#arbeiterklasse

mrd_ill_be_back@diasp.org

Wider dem kommenden Antisemitismus!

„For a long time, the enemies have been planning, skillfully and with precision, for the achievement of what they have attained. They took into consideration the causes affecting the current of events. They strived to amass great and substantive material wealth which they devoted to the realizations of their dream. With their money, they took control of the world media, news agencies, the press, publishing houses, broadcasting stations, and others. With their money they stirred revolutions in various parts of the world with the purpose of achieving their interests and reaping the fruit therein. They were behind the French Revolution, the Communist revolution and most of the revolutions we heard and hear about, here and there. With their money they formed secret societies, such as Freemasons, Rotary Clubs, the Lions and others in different parts of the world for the purpose of sabotaging societies and achieving Zionist interests. With their money they were able to control imperialistic countries and instigate them to colonize many countries in order to enable them to exploit their resources and spread corruption there.

You may speak as much as you want about regional and world wars. They were behind World War I, when they were able to destroy the Islamic Caliphate, making financial gains and controlling resources. They obtained the Balfour Declaration, formed the League of Nations through which they could rule the world. They were behind World War II, through which they made huge financial gains by trading in armaments, and paved the way for the establishment of their state. It was they who instigated the replacement of the League of Nations with the United Nations and the Security Council to enable them to rule the world through them. There is no war going on anywhere, without having their finger in it. […]“

Hamas: „Covenant of the Islamic Resistance Movement“, Article 22, August 1988
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Die Welle des um sich greifenden Antisemitismus lässt uns sprachlos werden. Haben wir etwas verpasst? Hat die Emotionalisierung der Bilder das letzte bisschen #Restvernunft ersticken lassen, sodass „der“ #Jude als #Sündenbock aus dem kollektiven Unterbewusstsein eine erneute Renaissance erlebt? Ist die zivilisatorische Kruste derart dünn, dass sich 80 Jahre #Shoah heute nur noch als weitere postmoderne Erzählung unter vielen ausnimmt? Und wie kann es sein, dass sich im Land der Täter, im #Postnationalsozialismus, bis weit in selbsternannte anarchistische Kreise, die Rede palestinänsischer #Solidarität vernehmen lässt, jenseits auch nur oberflächlich-kritischer Prüfung, mit wem mensch sich da solidarisch erklärt?

Wir haben uns bisher von diesem Trauerspiel fern gehalten und gehofft, es möge sich ein Diskursfenster öffnen, welches sich dem #Sektierertum, der #Polarisierung, #Ethnisierung und #Brutalisierung des Konfliktes aktiv erwehrt. Wir haben wohl falsch gedacht. Stattdessen wittert die ihren Antisemitismus unter dem Kampfbegriff „Antizionismus“ nur halb versteckende Querfront aus roten #Antiimps, #Islamisten und emotionalisierten Kiddies á la Greta T. Morgenluft und versucht ihre Chance auf US-amerikanische Campus-Besetzungen auch an europäischen Universitäten zu ergreifen; In #Berlin ergehen sich anarchistische und insurrektionalistische Kreise in Fantasien über die „Demo-Saison auf der #Sonnenallee“ und eine #FLINTA*-Demonstration am 30.04. lässt sich nonchalance für #Palestina-Solidarität einspannen.

(Liebe Genoss*innen, ist euch klar, dass ihr die ersten wäret, welche dem #Sharia-Law der #Muslim-Bruderschaft in Palestina, auch als Hamas bekannt, zum Opfer fallen würden? Die Hamas hat in ihrer Charta Artikel 17 und 18 sehr deutlich dargelegt, wie sie mit Nicht-“Männern“ umzugehen gedenkt)

Wir können diesen Irrsinn nicht länger mit anhören. Schlimm genug, dass dieser Konflikt tobt und uns, unsere Angehörigen vor Ort und unsere Genoss*innen bedroht; in der #Ohnmacht der #Grausamkeit beginnt eine toxische Mischung aus Fanatismus, Ethnisierung und #Ideologisierung zu brodeln, welche einen alten, weißen Mann mit Bart höhnisch auflachen lässt: „Geschichte wiederholt sich immer zweimal…“ Es ist wirklich Zeit, dass statt Kufiya-Lappen endlich wieder hörbar wird: „Kein #Gott – Kein #Staat – Kein #Kalifat!“

Kein revolutionäres Subjekt

Wer unser eingangs genanntes Zitat genauer liest, wird neben verblüffenden Übereinstimmungen mit den sog. „Protokolle der weisen von #Zion“ (einem Buch, welches der spirituelle Vordenker der Hamas, Sayyid #Qutb neben Hitlers „Mein Kampf“(1925) und Amin #el-Husseinis#Islam und #Judentum“ (1937) sehr zu schätzen wusste und seinen Essay „Unser Kampf mit den Juden“ (1950) mitbeeinflusste) feststellen, dass hier ein #Antikommunismus am Werk ist, welcher antimodernistisch gewendet #McCarthy vor Neid erblassen ließe. Für die #Muslimbruderschaft liegt die Wurzel allen Übels im „zionistischen“ #Sekularismus. Ob liberale #Demokratie, #Staatskommunismus, Pariser Commune oder kollektive, föderale #Selbstverwaltung, alles ist nur Ausdruck des „zionistischen“ Erzbösen. Auf dieses offensichtliche Delirium wollen und müssen wir hier nicht eingehen, als Seitennote sei aber darauf hingewiesen, dass für die Hamas die „Frau“, welche von der ihr zugedachten #Steinzeitrolle als Gebährmaschine und Indoktrinationsapparat für die Kinder im Sinne des #Jihad abweicht, von der westlichen-aka-sekularen-aka-„zionistischen“ Idee verführt worden ist. Und noch etwas anderes sollte der geneigten Leserin auffallen: Die Hamas hat keinen Begriff von #Klasse (sowie generell kein Begriff von irgendeiner Kategorie sozialer Stratifizierung). Die #Umma im Sinne der Hamas kennt keine #Klassen, nur Palestinänser und Jihad (vgl. Charta, insbesondere Artikel 20). Wer da nicht an Wilhelm II 1914 nach dem finalen Verrat der SPD im Sinne des deutschen #Expansionismus denken muss, dem können wir auch nicht helfen.

Was uns angesichts der #Proteste aber sehr stutzig gemacht hat, war die Präsenz selbsternannter kommunistischer Gruppen und deren Verlautbarungen bei den Protesten selbst. Das Problem der #Antiamerikanismus und die mechanistische, eklektizistische, vulgärmarxistische #Theorie dieser Gruppierungen ist schon länger bekannt, aber der Kurzschluss von „Solidarität mit der palestinensischen #Arbeiterklasse“ zu „Free Gaza“, weil Gaza durch israelischen-amerikanischen-zionistischen-usw. #Kolonialismus bedroht, ist ein neues Tief. Die infantile Suche nach „dem“ neuen politischen Subjekt im Sinne einer endlos verkürzten #Kapitalismusanalyse, welche Abwesenheit von theoretischem Verständnis als #Klassenbewusstsein fehlinterpretiert (Lukács routiert in seinem Grabe), ist nicht einmal mehr in der Lage zu sehen, dass sämtliche palestinensischen Akteure so ziemlich das absolute Gegenteil eines politischen Ausdrucks einer Arbeiterklasse darstellen. Stattdessen wird mit der eigenen Stimme (so marginal sie auch sein mag) einer fundamental-religiösen, anti-modernistischen, #antisemitischen und brutal-patriarchalen Strömung Gewicht, Sichtbarkeit, Legitimität und Absolution erteilt. Hier stellt sich nicht die Frage, ob der „palestinensische #Widerstand“ legitim ist oder nicht; vielmehr existiert seit dem 7. Oktober 2023 kein anderer Repräsentant dieses Widerstands mehr, außer eben der Hamas. Die Hamas und sämtliche ihrer Epigonen waren und sind der Tod für alles, womit es legitim und unabdingbar wichtig wäre, solidarisch zu sein. Der Einfluss dieser Feinde der Menschheit geht soweit, dass sie sogar den zivilgesellschaftlichen, militant-feministischen Widerstand in Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem erwürgen konnten, indem sie 2022 nach Wochen der Auseinandersetzungen mehrere Raketen gen Israel schickten.

Auf der Suche nach „dem“ revolutionären Subjekt machen sich diese Gruppen zu Komplizen einer reaktionären Welle, welche nicht nur das Mobilisierungspotential des Antisemitismus als revolutionären Konstituierungsprozess fantasiert, sondern auch und vor allem welches nur als Schlag ins Gesicht und aktiver Verrat an den unzähligen Menschen in der #Diaspora verstanden werden kann, welche sich durch #Migration eben jener islamischen #Kontrarevolution entzogen haben. Es ist kein Zufall, dass sich diverse queer-migrantische Communities aktiv von den Orten der „Solidarität“ fernhalten. #Sozialistinnen, #Kommunistinnen, links-politische Kämpferinnen aller (nicht-weißer) couleur finden sich erneut bespuckt und ihrer Sprache beraubt, findet sich doch Terminologie ihrer Kämpfe im Vernichtungskampf gegen „ #den Zionismus“ (Israel). Statt sich die Mühe zu machen und wenigstens zu versuchen, eine halbwegs funktionierende Analyse palestinensischer Klassenverhältnisse in Gaza zu fabrizieren, wird unmittelbar der pornographisch-voyeuristischen Bildsprache der Hamas gefolgt und sich blind(lings) mit „dem“ palestinensischen Widerstand solidarisiert. Nur selten lässt sich Althussers Theorie wie aus dem #Lehrbuch studieren: Ideologie als #Weltverzerrung, oder anders gesagt: Ideologie führt dazu, dass #Widersprüche nicht mehr wahrgenommen und stattdessen als kohärentes Ganzes erscheinen.

Statt Ästhetisierung der #Politik, Politisierung der Ästhetik

Dieses abgewandelte Zitat von Walter Benjamin beschreibt den fundamentalen Unterschied zwischen einem progressiven und einem faschistoiden Politikverständnis. Wir haben oben bereits von der pornographisch-voyeuristischen Bildsprache der Hamas gesprochen. Wir sprechen hier über die Inszenierung der Bilder, über die damit verbundene permanente Täter-Opfer-Umkehr auf einem Portfolio patriarchaler Bedeutungsmuster, welche sich gespiegelt bei den Protesten wiederfinden. Für das Bestätigen der eigenen Potenz, Bilder mit AK-47 und #Headcam. #Gamification in Reinform, der Bildschirm des Konsumenten als erweiterte Interaktion des #Egoshooters. Gleichzeitigkeit des Spiels und der „gespielten“ Realität auf dem Bildschirmen rund um den Globus. Die Simulation unvermittelter Erfahrung: „Sieh her, es ist so einfach, Juden zu töten!“ Ob Killshot in Call of Duty, oder Slow-Motion im Drive-By im Vorort von Be’er Scheva, im „postideologischen“ Zeitalter der #Hyperrealität nimmt sich der Unterschied nur marginal aus. Der IS hatte das besser verstanden als alle anderen. Die #Ästhetisierung seiner #Propaganda zielt nicht so sehr auf Kameradschaft, Sicherheit und Abenteuer. Für ihn war Ästhetisierung interaktive Erweiterung eigener Erfahrung, Simulacrum, Kopie ohne Original. Oder, um es anders zu sagen: das (ästhetisch-überformte) falsche Bewusstsein maßt sich an, das Sein zu definieren; nicht im Sinne eines qualitativen Sprunges, sondern als vermeintliche Wiederholung des immer Gleichen, als simulierte Erfahrung von bereits Bekanntem. Diente den Deutschen im 2. Weltkrieg Propaganda zur Darstellung eigener Überlegenheit und Allmachtsfantasien, musste der einzelne Soldat an der Front doch mit der Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit zurechtkommen. Niemand konnte ihn darauf vorbereiten, dass der „ #Untermensch“ zurückschießt und erst recht nicht, wenn es eine Soldatin in (Schock!) Uniform war. Moderne Propaganda folgt dem Muster des pornographischen #Voyeurismus: Statt verschleiert, wird bis zum letzten Exzess gezeigt und ergötzt. Kein blutiges Detail bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen. Der Kick der Hyperrealität findet seinen Ausdruck im Zoom auf die den Körper des Juden penetrierende Kugel, in der zum Todestrieb gewandelten obszönen Lust. #Allmachtsfantasie und Potenz als Ziel islamistisch geprägter gekränkter Männlichkeit. Hier verspricht kein Versprechen die Glorie vom siegreichen eigenen #Kollektiv, von Schicksal und Heilsmission, nein: hier spricht die Aufforderung zur Wiederholung des Gezeigten, zur Identifikation mit der Kugel selbst, welche den Juden penetriert und auslöscht.

Die Hamas spricht diese moderne Propagandasprache sehr gut. Und sie funktioniert in verschiedene Richtungen. Wird einerseits Potenz als mörderische Interaktion an Juden gezeigt, wird andererseits das Leid der eigenen #Bevölkerung im #Gazastreifen als spiegelbildliche Impotenz des Weiblichen inszeniert. Bomben treffen immer die Unschuldigen. Bomben treffen immer Frauen, Kinder, Reporter, Kranke, Alte, medizinisches Personal, Zivilisten. Und wir wollen auch nicht bezweifeln, dass in diesem Konflikt viel Leid bei unbeteiligten hervorgerufen wird. Allerdings statt sich ob dieser Bilder die Haare zu raufen und emotionalisieren zu lassen, fragen wir uns jedes mal: Wieso lässt eine Bevölkerung es zu, dass sich zwischen den eigenen #Kindern #Hamaskämpfer (oder #PIJ, vollkommen egal) verstecken? Wieso wird zugelassen, dass neben Spielplätzen, Kliniken, öffentlicher Infrastruktur #Raketenabschussrampen errichtet werden? Wieso wird akzeptiert, dass der Wert des eigenen Lebens scheinbar nur daran bemessen wird, wie viel „Nutzen“ das eigene Opfer diesem Abschaum der Menschheit gebracht hat? Welche Prozesse müssen auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte stattgefunden haben, dass nicht jede Frau nachts mit Kissen und Messer bewaffnet diesen Schlächtern ein Ende bereitet?

Für die Hamas ist der „Zionismus“ der personifizierte Teufel in Gestalt „der“ (westlichen) #Moderne. Und dennoch (gleich dem IS) nutzt die Hamas jene reaktionäre Bildsprache westlicher Charities, wenn es darum geht, sich selbst als Opfer vermeintlicher „zionistischer“ Aggression darzustellen, wobei sie selbst erstaunlich abwesend bleibt. Wird sich, um den #Machtanspruch zu unterstreichen #hypermännlich und potenzgeladen im #Angriff gezeigt, wird sich hinter dem emotionalisierten und emotionalisierenden Leid der #Zivilbevölkerung versteckt, geht es um die #Verteidigung. Damit trägt die Hamas und mit ihr verbundene Medien ( #Aljazeera ist hier als unrühmliches Negativbeispiel par excellence zu nennen) aktiv und bewusst zu einer Identifikation ihrer selbst und der palestinensischen Bevölkerung bei. Das ist keine Verschwörung, sondern Programm. In ihrer Charta wird in Artikel 23 und den Folgenden das Verhältnis zu anderen politischen Akteuren diskutiert: Fazit: Solange ihr unserer Interpretation vom #Islam und der zionistischen #Weltverschwörung aufs Wort folgt (also so seid wie wir), dann ist alles schick. Wenn nicht…

Statt also dieser übersteigerten Ästhetisierung der Politik der palestinensischen Muslimbruderschaft zu folgen, vermissen wir wirklich schmerzlich das, was einst zum Grundsatz jeder sich selbst als „progressiv“ bezeichnenden Bewegung gehört hat. Das ist schließlich auch etwas, was wir nicht verstehen: Im Zuge der Proteste hören wir eine Sprache, welche für unser Dafürhalten aus dem linksalternativen Spektrum zu kommen scheint. Hier ist von #Apartheid, von #Kolonialismus, von #Genozid die Rede; mensch wähnt sich irgendwie „links“, aber ist im besten Falle instrumentalisiertes und emotionalisiertes Stimmvieh, im schlimmsten Falle geifernder Antisemit und islamistischer #Gotteskrieger. Wir können uns nicht wirklich erklären, wie derart fundamental sich die Koordinaten politischer Wahrnehmung verschoben haben; eigentlich hatten wir erwartet, dass die Campus-Besetzung der FU in Berlin eine ähnliche Antwort erfährt wie eine Besetzung der „Identitären Bewegung“ am gleichen Ort, also mit militanten Angriff bedacht werden würde. Dieses ist nun nicht passiert und in Berlin zumindest scheint die Ästhetisierung der Politik derart weit vorangeschritten, dass jede wie auch immer geartete Bewegung als irgendwie widerständig und proto-revolutionär gilt. Im Land der Täter, #Pegida, #AfD und Co ist es eigentlich eine Schande überhaupt sagen zu müssen, dass nicht jeder brüllende Haufen qua Definitionem progressive Züge trägt, auch nicht, wenn er zum Großteil aus Nicht-weißen besteht.

Antizionismus

Wohinter sich immer wieder versteckt wird, ist die vermeintliche Differenz zwischen Antisemitismus und Antizionismus (das eine Pfui, das andere Hui). Mensch habe ja nichts gegen Juden an-sich, sondern nur gegen den Staat Israel (also den Ort mit der größten jüdischen Bevölkerung, bzw. Juden für-sich). Und ja, es gibt Jüd*innen und Juden, welche den Staat Israel aus diversen Gründen ablehnen oder ihm schlicht den Rücken gekehrt haben. Und ja, die innerisraelischen Widersprüche zwischen „jüdisch“ und „demokratisch“, zwischen „Nationalität“ und „Staatsbürgerschaft“, zwischen einem orthodox-geprägten Oberrabbinat und den Herausforderungen einer modernen, westlichen Einwanderungsgesellschaft sind immens; und ja, niemand zweifelt an, dass die Radikalisierung von und die Konflikte mit #Likud und #OtzmaYehudit ihren Ursprung im vor-israelischen zionistischen Spektrum u.a. in Person von Zeev Jabotinsky und seinem Revisionistischem Zionismus haben. Aber nichts davon spielt zur Zeit in dem aktuellen Protestgeschehen überhaupt eine Rolle. Zionismus war schon immer ein breites politisches Spektrum und wir wollen uns hier nicht in historischen Erzählungen ergehen, sondern eines klarstellen: sich darauf zu berufen, mensch würde nur den Zionismus kritisieren, kommt 76 Jahre zu spät. Der Zionismus ist manifeste Realität in Form des Staates #Israel. Jede*r/m steht frei, Israel nicht zu mögen, allerdings steht es nicht jede*r/m frei, sich als nicht-ortsansässiger Goj eine fundamentale Meinung zum Für-oder-Wider der schieren Existenz Israels zu erlauben. „Den“ Zionismus (hier in maximal positiver Lesart verstanden als rein politische Idee) zu kritisieren, ist außerhalb explizit historisch-ideengeschichtlicher Diskurse entweder komplett nichtssagend, oder dient als Stellvertreter für exterminatorischen Antisemitismus. Zionismus, so verstanden, wie die Hamas diesen Begriff benutzt, trägt explizit rassistische, antisemitische Elemente, ja ist mit Antisemitismus in seiner nationalsozialistischen Definition ergänzt durch uralten islamischen #Antijudaismus austauschbar. Wird der von der Hamas fantasierte Antizionismus Wirklichkeit, ist das Beste, was jüdische Israelis zu hoffen wagen können eine Wiederkehr des #Dhimmi-Status, allerdings ergänzt durch modernen Antimodernismus in seiner brutalsten, patriarchalsten Form. Sie würden zum islamisch-verbrämten Homo Sacer, welcher sogar zum modernen #Sklaven des Kafala-Systems noch aufblicken würde; und das ist der beste Fall. Wir sprechen hier von absoluter Entrechtung, körperlicher und sexueller #Sklaverei, #Mord und #Folter als schmückendes Beiwerk. Und nein, das ist kein Alptraum unsererseits:

„The Day of Judgement will not come about until Muslims fight the Jews. When the Jew will hide behind stones and trees, the stones and trees will say, “O Muslims, O Abdulla, there is a Jew behind me, come and kill him. Only the Gharkad tree, (evidently a certain kind of tree) would not do that because it is one of the trees of the Jews.”

(Hamas Charta Artikel 7, hier zitiert nach den Hadithen aus „Sahīh al-Buchārī“)

Antizionismus ist außerhalb seiner Funktion als Referenzpunkt innerhalb israelischer politischer Diskussionen um die Verfasstheit des Staates selbst mit einer islamistischen, antijudaistischen und antisemitischen politischen Agenda gleichzusetzen. Wer das nicht versteht oder nicht verstehen will, macht sich zum Komplizen reaktionärer Menschenfeinde. Statt eigene Emotionalisierung als propagandistischen Angriff auf die eigene Souveränität wahrzunehmen, wird sich der klassischste aller Sündenböcke gesucht und als Lösung für falsche Widersprüche dienstbar gemacht. Für uns ist es mehr als bezeichnend, dass nicht etwa der rechtsradikale Rollback, die anhaltende Polizeigewalt und racial Profiling, die in Zeiten ökonomischen Niederganges zunehmende rassistisch-geframte wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung sozial-marginalisierter Menschen oder die rasant-wachsende Remilitarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft die Gemüter aufhorchen lässt. Nein, es ist der Krieg in Gaza, frisch serviert im 24/7 Medienformat und klar verteilten Rollen in „gut“ und „böse“. Da kann der deutsche Michel seine Vergangenheitsbewältigung endlich abschließen und sich so richtig schön über „den“ Juden (stecken die nicht hinter allem Bösen auf der Welt?) herziehen. Und sogar der „Ausländer“ von neben an, mit dem zusammen geht es gleich noch besser (der ist ja schließlich nur hier, weil ihm der Jude sein Land wegnimmt). Die Welt ist schön und Sonntag gibt es Tatort bei Mutti.

Uns fällt zu diesem kollektiven Wahn nur das Zitat von Zvi Rix ein: „ #Auschwitz werden uns die Deutschen niemals verzeihen“.

Campus Judenrein

Zum letzten Punkt möchten wir noch etwas bzgl. der Campus-Besetzungen als sichtbarer Ausdruck dieser aktuellen Protestwelle schreiben. Wo „ #FreePalestine“ Proteste stattfinden ist immer von Antizionismus als Legitimationsgrundlage und den immer gleichen Forderungen des #BDS die Rede. Dass eine deutsche Universität ihre Hochschulpartnerschaften mit ausschließlich israelischen Universitäten sofort beenden soll, Gelder aus Israel abziehen soll, da der für „Genozid“ verantwortlich gemachte Zionismus hinter all dem stecke, dass „From the River to the Sea – Palestine will be free“ skandiert und Israelkarten in Farben Palestinas von Kufiya-belappten Aktivisten geschwenkt werden, ja dass sogar die absurde Unverschämtheit kundgetan wird, die #Universität solle bitte ihre Definition des „Antisemitismus“ revidieren (um was genau damit zu bezwecken? Das eigene Handeln qua Definitionem als nicht-antisemitisch und somit legitim darzustellen?) hätten wir vor noch einem Jahr für nicht möglich gehalten. Vor allem nicht in diesem Land, im #PostNationalsozialismus. Uns fehlt die Sprache ob der plumpen Widerkehr des kollektiv Verdrängten. In unseren Augen gibt es keinen #Universalismus der Aktionsformen und noch viel weniger Form ohne Inhalt. Jede Form politischen Aktionismus findet vor ihrem spezifischen historischen Kontext und Narrativ ihren spezifischen Ausdruck. Derart offensichtlich antisemitische Forderungen zusammen mit dem Boykott-Aktionismus sind in diesem Land (in jedem Land, aber in #Deutschland nochmal extra) untrennbar verbunden mit der Machtergreifung 1933. Es ist schlicht unmöglich, diesen historischen Hintergrund auszulöschen, auch durch Dummheit nicht. Auch nur zu denken, ein antiisraelischer (aka antizionistischer aka antisemitischer) Boykottaufruf könne hierzulande etwas anderes darstellen, als eine Homage an den „ #KauftNichtBeiJuden“ Boykott als seichter Auftakt der Endlösung benötigt mehr kognitive Dissonanz, als wir uns vorstellen können. Da ist es auch vollkommen zweitrangig, welche Sprache der Mensch spricht, als wer-wie-was er/sie/es sich identifiziert, vollkommen egal. Hier wird keine Aufmerksamkeit für Gaza/Palestina/WestBank/sonstwas geschaffen. Das einzige, was passiert, ist die Forderung nach Campus #Judenrein. Selbst wenn wir noch so empathisch sind mit den Einzelnen und uns versuchen in sie hineinzuversetzen, uns überlegen, ok, vielleicht ist das Alman-Kid wirklich und ehrlich ob der Bilder entsetzt, ja, historisch und politisch schon fast sträflich dumm, aber ok, hat „Angst“, möchte „Helfen“, der eigenen Ohnmacht durch blinden Aktionismus begegnen: der Schritt zum Campus Judenrein ist und bleibt für uns unverzeihlich. Mit an diesen Aktionen teilnehmenden Menschen haben wir nichts gemein, sie sind als Ausdruck eines reaktionären Spektrums zu bekämpfen.

Wir hoffen, dass wir verständlich machen konnten, warum es in unseren Augen jenseits unseres politischen Verständnisses liegt, dass sich selbsternannte „Linke“ und „Progressive“ an den antiisraelischen Protesten beteiligen oder noch absurder: darüber fachsimpeln, ob und wie mensch in der „Bewegung“ tätig sein kann. Hier entsteht kein revolutionäres Subjekt, im Gegenteil rückt eine wie auch immer geartete aufständische Perspektive immer weiter aus dem Blickfeld, je mehr sich im Bezug auf den Krieg in Israel und Gaza die Positionen fanatisieren. Am Ende dient dieser Protest nur dazu, dass sich Deutschland von seiner historischen Täterschaft endgültig „emanzipiert“ und den historischen Ballast abwirft. Und dann Gnade uns allen Gott. Dass das noch nicht passiert ist, liegt nicht an unserer eigenen Stärke, sondern an Widersprüchen innerhalb der deutschen Staatsapparate. Ein beunruhigender Gedanke.
https://knack.news/9533
#antifa #linksradikale #kapitalismuskritik #kommunismus #antisemitismus #linkerAntisemitismus #israelkritik #antiimperialismus #rassismus #hamaskrieg #klerikalfaschismus #gaza #freeGaza from #hamas #patriarchat #sexismus #warAgainstWomen #kriegGegenFrauen #sexualisierteGewalt #dummlinks #rechteLinke #querfront

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #arbeit #klimakatastrophe #e-mobilität #arbeiterklasse #auto #kapitalismus

Ich hab den Artikel mal hinter der Bezahlschranke rausgeholt, weil er ein realistisches Bild der Situation der Arbeiter:innenklasse und ebenfalls von ihnen geäußerten realistischen Einschätzungen über die Klima-, aber auch darüber hinausgehende Politik gestattet. Eine Linke und diejenigen, die sich für eine realistische Politik zur Bekämpfung der Klimakatastrophe einsetzen, sollten das mitdenken.

Interview | Soziologe Klaus Dörre: „Die Grünen gelten vielen Arbeitern als Hauptfeind“

Mit 220 km/h über die Autobahn brettern und Teslas jagen, das wünscht sich ein Arbeiter in einer Studie des Arbeitssoziologen Klaus Dörre. Sind wirklich die Grünen schuld an diesem Hass? Oder gegen wen richtet er sich sonst?

Sie sind es, die die Verkehrswende bauen sollen: Die Schrauber bei VW im hessischen Baunatal und bei Opel im thüringischen Eisenach. Der Soziologe Klaus Dörre hat mit vielen von ihnen gesprochen und traf auf viel Wut und Frustration. Grünt es denn so gar nicht am Hallenboden der Autofabriken?

der Freitag: Herr Dörre, liegt Arbeitern in der Automobilindustrie der Klimaschutz am Herzen?

Klar. Dass in Sachen Klimaschutz was geschehen muss, hat sich über alle Klassen hinweg durchgesetzt. Für den Klimaschutz kann man auch Arbeiter gewinnen. Die Grünen können das aber nicht.

Warum nicht?

Die Grünen gelten vielen Arbeitern als Hauptfeind. Sie und die Klimabewegung werden so wahrgenommen, dass sie Klimaschutz ohne soziale Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit buchstabieren. Und von Produktion keine Ahnung haben.
Können Sie das konkreter machen? Erstmal: Von welchen Arbeitern sprechen wir?
Ich führe mit meinem Team Befragungen unter Beschäftigten der Automobilindustrie durch, auch des Braunkohlereviers oder der Post. Konkret haben wir im VW-Werk im hessischen Baunatal und im Opel-Werk im thüringischen Eisenach mit der dazugehörigen Zulieferindustrie Fallstudien gemacht mit weit über 100 Interviews.

Bei VW spielt wohl die Umstellung auf Elektromobilität eine große Rolle?

Genau. Im Management tritt man sehr selbstbewusst auf, was die Umstellung auf Batterie-elektrische Antriebe angeht, mit dem Gestus: 'Wir setzen auf grünes Wachstum.' Sie wollen zu einem der wichtigsten Plattform-Hersteller für E-Autos in Deutschland werden.

Wie finden das die Arbeiter bei VW so?

Je näher wir dem Hallenboden kommen, desto ausgeprägter wird die Kritik an dieser E-Mobilität. Das erste Argument lautet: Bevor ein E-Golf auf der Straße steht, hat er bis zu 20 Tonnen CO₂ emittiert. Da muss man, je nach Strommix, über 100.000 Kilometer fahren, um überhaupt einen Klima-Vorteil zu haben. Und das zweite Argument lautet: Wenn wir jedes Jahr über acht Millionen neue PKW in den Weltmarkt schieben, dann kann ein solches Geschäftsmodell nicht nachhaltig sein. Dazu kommen die technischen Mängel, die die Fahrzeuge noch haben.

Diejenigen, die unsere E-Autos zusammenschrauben, halten das also für großen Quatsch?

So kann man das zugespitzt formulieren. Die Schlussfolgerung der Betriebsräte ist: Wir brauchen nachhaltige Mobilitätssysteme und der Verkehr muss schrumpfen. Das ist allerdings nicht die Schlussfolgerung, die viele Arbeiterinnen und Arbeiter ziehen.
Sie zitierten in den Blättern für deutsche und internationale Politik einen IG-Metaller, der sich als „Autonarr“ bezeichnet, der große Freude dabei empfindet, seinen PKW auf „weit über 220 km/h zu tunen“, um auf der Autobahn Teslas zu jagen, bis diese „mit überhitztem Motor von der Spur müssen“.

Gegen wen richtet sich diese krasse Wut?

Gegen all diejenigen, die die größeren Portemonnaies haben. Die nicht wissen, was Handarbeit ist. Die nicht wissen, was es heißt, in einem 50-Sekunden-Takt zu arbeiten, die keine Ahnung haben, was es bedeutet, um 5.30 Uhr bei der Frühschicht in Eisenach sein zu müssen: nämlich in Gotha um 3 Uhr früh aufzustehen. Die nicht wissen, was schwere körperliche Arbeit heißt, weil man unter das Fahrzeug klettern muss. Dass man eine Stunde vor der Mittagspause platt ist. Dass es 23 Minuten Mittagspause und zwei Neun-Minuten-Pausen gibt. Warum macht der das alles? Der macht es für 3800 Euro brutto, was in Thüringen für einen Arbeiter außerordentlich viel Geld ist, und er macht es wegen der Kolleginnen und Kollegen, die wie Familie sind und dafür sorgen, dass man sich nicht völlig kaputt macht. So. Und dafür will der aber in seiner freien Zeit tun und lassen können, was er will: 'Da lasse ich mir nicht reinreden.'

Sorry, aber ich muss mal kurz feststellen: Ihr Auto-Arbeiter da verdient mehr als viele von uns Journalistinnen.

Vorsicht, Sie legen da ein falsches Maß an. Sie gehören als Journalistin zu dem, was Soziologen neue prekäre Lohnarbeitsklasse nennen, das heißt, Sie verdienen unter dem gesellschaftlichen Median, aber Sie akzeptieren das deshalb, weil Sie sich inhaltlich mit Ihrer Arbeit identifizieren, stimmt das?

Bestimmt.

Und da Sie beim Freitag sind, verbinden Sie Ihre Arbeit auch noch mit politischen Ideen?

Natürlich.

Dazu gehört ein gehobener sozialer Status, der nicht nur am Lohn hängt, sondern auch am sozialen Background. Sie finden in Ihrer Arbeit Selbstentfaltung.

Das heißt, Ihr Auto-Arbeiter findet Selbstentfaltung nicht auf der Arbeit, sondern auf der Autobahn?

Es ist nicht so, dass man sich bei Opel in Eisenach oder VW in Baunatal gar nicht identifiziert mit der Arbeit. In Eisenach kennt man sich in der Stammbelegschaft seit 30 Jahren, und da sind soziale Bindungen entstanden, die man wertschätzt. Trotzdem gibt es das, was der österreichische Philosoph Günther Anders bezeichnet hat als die Trennung von Produktion und Gewissen. Die Arbeiter werden nicht gefragt, was produziert wird.

Es gibt doch Modelle der Mitbestimmung?

Ja, im Baunatal bei VW wird der Kasseler Weg praktiziert, eine besondere Form des Korporatismus, wo der Feind eher die Zentrale in Wolfsburg ist und nicht das eigene Werksmanagement. Aber selbst dort ist der Einfluss sehr begrenzt. Die Ingenieure von VW haben beispielsweise einen Prototyp eines E-Bikes entwickelt. Ich habe die Fotos gesehen. Sah klasse aus. Jeden Preis hätte ich dafür bezahlt! Der Vorstandsvorsitzende, der damals zuständig war, hat entschieden: Produzieren wir nicht. Es gab auch einen E-Roller, und zwar einen solchen, den man nicht überall rumstehen lassen muss, sondern den man in den Kofferraum packen kann. Wurde nicht gebaut. Und so weiter.

Die Arbeiter werden also stark fremdbestimmt bei der Arbeit, und dann kommen die Grünen und sagen: Wir sagen euch jetzt auch in eurer Freizeit, was tun oder lassen sollt?

Dazu kommt: Die Arbeiterinnen und Arbeiter fühlen sich abgewertet.

Oder gar nicht erst gesehen?

Das auch. Ich frage meine Studierenden gerne in meiner Vorlesung: Wie viele Arbeiter gibt es eigentlich noch in Deutschland, heutzutage? Da hat wirklich mal ein Student geantwortet: 200.000.

Wie groß ist der Anteil der Arbeiter an den Beschäftigten denn tatsächlich?

Als konventionelle Arbeiterklasse bezeichnen wir vorwiegend routinierte, monotone Arbeit, auch wenn sie inzwischen teilweise digitalisiert ist. Das sind etwa noch 34 Prozent der Beschäftigten. Das reicht vom gut verdienenden Arbeiter bei Mercedes-Benz bis zum Lagerist bei Amazon und von der Kassiererin im Supermarkt bis zur Krankenpflegerin. Die Arbeiterschaft ist größer als die Mittelklassen. Sie verschwindet keineswegs.

Haben diese Arbeiter eine politische Heimat?

Es gibt nie die eine politische Orientierung aus einer Klassenlage heraus. Aber wir können feststellen, dass die Grünen nicht in der Lage sind, die Beschäftigten bei Opel oder VW zu erreichen. Und für das Eisenacher Werk berichten die Betriebsräte von erheblichen Teilen der Belegschaft, in denen der Frust und die Wut zur AfD führen.

Aber Wut-Wahl ist etwas anderes als ein politisches Zuhause, oder?

Was politische Parteien angeht, stirbt die Orientierung. Die größte Wahlgruppe unter Arbeitern ist die Wahlenthaltung. Man traut der gesamten politischen Klasse überhaupt nichts mehr zu. Die Wahrnehmung ist: Politiker machen immer das Gegenteil dessen, was sie sagen. Die Wut wird von denen kanalisiert, die sich immer noch den Anschein geben können, dass sie ganz anders als die anderen sind.

Die Linke ist doch auch anders?

Der Linken traut man auch wenig zu. Obwohl es einen spontanen Antikapitalismus gibt: gegen „die da oben, die machen, was sie wollen, und wir haben ohnehin nichts zu melden.“ Die KPÖ in Graz und Salzburg hat es hinbekommen, diese Leute zu erreichen, mit dem Ansatz: „Wir machen, was wir sagen.“ Sie haben eine Gehaltsobergrenze, das macht sie glaubwürdig. Aber in Deutschland? Da sind sich die Arbeiter sicher: Die Politiker haben keine Ahnung von Produktion. Die Arbeiter halten die Grünen für nicht in der Lage, Antworten auf den Klimawandel zu finden.

Wollen die Arbeiter das denn? Eine Antwort auf den Klimawandel finden?

Ja, das wollen sie. In unseren Interviews gibt nur sehr wenige, die das Problem des Klimawandels nicht sehen – selbst unter denen, von denen wir vermuten, dass sie mit der AfD sympathisieren. Die meisten sagen nur: nicht so schnell machen, lieber überlegt. Die spüren ja schon viel Veränderung. Eine Studie des französischen Ökonoms Lucas Chancel von 2022 zeigt, dass die kleinen und mittleren Portemonnaies in den reichen Staaten die Pariser Klimaziele für 2030 erreichen. Das gilt leider nicht für die größeren Portemonnaies, und die wohlhabendsten ein Prozent emittierten 2019 sogar 26 Prozent mehr als vor 30 Jahren.

Sehen die Arbeiter in Baunatal oder Eisenach diese Ungleichheit?

Was sie sehen, ist, dass die Preise für Nahrungsmittel, Mieten und Strom dramatisch gestiegen sind. Da ist in der Alltagswahrnehmung das CO₂-Emittieren im Werk selbst weniger bedeutsam als ein Heizungsgesetz, bei dem man fürchtet, dass die Kosten auf einen selbst abgewälzt werden. Da haben die Grünen schreckliche Fehler gemacht. Wenn mit dem Heizungsgesetz wirklich acht Prozent Mietsteigerungen auf die Mieter zukommen, ist das fatal. Das könnte den Grünen das Genick brechen.

Aber was sollen die Grünen tun? Sie müssen die Klimaziele einhalten, sie müssen also die Heizungswende durchsetzen.

Man muss die soziale Dimension dieser Wende klären, und zwar vorher. Für alle hier in Thüringen hat die Transformation seit 1989 nicht aufgehört. Der Vorwurf, nicht veränderungsbereit zu sein, stößt hier nur noch auf Achselzucken.

Ist der Unmut über grüne Politik unter Arbeitern im Osten nochmal anders als im Westen?

Ja. Nicht, weil die konkreten Zumutungen hier andere wären, sondern weil die Post-DDR-Gesellschaft eine arbeiterliche war und ist. Dazu kommt, dass die meisten Parteien hier nicht langsam aus der Gesellschaft erwachsen sind, sondern aus dem Westen übernommen wurden. Aber es gibt sowohl im Osten als auch im Westen eine Generationsverschiebung. Viele junge Auszubildende sagen uns: Doch, wir können auf etwas verzichten. Und wenn man nachfragt, dann sagen sie: aufs Auto.

Interessant – brauchen die denn kein Auto, um morgens um 5.30 Uhr am Werk zu sein?

Wir sprechen hier von meist migrantischen jungen Arbeitern. Die hängen teils noch in ihrer Herkunftsfamilie, und die haben nicht unbedingt vor, ewig bei VW zu bleiben. Die „Döner Industrie“ ist für viele eine Perspektive. Hier ändern sich Arbeitsmentalitäten. Das gilt für VW in Baunatal.

Wieso gilt das nicht für das Opel-Werk in Eisenach? Weil es eine tief verwurzelte DDR-Tradition der Arbeiterlichkeit und der Autokultur hat?

Auch. Vor allem liegt es aber daran, dass es hier keine jungen Auszubildenden gibt: In Eisenach ist Einstellungsstopp.

  • Klaus Dörre ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Mitautor der Studie Auto- und Zulieferindustrie in der Transformation. Beschäftigtenperspektiven aus fünf Bundesländern

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Der Freitag
by
Elsa Koester
Mon Jun 19 2023

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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Sehr gut gemachte Doku für Alle die das Buch Didier Eribon's Rückkehr nach Reims gelesen oder auch nicht gelesen haben. Über die Sozialisation von Arbeiter:innen im Nachkriegsfrankreich, Klassenauseinandersetzungen, den Niedergang der Parteilinken und dem Aufstieg der Front National. Nicht alles ist auf Deutschland übertragbar, aber vieles. Aber auch jede Möglichkeit einer Rückkehr einer starken radikalen Linken ist angelegt. Lohnt sich

Rückkehr nach Reims

Mit "Rückkehr nach Reims" sorgte der französische Soziologe Didier Eribon international für Aufsehen. In dem Buch reflektiert der selbst aus dem armen Arbeitermilieu stammende Eribon über Themen wie Homophobie, Rassismus, sowie den Wandel der französischen Arbeiterschaft von den 50er Jahren bis heute. Der Dokumentarfilm vertieft Eribons Analyse.

  • Doku, F 2020, 83 Min. Verfügbar : Vom 16/11/2021 bis 28/05/2022

Mit "Rückkehr nach Reims" sorgte der französische Soziologe Didier Eribon international für Aufsehen. In dem Buch reflektiert der selbst aus dem armen Arbeitermilieu stammende Eribon über Themen wie Homophobie, Rassismus, sowie den Wandel der französischen Arbeiterschaft von den 50er Jahren bis heute. Der Dokumentarfilm vertieft Eribons Analyse.
Nach dem Tod seines Vaters reist Didier Eribon zum ersten Mal nach Jahrzehnten der Entfremdung von Familie und Herkunft wieder in seine Heimatstadt Reims zu seiner Mutter. Gemeinsam mit ihr sieht er sich Familienfotos an und hört ihren Erzählungen zu – diese Reise zurück in die Vergangenheit ist Ausgangspunkt des in Ich-Perspektive erzählten Buchs, in dem Eribon seine persönliche Geschichte mit soziologischer Reflexion verknüpft. Die Familiengeschichte, die bis zu seiner Großmutter mütterlicherseits zurückreicht, spiegelt unter anderem die Geschichte der Arbeiterschaft ab den 50er Jahren wider, auf die sich Regisseur Jean-Gabriel Périot in seinem Film konzentriert.
Die filmische Erzählung entsteht aus dem Zusammenspiel einer zusammengestellten Chronologie von Ereignissen bis heute, zeitgeschichtlicher Archivaufnahmen unterschiedlichster Art, Fotos sowie Filmausschnitten. "Rückkehr nach Reims" verquickt kollektive und individuelle Geschichten, Realität und Fiktion. Ist die soziale Ungleichheit, die im Buch als „nackte, ausbeuterische Gewalt“ bezeichnet wird, Ursprung für die teils rassistische Weltanschauung der Arbeiterschaft? Liegt in der Abwertung der Anderen die Aufwertung des Selbstbilds? Welche Zusammenhänge können zwischen der Herkunft der Arbeiterfamilien und der häufigen Hinwendung zu einer rechtsextremen politischen Anschauung gesehen werden? Und warum wird sich ungern zu der Wahl des Rassemblement National bekannt? Der Film begibt sich auf die Suche nach Antworten.