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Vielleicht haben ja doch diejenigen recht, die behaupten, der Wirtschaftskrieg gegen Russland habe den vorrangigen Zweck, den europäischen Markt für den aus den USA stammenden teuren Frackingstoff zu öffnen....
Unsere allseits hochgelobte Außenministerin Annalena Baerbock hatte erst vor einer Woche die Außenministerinnen und Außenminister der G7-Staaten nach Münster, eine der beiden Städte des Westfälischen Friedens, geladen und mit ihnen beschlossen, dass die versammelten Mächte des Westens Russland weiter ruinieren oder, wie es im Kommuniqué hieß, »wirtschaftliche Kosten auferlegen« wollen. Auch Japans Außenminister Yoshimasa Hayashi unterschrieb diesen Text. Und nun stellt sich folgendes heraus: Nur wenige Stunden vor der Erklärung der G7-Außenminister hatte die japanische Öl- und Gasentwicklungsgesellschaft Sodeco Russland gebeten, sich weiter an dem Erdölprojekt »Sachalin I« beteiligen zu dürfen, also die Sanktionen zu unterlaufen.
Sachalin ist die große russische Insel unmittelbar nördlich der japanischen Hokkaido. Seit 2005 wird vor der Nordostküste Sachalins Öl gefördert und zu großen Teilen nach Japan exportiert. Geführt wurde das Projekt von dem US-Ölgiganten Exxon (Anteil 30 Prozent). Die halbstaatliche japanische hielt auch 30, die russische Staatsgesellschaft 20 Prozent. Exxon hatte sich nach den Sanktionsbeschlüssen des Westens aus dem Projekt zurückgezogen, weshalb es vom russischen Staat direkt übernommen wurde. Wir haben es also mit einer direkten Kooperation des russischen und japanischen Staates bei der sanktionierten Ölförderung zu tun. Als Beispiel für ähnlich skandalös friedfertiges Verhalten fällt einem da nur die Kooperation der USA mit Russland bei der Raumstation ISS ein.
Oder aber ein weiterer japanischer Sachalinfall: Schon im Sommer dieses Jahres hatte die japanische Regierung die Gaslieferverträge mit Russland von der Insel Sachalin erneuert und dafür auch die Erlaubnis, sogar das Verständnis des großen Partners USA und der anderen G7-Staaten erhalten. Das Gas aus Sachalin deckt etwa neun bis zehn Prozent aller Gasimporte Japans ab. Die russische Regierung hatte im Juni angekündigt, dass alle Anteile an der Betreibergesellschaft »Sachalin 2« auf eine neue Gesellschaft nach russischem Recht und mit Sitz in Russland übertragen werden müssen. Das bisherige Betreiberkonsortium residierte rechtlich in der Steueroase der Bermudas. Es bestand aus der russischen Staatsgesellschaft Gasprom (50 Prozent plus eine Aktie), den beiden traditionsreichen japanischen Handelshäusern Mitsui & Co. (12,5 Prozent) und Mitsubishi Corp. (zehn Prozent) sowie dem derzeit drittgrößten Ölkonzern der Welt, Shell (27,5 Prozent).
Genug der Details. Es muss festgestellt werden, dass hier das Sanktionsregime des solidarischen Westens unterlaufen wird. So kann aus dem Plan nichts werden, Russland zu ruinieren. Noch eine andere Schlussfolgerung liegt nahe: Vielleicht haben ja doch diejenigen recht, die behaupten, der Wirtschaftskrieg gegen Russland habe den vorrangigen Zweck, den europäischen Markt für den aus den USA stammenden teuren Frackingstoff zu öffnen. Demnächst lösen die USA Russland nicht nur als wichtigsten Energielieferanten ab, sondern nehmen für den EU-Gasmarkt mit einem Importvolumen von 40 Prozent dieselbe dominante Rolle ein wie Russland vor dem Ukraine-Krieg.