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Der "Krieg gegen Russland", der kollektive Westen und die Grünen
.... Jenseits der deutschen Grenzen besteht offensichtlich ein feineres Sensorium für die Gefahr, dass aus einem »Stellvertreterkrieg« ein direkter Krieg werden könnte, bei dem nicht nur die Ukraine das Schlachtfeld wäre. Der kroatische Präsident Zoran Milanovic, ein Sozialdemokrat, erwog einen NATO-Austritt und konterte ironisch: Wenn Deutschland sich im Krieg mit Russland befinden sollte, wünsche er »viel Glück, und dass es diesmal besser ausgeht (…)«.
Nach wie vor herrscht hierzulande und anderswo eine seltsame Entschlossenheit, weiterzumachen: mit mehr und schwereren Waffen. Inzwischen wird die Lieferung von Kampfjets in Betracht gezogen. Während in großen Teilen der Bevölkerung Skepsis verbreitet ist, wenn auch kaum berücksichtigt von der veröffentlichten Meinung, schreitet die grüne »Friedenspartei«, als die sie ihre beiden Vorsitzenden immer noch stoisch verkaufen möchten, weiter voran. Ihre Klientel ist mittlerweile zum wichtigsten Rückhalt der militarisierten Heimatfront mutiert.
»Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist weitgehend ein Sprachorgan der Grünen geworden«, vermerkte der Freitag Ende Januar. Der allergrößte Teil der Mainstreammedien – wenige Zeitungen und wenige Stimmen der Vernunft ausgenommen – versteht es blendend, Öl ins Feuer zu gießen, geißelt den Kanzler als zauderhaft, wenn er aus ihrer Sicht nicht schnell genug den durchgedrehten Scharfmachern folgt. Annalena Baerbock gleicht derweil programmatisch ihrem großen Vorbild Joseph Fischer. Sie bekennt freimütig, dass sie 2004 den Grünen beigetreten sei, als Fischer »die EU-Osterweiterung mit seinem polnischen Kollegen feierte«. Wie schon der alte Außenminister, ein treuer Follower der damaligen Amtskollegin Madeleine Albright, präsentierte sich Baerbock zum Antrittsbesuch bei ihrem Pendant Antony Blinken in Washington auffällig anbiedernd. Es entstehe der Eindruck, dass »kein Stück Papier zwischen sie passe«, wollte denn auch die Nachrichtenagentur dpa (5.1.2022) beobachtet haben.
Über die Transformation der Grünen von einer alternativen politischen Kraft zur unverzichtbaren Stütze des kapitalistischen Systems wurde bereits manches geschrieben; über die Hintergründe, wie und mit welchen Mitteln es den USA unter Präsident Biden konkret gelingen konnte, die Grünen fest an ihrer Seite zu plazieren, ebenfalls. Klärungsbedarf besteht dennoch: Immerhin ist das Umschalten auf einen klaren antirussischen Kurs in Europa nicht unerheblich mit der jeweiligen Regierung in Berlin verknüpft. Der Regierungswechsel ermöglichte erst, die seit langem infrage gestellte globale Führungsrolle der USA wieder anzuerkennen und in einen transatlantischen Solidaritätsrausch zu verfallen.
Die Zeit wird weitere Details ans Licht bringen, doch lässt sich jetzt schon sagen: Die Gründe für den politischen Kurswandel, der eine erhebliche Schwächung der EU als Global Player mit sich bringt, gehen auf die wirtschaftliche und militärische Potenz und das entsprechende Erpressungspotential der USA wie auf psychologische und ideologische Motive zurück. Dazu gehören – für das Gebiet der alten BRD und für Westberlin – die Russophobie und die ziemlich fest verankerte Legende von der Großartigkeit des »American Way of Life«.
»Demokratie« und »Freiheit« sind abstrakte Worthülsen geworden. Die Ukraine wird als Bastion der »westlichen Werte« präsentiert – in Position gegen die »autoritären Regime« in Moskau und Beijing. Im Zweifelsfall werden die bestehenden Beziehungen, etwa zu den Golfstaaten, schöngeredet und bleiben letztlich doch als Makel des »doppelten Maßstabs« kleben, der nicht wegzureden ist, sondern lediglich durch die Argumentation mit gegebenen, also »putin-bedingten«, Zwängen relativiert wird. Vizekanzler Robert Habeck über seinen Bückling in Katar: »Als Regierung mussten wir in einer sich ständig verändernden und zuspitzenden Krise agieren.« (Der Spiegel, 3/2023)
Im Spiegel-Interview erläutert er weiter: »Es ist mein Job«. Seine Arbeit als Politiker ist es, die Leute, die ihm zuhören – und das sind viele – von dummen Entscheidungen zu überzeugen und einzuwickeln. Er agiert dabei als eine Art »Hobby-Freud« (Wolf Maahn), appelliert an Gemeinschaft und Solidarität, wenn er den allgemeinen Verzicht unter Einsatz von Waschlappen und Kurzzeitduschen propagiert, und benutzt schon mal Zuckerbrot und Peitsche. »Es scheint gerade Lust am Untergang zu geben«, tut er die Kritik an seiner Politik ab und lobt zugleich seine Klientel, die sich klaglos in die politische Linie der Grünen fügt. »Menschen sind bereit, sich mit weniger zufriedenzugeben, damit wir als Land gut durchkommen« (Der Spiegel, 3/2023).
Alle in einem Boot: Die Menschen seien fähig zur Solidarität, befindet Habeck und ruft dazu auf, den Gürtel enger zu schnallen: »Und wenn jemand sagt, ich helfe nur, wenn ich noch mal 50 Euro krieg’, würd’ ich sagen: Die kriegst du nicht, Alter!« Gefragt nach der »frohen Botschaft für die Deutschen« antwortet er: »Sie lautet: Wenn wir uns zusammen anstrengen, dann können wir Erstaunliches erreichen. Das ist die Lehre aus dem vergangenen Jahr.« (Der Spiegel 3/2023) Er war einer der ersten aus der grünen Aufsteigergarde der vorgeblichen Waffenexportgegner, die die Aufrüstung der Ukraine verlangten: »Es war ein langer Weg von keinen Waffen zu ersten Panzerfäusten zu Panzerhaubitzen 2000, jetzt zu den Mardern. Das zeigt, dass wir die Unterstützung immer wieder anpassen.«
Opportunisten durch und durch
Eine Biegsamkeit von Positionen gilt durchweg für den inzwischen vollständig etablierten Typus grünen Spitzenpersonals. Es zeichnet sich mit Nuancen einheitlich dadurch aus, auswechselbar zu sein – zumindest was die politischen Positionen betrifft. Oppositionelle Meinungen – das war irgendwann gestern. Alle wie einer, eine wie alle, und mittlerweile fällt die ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend und heutige Parteivorsitzende, Ricarda Lang, die »unangepasste Frau vom linken Flügel«, dadurch auf, dass selbst ihre Kleidung »jetzt zu der seriösen Politikerin, die sie sein will«, passt. »Nur wer sich den Realitäten anpasst, könnte nach oben und bleibt dort«, und sie habe halt, so der Spiegel (33/2022), »ein ausgeprägtes Talent für Machtfragen«.
- vollständiger Text: https://www.jungewelt.de/artikel/444842.militarismus-2023-frieden-kein-interesse.html