20.10.2024 Jahreskonferenz der Plattform Privatheit
Freiheit in digitalen Infrastrukturen
... war der Titel der diesjĂ€hrigen Jahreskonferenz der Plattform Privatheit am letzten Donnerstag und Freitag in der Berliner Villa Elisabeth. Aktion Freiheit statt Angst e.V. war mit mehreren Aktiven dabei. FĂŒr das viele Forschungsgebiete umfassende Programmheft verweisen wir dorthin.
Ziel der Plattform ist es ja gerade, die aus der Digitalisierung entstehende Probleme auf die verschiedenen Gebiete Jura, Soziologie, Politik, Psychologie herunterzubrechen und die Experten von dort mit einzubinden.
Im Folgenden wollen wir keine Inhaltsangabe versuchen, sondern beschrÀnken uns auf einige Highlights, die uns ins Auge gesprungen sind.
Keynote: Pay or Okay
In seinem Vortrag berichtet der österreichische DatenschĂŒtzer Max Schrems (NOYB â EuropĂ€isches Zentrum fĂŒr digitale Rechte) ĂŒber die Probleme, wenn man vor die Wahl gestellt wird, einem Web Auftritt mit Werbung oder als Abo zuzustimmen. Die Frage nach der Datenschutzgrundverordnung ist dann nĂ€mlich, ist das noch eine freiwillige Zustimmung?
Ăsterreichische Gerichte hatten entschieden, dass von einer Freiwilligkeit auszugehen ist, wenn dies gĂŒnstiger ist als ein Print Abo. Fragt man jedoch die Menschen nach der Freiwilligkeit, so ergibt sich, dass
- 3-10 % mit der Werbung einverstanden wÀren,
- aber 50-70 % darauf hereinfallen,
- und im Endergebnis 99 % bei den umstÀndlichen Fragen zum Abschluss eines Abonnements (Name Adresse Bankverbindung, weitere Zustimmungen und Einwilligungen) aufgeben.
Die Preise fĂŒr Abonnements variieren in verschiedenen europĂ€ischen Staaten, so wĂ€ren es fĂŒr eine Familie in Ăsterreich 35 ⏠im Monat, in Deutschland nur 12,50 âŹ. Allein ein Abo fĂŒr die 100 Top Webseiten (Zeitungen/Zeitschriften) wĂŒrde eine deutsche Familie mit 150 ⏠im Monat belasten. Sozial schwache Menschen können sich dies nicht leisten â ist das noch freiwillig? Gleichheit verlangt auch gleiche Teilhabe.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist seine Feststellstellung, dass die wichtigen Print Verlage durch das Verfahren durchschnittlich nur 0,8 % mehr an Einnahmen generieren. FĂŒr die Verlage ist dies eigentlich unwesentlich, aber sie wollen mit einem Abo âden FuĂ in die TĂŒr des Kunden bekommenâ.
Wir mĂŒssen nun das Urteil des EuGH zum Fall "Zustimmen oder Abo" abwarten. Eine weitere Erkenntnisse die bei seinen Untersuchungen heraus kam war, dass entweder die Einwilligung bei einige Webseiten DSGVO-widrig nicht abgefragt wird oder sogar trotz eines âneinâ getrackt wurde.
Panel âFreiheit mit allen Mitteln?â
In dem Panel âFreiheit mit allen Mitteln?â ging es ebenfalls um GAFAM, die 5 groĂen Internetkonzerne, deren UmsatzgröĂe die Haushalte vieler europĂ€ische Staaten ĂŒbertrifft. Ein wichtige Frage war beim Thema Smart Home wer in einer Familie den Admin spielt, beziehungsweise die Entscheidungen ĂŒber die Ăberwachung der restlichen Familienmitglieder trifft.
Zur Unterscheidung zwischen analog und digital wird festgestellt, dass man in der analogen Welt circa fĂŒnf VertrĂ€ge pro Jahr abschlieĂt, wĂ€hrend es in der digitalen Welt einige 100 pro Jahr sein können. Damit sind die Menschen völlig ĂŒberfordert und lesen nicht in was sie einwilligen (AGB).
Entgegen getreten wird auch der Auffassung "meine Daten gehören mir". Das ist falsch, da Daten nie normales Eigentum sind. Daten dĂŒrfen keine Handelsware sein, denn auch nach dem Verkauf sagen Sie weiter etwas ĂŒber mich aus - sie bleiben âmeine Datenâ (Alexander RoĂnagel). Nur physische Dinge können Eigentum sein, die Kommunikationsordnung ist keine Eigentumsordnung, auch wenn der Data Act dies eventuell anders sieht.
Zu den erfolgreiche Klagen gegen groĂe Internetkonzerne und die verhĂ€ngten BuĂgelder wird angemerkt: Zehn Jahre wurde gegen META geklagt, am Ende war der Prozess gewonnen. Doch es nĂŒtzt nichts, denn META behauptet, dass inzwischen bei ihnen alles anders geregelt wĂ€re. So bleibt uns nur ĂŒbrig, erneut zu klagen.
Keynote: Digitale Infrastrukturen und Geopolitik
Frau Ingrid Schneider von der Uni Hamburg untersuchte in ihrem Projekt die Globalisierung des Internets. So hat sie in verschiedenen LĂ€ndern vor allem des SĂŒdens die dortige Datenschutzgrundlagen untersucht. Dabei hat sie teilweise erschreckende Erkenntnisse ĂŒber die LebensrealitĂ€t und das Gebaren der groĂen Internetgiganten gewonnen.
Positiv ist zu vermerken, dass die LĂ€nder der BRICS Staaten ebenfalls das Ziel haben, wie die EU, gegen GAFAM vorzugehen. Allerdings ist ihre Durchsetzungskraft noch geringer als die der EU.
Negativ ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass in SĂŒdafrika viele Menschen bis zu 9 Stunden pro Tag online sind, 4-5 Stunden tĂ€glich sind dort normal. ErklĂ€rlich ist dies dadurch, dass das Handy der einzige Internetzugang ist und fast sĂ€mtliche BezahlvorgĂ€nge damit geschehen.
In SĂŒdafrika gibt es seit 2021 den POPI Act als Grundrecht fĂŒr den Datenschutz. Die BuĂgelder sind fĂŒr GAFAM allerdings viel zu niedrig. Fazit: Der Datenschutz ist schwach aber vorhanden.
In Brasilien haben viele Menschen einen zeitlich, bzw. datenmĂ€Ăig limitierten Zugang zum Internet, so dass bereits Mitte des Monats bei Vielen ihr Datenvolumen erschöpft ist. Meta hat bei den brasilianischen Telekommunikationsunternehmen durchgesetzt, dass der Zugang zu Meta in diesem Limit nicht berechnet wird. Die Folge ist, dass fĂŒr viele Brasilianer das Internet praktisch nur aus den Diensten von Meta (Facebook, WhatsApp, Instagram) besteht.
In Indien gibt es seit 2017 ein Grundrecht auf Privatheit. Allerdings gehen indische Gerichte bei Klagen regelmĂ€Ăig von einer âangenommenen Zustimmungâ aus.
China: So wie wir gegen GAFAM kĂ€mpfen, so geht der chinesische Staat gegen BAT vor (Baidoo, Alibaba, Tencent), um die Macht der eigenen Internetkonzerne gegenĂŒber der StaatsfĂŒhrung in Grenzen zu halten.
Die EU ist unberechtigter Weise stolz auf den so genannten BrĂŒssel-Effekt. Danach werden die Regeln in der EU von den groĂen Internet Konzernen in Teilen bei ihren Implementationen ĂŒbernommen, da die EU versucht hat die EU-Datenschutzregeln auch in internationale HandelsvertrĂ€ge einzubringen. Allerdings haben die Internetkonzerne ihre Software inzwischen modularisiert, so dass sie je nach lokalen Datenschutzregeln diese entweder ein- oder ausschalten können.
Fazit von Frau Schneiders Vortrag: 82 % der Staaten auf der Welt haben Regeln zum Datenschutz, Lediglich die USA und Iran haben ĂŒberhaupt keine. In den USA gilt seit den neunziger Jahren die Section 206, die die Anbieter von Internetdiensten von jeglicher Haftung frei stellt.
Aufbau eines EU-weiten Offenen Web Index
Das Projekts ĂŒber den Aufbau eines EU-weiten Offenen Web Index (PRIDI) wird unterstĂŒtzt von der Open Search Foundation und ist sehr wichtig, um die fast 100%-ige Dominanz von Google zu brechen. Die Aufgaben des Web Index umfassen das Crawling, die Speicherung, die Analyse und die Aufbereitung der Information. Das ist ein sehr umfangreiches Unterfangen. Auch die geplante Nutzung des Web Index geht von der Suchanfrage ĂŒber den Abgleich mit dem Index, dem Setzen einer Rangfolge und der Anzeige der Ergebnisse einen weiten Weg.
Da Google fĂŒr den Aufbau seiner Suchmaschine viele Milliarden investiert hat und mehr als zehn Jahre gebraucht hat, wĂ€re der Offene Web Index zwar sehr wĂŒnschenswert, wird aber bei den begrenzten Mitteln der EU dafĂŒr (einige 10 Millionen Euro) kaum durchsetzbar sein.
Privatheit versus individuelles Nutzerverhalten
1,8 Milliarden Bilder werden pro Tag auf Instagram hochgeladen. Es sind meist idealisierte Körper und damit Fake Bilder des Menschen. Hinzu kommen nun KI generierte Bilder, die ebenfalls nicht das reale Menschenbild wiedergeben.
Es bleibt der Kampf zwischen âFreedom versus Libertyâ (Freiheit gegen Unternehmensfreiheit).
Fazit: Der Staat muss Standards definieren.
NatĂŒrlich gab es viele weitere Erkenntnisse aus den beiden Tage zu gewinnen. Die VortrĂ€ge und Diskussionen werden als Text und auch als Videos auf den Webseite der Plattform Privatheit sichtbar bleiben.
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