisch-rumänischen Grenze erschossen wurden.
Nicht wenige derer, die gegen Krieg protestieren, sehen in Russland den Alleinschuldigen, gar das Böse schlechthin. Wie blicken Sie auf den Krieg in der Ukraine?
Auch wenn der Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine durch nichts zu rechtfertigen und klar als Angriffskrieg zu benennen ist, ist doch auch ganz klar zu sehen, dass die Ukraine von den NATO-Staaten jahrelang hochgerüstet wurde, um als Frontstaat gegen Russland in Stellung gebracht zu werden. Deutsche Außenpolitik nahm damit den russischen Einmarsch in die Ukraine mindestens billigend in Kauf. Dieser Krieg ist aber vermutlich erst die »Anfangsphase« in einem dreckigen Spiel, bei dem es den imperialistischen Großmächten um die letzten verbliebenen Rohstoffe, um geostrategische Einflussgebiete und letztendlich um die Zementierung ihrer Macht geht.
Sehen Sie eine Perspektive jenseits von Krieg und Ausbeutung?
Das kapitalistische System bewegt sich in atemberaubendem Tempo Richtung Katastrophe. Wenn wir nicht sehr bald grundlegende Änderungen herbeiführen, dürfte der Klimawandel demnächst seine kritischen Kippunkte erreicht haben. Wichtig und dringend geboten ist, eine Verbindung herzustellen zwischen den Kämpfen der Klimagerechtigkeitsbewegung und denen gegen Krieg, Aufrüstung und Militarisierung. Wenn wir den derzeit herrschenden Verhältnissen ernsthaft etwas entgegensetzen wollen, müsste dem Klassenkampf von oben und diesem eskalierenden Krieg ein Klassenkampf von unten entgegensetzt werden, der über reformistische Forderungen weit hinausgeht.
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