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mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #propaganda #energiepreiskrise #soziale-frage #heimatfront

Mich fröstelt diese Solidarität total

Für den 22. Oktober rufen zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft mitten im Krieg zu mehreren Demonstrationen auf. Während Karl Lauterbach von einem Deutschland sprach, das sich im »Krieg mit Putin« befindet (um wenig später zurückzurudern), hat der Aufruf für diese epochalen Zeiten gerade einmal zwei Worte übrig. Woran liegt das? (von Wolf Wetzel)

Jetzt wird die »Zivilgesellschaft« aktiv, also all die halb- und viertelstaatlichen Institutionen wie ver.di, Compact, GEW, Greenpeace, der Paritätische usw.

Sie rufen für den 22. Oktober 2022 zu mehreren Demonstrationen auf, die einen »solidarischen Herbst« bescheren sollen. Nebenbei soll »solidarische Sicherheit« geschaffen und die »Energiewende« beschleunigt werden (siehe unten)

Wer hätte etwas gegen Solidarität – nicht nur für den Herbst? Wer hätte etwas gegen »solidarische Sicherheit«, wenn man wüsste, wer damit alles gemeint und wer dabei als Gefahr gilt.

Und natürlich ist eine »Energiewende« auch nicht zu verachten.

Aber warum jetzt – für den Herbst?

Alle ahnen es: Es geht um den Krieg in der Ukraine ab Februar 2022, der, ab da, also bitte nur ab da, als »Angriffskrieg« bezeichnet werden darf. Dabei ist sich die »Zivilgesellschaft« nicht zu dumm für Personalisierung, die diese ansonsten als rechtsoffene bis antisemitische Theoreme verpönt. Es ist »Putins Angriffskrieg«, der sie unheimlich empört und aus dem »Sommermärchen« eines Franz Beckenbauer reißt, das vor Korruption und Heuchelei nur so strotzte.

Ach ne, Putin. Und was war vor dem Februar 2022?

Okay, Putin war‘s. Das wäre aber alles nicht so schlimm, also so schlimm wie immer, wenn der Krieg in der Ukraine ab Februar 2022 nicht doch auch Deutschland erreicht.

Eigentlich hat man sich an Krieg und Hunger, woanders, längst gewöhnt. Neben dem Umstand, wie man dagegen kämpfen kann, steht auch außer Frage, dass diese Kriege dort, dieser Hunger dort, eben auch unseren Wohlstand garantiert.

Aber dieser Krieg in der Ukraine ist eben doch anders … als gedacht. Man wollte ihn dort führen, mit Geld und Waffen und blauweißen Fähnchen und Sticker, aber hier davon verschont werden. Dann wäre es ein Luxus und eine Belanglosigkeit zugleich gewesen, dafür oder dagegen zu sein.

Aber jetzt erreicht der Krieg auch uns, hier in Deutschland. Das ist nicht fair! Wir liefern doch nur Waffen und ganz viel Solidarität?

Okay, jetzt sollen wir »frieren«, für die Ukraine, für die Politik der Bundesregierung.

Wer ist daran schuld? Natürlich: Putin!

Wer hat die Nord Stream II, die Gas, sehr günstiges Gas nach Deutschland liefern sollte, torpediert? Wer hat gedroht, ihr ein »Ende zu bereiten«? Was das Putin oder … der US-Präsident Joe Biden? Okay, Schwamm drüber.

Wer hat dafür gesorgt, dass Nord Stream I und II mit einem Sabotageakt, der nur von staatlichen Akteure ausführen werden konnte, in absehbare Zeit, für Gas- und Öllieferungen nicht mehr zur Verfügung steht? Natürlich Putin, weil der einfach so irre ist, sein eigenes Projekt in die Luft zu sprengen.

Und wer glaubt all diesen Bullshit neben der Bundesregierung? Auch die »Zivilgesellschaft«, die nun im Oktober auf die Straße gehen will:

»In diesem Herbst treffen uns die Folgen von Putins Angriffskrieg mit voller Wucht: Viele von uns wissen nicht, wie sie Gas- und Stromrechnung bezahlen sollen. Etliche haben sogar Angst, ihre Wohnung zu verlieren und vom gesellschaftlichen Leben weiter ausgeschlossen zu werden – weil alles teurer wird, Löhne und Transferleistungen reichen nicht mehr aus.« (Aufrufstext)

Wie dreist muss man sein, um den Wirtschaftskrieg, der lange vor dem Februar 2022 begann, ins Gegenteil umzukehren. Es war nicht »Putin«, der diesen Wirtschaftskrieg begann! Es war ganz vorne die US-Regierung, die alles dafür tat, dass es kein »günstiges« Gas aus Russland geben sollte. Sie hat dafür gesorgt, dass Firmen sabotiert wurden, die sich an diesem Projekt beteiligt hatten. Und sie war es, die vom Ende dieser Pipeline profitieren wollte – mit LPG-Gas aus den USA, das um ein zigfaches teurer ist.
Wir frieren schon lange nicht – zusammen.

Es frieren nur jene (noch mehr), die schon immer vom »Wohlstand« ausgeschlossen waren – ganz ohne »Putin«.

Wer plötzlich ein »wir« konstruiert, das es in Deutschland nie gab, der betreibt keine oppositionelle Politik, sondern eine staatstreue Politik, die uns erzählen möchte, dass es »Putin« ist, dem wir eine kalte Wohnung, hohe Energierechnungen und explodierende Lebenshaltungskosten zu verdanken haben.

Wer nur halbwegs bei Trost ist, weiß, dass der Energiemarkt nicht von »Putin« kontrolliert wird, sondern von internationalen Konzernen, die in der Mehrheit nicht in Russland ansässig sind. Sie bestimmen die Preise, sie spekulieren mit den »Rohstoffen«, wie eh und je. Das finden doch alle staatstragende Parteien in Deutschland vollkommen in Ordnung! Denn so ist das Prinzip mit und ohne Krieg: Man profitiert nicht vom Überfluss, sondern vom Mangel. Man profitiert von Krisenstimmungen. »Kaufen, wenn in den Straßen Blut fließt«. Das sagte nicht Putin, sondern einer, der im »freien« Westen zum Milliardär wurde.

Was hat das also alles mit »Putin« zu tun? Verdammt wenig.

Der Mangel an Gas und Öl (in Deutschland) ist ein Ergebnis des Wirtschaftskrieges, den die US-Regierung massiv und die EU-Staaten (einschließlich Deutschland) hingenommen haben. Man kann es auch chronologisch fassen: Dem russischen Einmarsch in die Ukraine 2022 ging der US-geführte Wirtschaftskrieg gegen Russland und ein US-lizensierter Putsch in der Ukraine 2014 voraus.

Heute sind die rot-gelb-grün-schwarzen Politiker sogar für die weitsichtige US-Wirtschafts-Kriegs-Politik dankbar und geißeln sich brav und übermäßig für ihre »Naivität«, mit Russland gute Geschäfte gemacht zu machen. Unentwegt entschuldigen sie sich wie Schuljungen dafür, dass sie das nicht auch so gesehen haben und kaufen jetzt für das Vielfache LPG-Gas aus den USA. Wer jetzt nicht mitinfantilisiert kann sich ausrechnen, wer an diesem Krieg in jeden Fall verdient – ohne die Toten auf dem Schlachtfeld zu zählen.

Der Krieg in der Ukraine ab Februar 2022 wird in besagten Aufruf mit gerade einmal zwei Worten »Putins Angriffskrieg« erwähnt. Das deckt sich mit der Bundesregierung. Das sagen auch die versammelten Politik-Soldaten im und außerhalb des Parlaments. Aber wollen/sollen sich die Demonstrationen vielleicht doch vom Bundesregierungskurs unterscheiden – wenigsten ein bisschen?

Oder verstehen sie sich vielmehr als stand by Regierung, demonstrieren gar nicht wirklich gegen diese Regierung, sondern vor allem gegen jene, die »falsch« demonstrieren:

Damit aus der Krise ein Aufbruch erwächst

»Wir überlassen in diesem Herbst nicht den Spaltern und Hetzern die Straße, sondern geben den vielen Menschen eine Stimme, die solidarisch die Krise stemmen wollen. Damit unsere Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet, muss die Ampel die Kosten der Krise endlich fair verteilen. Wir wollen uns dafür stark machen, dass aus der Krise ein Aufbruch erwächst“, so Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand von Campact und ebenfalls Bündnispartner.« (Aufruf)

Der »erste Schuss« fiel nicht in der Ukraine

Es ist kein großes Geheimnis, dass jedes Wort mehr, jede Erklärung, wie es zu diesem Krieg kommen konnte, wer alles auf diesen Krieg in der Ukraine hingearbeitet, wer die »regelbasierte Weltordnung« gebrochen hat, das Bündnis zum Platzen bringen würde.

Und erst recht würde sich das Bündnis in Staub auflösen, wenn man die Frage stellen und beantworten würde, wer politische und diplomatische Lösungen torpediert, wer Vereinbarungen bewusst und zielstrebig gebrochen hat.

Es geht hier nicht darum, zu sagen, wer den ersten Schuss abgegeben hat, zumal man ja dann auch den Zeitraum festlegen müsste, ab dem man einen Schuss gehört hat.

Es geht darum, welche Rolle gerade die deutschen Bundesregierungen seit 1990 spielen. Dazu könnten doch die Bündnispartner ausreichend und genügend sagen! Warum schweigen sie?

Wenn man also erwähnt, dass alle Zusagen im Rahmen der 2 plus 4-Gespräche im Zuge der »Wiedervereinigung« gebrochen wurden, dass dieser Bruch den Weg in Richtung Russland geöffnet hat, um Zug um Zug vorzurücken (was man dann »NATO-Osterweiterung« nannte), dann wäre doch ein wesentliches Instrument benannt, um hier einiges in die Waagschale zu werfen, um den Mitverursachern dieses Krieges hier den Frieden aufzukündigen.

Der größte gemeinsame Nenner, auf denen sich das Bündnis geeinigt hat, ist doch deutlich herauszulesen: »Putins Angriffskrieg« ist schlimm bis epochal und man darf ihn nicht gewinnen lassen. Über die Mittel schweigt man, dann muss man den eklatanten Bruch der Zusage, keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu schicken, nicht erwähnen bzw. bewerten.

Ich will den Bündnispartner*innen nicht auf die Füße treten – oder doch:

Kann es sein, dass der Krieg gegen Russland (also ganz im Sinne von Karl Lauterbach) eigentlich irgendwie doch in Ordnung ist, wenn man ein paar störende postfaschistische Figuren und Strukturen in der Ukraine wegradieren könnte und wenn man hier vom Krieg nichts spürt, also ins Kino gehen und sich den Film »Im Westen nichts Neues« anschauen kann? Und wenn dann noch dem Krieg on top eine ökologische, nicht-fossile »Zeitenwende« hinzufügt werden könnte, dann ist es doch alles latte (macchiato).

Quellen und Hinweise:
- Solidarischer Herbst – Aufruf: https://www.solidarischer-herbst.de/

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wirtschaft #krieg #russland #eu #nato #usa #imperialismus #sanktionen #energiepreiskrise #wirtschaftskrise #hegemonie

Der Euro ohne deutsche Industrie

Sanktionen gegen Russland führen die EU in die wirtschaftliche Depression. Sabotage von Nord-Stream-Pipelines legt Berlin auf US- und NATO-Kurs fest (Von Michael Hudson)

Der in New York lebende US-Ökonom Michael Hudson (Jahrgang 1939) analysierte bereits 1972 in seinem Standardwerk »Super­imperialism« die Strategie der Vorherrschaft der Vereinigten Staaten. Im folgenden Artikel, den Hudson exklusiv für junge Welt verfasst hat, ordnet er den Wirtschaftskrieg gegen Russland und dessen Folgen ein. (jW)

Die Reaktion auf die Sabotage von drei der vier Nord-­Stream-1- und -2-Pipelines an vier Stellen am Montag in der vergangenen Woche hat Spekulationen darüber genährt, wer für die Tat in Frage kommt und ob die NATO einen ernsthaften Versuch unternehmen wird, die Antwort zu finden.

Doch anstelle von Panik herrschte große diplomatische Erleichterung, ja sogar Ruhe. Die Abschaltung der Pipelines beendet die Ungewissheit und die Sorgen von US/NATO-Diplomaten, die in der vergangenen Woche fast ein krisenhaftes Ausmaß erreicht hatten, als in Deutschland mehrere Demonstrationen stattfanden, bei denen die Beendigung der Sanktionen und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zur Behebung der Energieknappheit gefordert wurden.

Die Öffentlichkeit in Deutschland beginnt zu verstehen, was es bedeutet, wenn ihre Stahlunternehmen, Düngemittelfirmen, Glasunternehmen und Toilettenpapierhersteller schließen müssen. Diese Unternehmen rechnen damit, dass sie ihr Geschäft ganz aufgeben – oder in die Vereinigten Staaten verlagern – müssen, wenn Deutschland die Handels- und Währungssanktionen gegen Russland nicht fallenlässt und statt dessen die Wiederaufnahme der russischen Gas- und Öleinfuhren zulässt, was vermutlich die um das Acht- bis Zehnfache gestiegenen Preise wieder sinken lassen würde.

Fakten schaffen

Die Falkin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, hatte jedoch bereits im Januar erklärt, dass Nord Stream 2 so oder so nicht vorankommen werde, wenn Russland auf die zunehmenden ukrainischen Militärangriffe auf die russischsprachigen östlichen Oblasten reagiere. Präsident Joseph Biden bekräftigte am 7. Februar das Beharren der USA und versprach, dass es »Nord Stream 2 nicht mehr geben w ird. Wir werden dem ein Ende setzen. (…) Ich verspreche Ihnen, dass wir dazu in der Lage sein werden«.

Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass diese Aussagen die offensichtliche Tatsache widerspiegelten, dass deutsche Politiker voll und ganz in der Tasche der USA/NATO steckten. Berlin weigerte sich, Nord Stream 2 zu genehmigen, und Kanada beschlagnahmte bald die Siemens-Dynamos, die benötigt wurden, um Gas durch Nord Stream 1 zu leiten. Damit schien die Angelegenheit erledigt zu sein, bis die deutsche Industrie – und eine wachsende Zahl von Wählern – schließlich zu berechnen begann, was eine Blockade des russischen Gases für die deutschen Industrieunternehmen und damit für die Arbeitsplätze in Deutschland bedeuten würde.

Die Bereitschaft Deutschlands, sich selbst eine wirtschaftliche Depression aufzuerlegen, schwankte – allerdings nicht bei seinen Politikern oder der EU-Bürokratie. Wenn die politischen Entscheidungsträger die Interessen der deutschen Wirtschaft und den Lebensstandard an die erste Stelle setzen würden, würden die gemeinsamen Sanktionen der NATO und die Front des neuen kalten Krieges durchbrochen. Italien und Frankreich könnten diesem Beispiel folgen. Diese Aussicht machte es dringend erforderlich, die antirussischen Sanktionen aus den Händen der demokratischen Politik zu nehmen.

Obwohl es sich um einen Gewaltakt handelt, hat die Sabotage der Pipelines die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und der NATO wieder beruhigt. Es besteht keine Ungewissheit mehr darüber, ob sich Europa von der US-Diplomatie lösen könnte, indem es den gegenseitigen Handel und die Investitionen mit Russland wieder aufnimmt. Die Gefahr, dass sich Europa von den Handels- und Finanzsanktionen der USA und der NATO gegen Russland lossagt, ist scheinbar auf absehbare Zukunft gebannt. Russland hat bekanntgegeben, dass der Gasdruck in drei der vier Pipelines sinkt und dass das Eindringen von Salzwasser die Rohre irreversibel korrodieren wird.

Währung als Waffe

Wenn man sich anschaut, wie dies das Verhältnis zwischen dem US-Dollar und dem Euro beeinträchtigen wird, kann man verstehen, warum die scheinbar offensichtlichen Folgen eines Abbruchs der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, Italien sowie anderen europäischen Volkswirtschaften und Russland nicht offen diskutiert wurden. Die Lösung ist ein deutscher und in der Tat ein europaweiter wirtschaftlicher Zusammenbruch. Das nächste Jahrzehnt wird eine Katastrophe sein. Es mag Vorwürfe über den Preis geben, der dafür gezahlt wird, dass die europäische Handelsdiplomatie von der NATO diktiert wurde, aber die europäischen Staaten können nichts dagegen tun. Bislang erwartet (noch) niemand, dass sich die EU in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit rettet. Was erwartet wird, ist, dass der Lebensstandard der Bevölkerung sinkt.

Die Exporte der deutschen Industrie und das Anziehen ausländischer Investitionen waren wichtige Faktoren, die den Wechselkurs des Euro stützten. Für Deutschland bestand der große Anreiz, von der D-Mark zum Euro zu wechseln, darin, zu vermeiden, dass sein Exportüberschuss den Wechselkurs der D-Mark in die Höhe trieb und deutsche Produkte vom Weltmarkt verdrängten. Die Ausweitung der Euro-Zone auf Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und andere Länder mit Zahlungsbilanzdefiziten verhinderte einen Höhenflug des Euro. Das schützte die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

Nach seiner Einführung im Jahr 1999 zu einem Kurs von 1,12 US-Dollar sank der Euro bis Juli 2001 auf 0,85 US-Dollar, erholte sich jedoch und stieg im April 2008 sogar auf 1,58 US-Dollar. Seitdem ist er stetig gesunken, und seit Februar dieses Jahres haben die Sanktionen den Wechselkurs des Euro unter die Parität zum US-Dollar gedrückt, auf 0,97 US-Dollar in dieser Woche.

Strukturelle Krise

Das größte Problem sind die steigenden Preise für importiertes Gas und Öl sowie für Produkte wie Aluminium und Düngemittel, für deren Herstellung viel Energie benötigt wird. Und da der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar sinkt, steigen die Kosten, um US-Dollar-Schulden zu bedienen – wie es bei Tochtergesellschaften multinationaler US-Unternehmen üblich ist –, und drücken die Gewinne.

Dies ist nicht die Art von Depression, bei der »automatische Stabilisatoren« wirken können, um das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Energieabhängigkeit ist strukturell bedingt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirtschaftsregeln der Euro-Zone das Haushaltsdefizit auf nur drei Prozent des BIP begrenzen. Dies verhindert, dass die nationalen Regierungen die Wirtschaft durch Staatsverschuldung stützen. Höhere Energie- und Lebensmittelpreise – und der Schuldendienst in US-Dollar – werden dazu führen, dass viel weniger Einkommen für Waren und Dienstleistungen zur Verfügung steht.

Der Journalist Pepe Escobar wies in einem Beitrag vom 28. September auf dem iranischen Nachrichtensender presstv.ir darauf hin, dass »Deutschland vertraglich verpflichtet ist, bis 2030 mindestens 40 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr abzunehmen. (…) Gasprom hat einen gesetzlichen Anspruch darauf, auch ohne Gaslieferungen bezahlt zu werden. … Berlin bekommt nicht alles Gas, was es braucht, muss aber trotzdem zahlen«. Es ist mit einem langen Rechtsstreit zu rechnen, bevor das Geld den Besitzer wechselt. Und letztlich wird die Zahlungsfähigkeit Deutschlands immer schwächer werden.

Es mutet seltsam an, dass die Aktienkurse des Dow Jones Industrial Average in den USA am vergangenen Mittwoch einen Anstieg von mehr als 500 Punkten verzeichneten. Vielleicht hat das »Plunge Protection Team« (»Arbeitsgruppe des Präsidenten zu den Finanzmärkten«, von US-Präsidenten Ronald Reagan 1988 installiert, jW) interveniert, um die Welt zu beruhigen, dass alles in Ordnung sei. Doch am Donnerstag gab der Aktienmarkt den größten Teil dieser Gewinne wieder ab, da die Realität nicht länger beiseite geschoben werden konnte.

Der Wettbewerb der deutschen Industrie mit den Vereinigten Staaten endet, was der US-Handelsbilanz zugute kommt. Auf der Kapitalseite jedoch wird die Abwertung des Euro den Wert der US-Investitionen in Europa und den US-Dollar-Wert der Gewinne, die sie noch erzielen können, verringern, da die europäische Wirtschaft schrumpft. Die von den multinationalen US-Konzernen gemeldeten weltweiten Gewinne werden sinken.

Steigende US-Dollar-Schulden

Die Fähigkeit vieler Länder, ihre Auslands- und Inlandsschulden zu begleichen, war bereits an der Belastungsgrenze angelangt, bevor die antirussischen Sanktionen die Weltmarktpreise für Energie und Lebensmittel in die Höhe trieben. Der sanktionsbedingte Preisanstieg wurde durch den steigenden US-Dollar-Kurs gegenüber fast allen Währungen noch verstärkt (ironischerweise mit Ausnahme des Rubel, dessen Kurs in die Höhe geschnellt ist, anstatt zu kollabieren, wie es die US-Strategen vergeblich zu erreichen versuchten). Die internationalen Rohstoffpreise werden nach wie vor hauptsächlich in US-Dollar angegeben, so dass die Aufwertung des US-Dollar die Importpreise für die meisten Länder weiter in die Höhe treibt.

Der steigende US-Dollar erhöht auch die Kosten für die Bedienung von Auslandsschulden in US-Dollar in der Landeswährung. Viele Länder Europas und des globalen Südens haben bereits die Grenze ihrer Fähigkeit erreicht, ihre auf US-Dollar lautenden Schulden zu bedienen, und haben immer noch mit den Auswirkungen der Covid-Pandemie zu kämpfen. Jetzt, da die Sanktionen der USA und der NATO die Weltmarktpreise für Gas, Öl und Getreide in die Höhe getrieben haben und die Aufwertung des US-Dollar die Kosten für die Bedienung der US-Dollar-Schulden in die Höhe treibt, können diese Länder es sich nicht leisten, die Energie und die Nahrungsmittel zu importieren, die sie zum Leben brauchen, wenn sie ihre Auslandsschulden bezahlen müssen. Irgend etwas muss also passieren.

Alternative zur Barberei

Am Dienstag vergangener Woche vergoss US-Außenminister Antony Blinken Krokodilstränen und erklärte, ein Angriff auf russische Pipelines sei »in niemandes Interesse«. Aber wenn das wirklich der Fall wäre, hätte niemand die Gasleitungen angegriffen. Was Blinken wirklich sagen wollte, war: »Frag nicht Cui bono.« Ich gehe nicht davon aus, dass die NATO-Ermittler über die Beschuldigung der üblichen Verdächtigen hinausgehen, die von den US-Beamten automatisch verantwortlich gemacht werden.

Die US-Strategen müssen einen Plan haben, wie sie weiter vorgehen wollen. Sie werden versuchen, eine neoliberalisierte Weltwirtschaft so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Sie werden die übliche Masche für Länder anwenden, die ihre Auslandsschulden nicht bezahlen können: Der IWF wird ihnen das Geld leihen, um sie zu bezahlen – unter der Bedingung, dass sie die Devisen für die Rückzahlung aufbringen, indem sie privatisieren, was von ihrem öffentlichen Eigentum, ihren natürlichen Ressourcen und anderen Vermögenswerten übrig ist, und sie an US-Finanzinvestoren und ihre Verbündeten verkaufen.

Die große Sorge der US-Strategen ist, dass sich Staaten zu einer Alternative zu der von Washington entworfenen neoliberalen Ordnung zusammenschließen könnten. Die USA können das Problem nicht so einfach lösen wie die Sabotage von Nord Stream 1 und 2.

Die Frage ist, ob diese Länder eine alternative neue Wirtschaftsordnung entwickeln können, um sich vor einem Schicksal zu schützen, wie es Europa in diesem Jahr für das nächste Jahrzehnt auferlegt wurde.
- https://www.jungewelt.de/artikel/435973.us-imperialismus-der-euro-ohne-deutsche-industrie.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wirtschaft #schulden #subventionen #doppelwums #energiepreiskrise #eu #brd #italien

Rechtsruck in Italien: Berlin bereitet den Boden

  • Von Heiner Flassbeck (Volkswirt und Publizist. Er arbeitete u. a. als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und als Chefvolkswirt der UNCTAD)

Die italienische Wahl vom 25. September, über deren Ergebnis viele scheinbar schockiert sind, reiht sich nahtlos ein in eine Serie von Wahlen, bei denen die Bürger ihre Frustration über die wirtschaftliche Lage im Allgemeinen und die Rolle der EU im Besonderen zum Ausdruck bringen. Erstaunlich ist nur, dass man in Deutschland nach jedem dieser Ereignisse so tut, als sei man erstaunt – bevor man wieder zur Tagesordnung übergeht.

Auf den Gedanken, auch die Bundesregierung könne ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Frustration in weiten Teilen Europas so gewaltig ist, kann und will selbstverständlich niemand kommen. Berlin macht immer alles richtig, und wenn man Deutschland etwas vorwerfen kann, dann nur, dass es sich zu sehr zurücknimmt, statt die ihm eigentlich zukommende »Führungsrolle« in Europa zu übernehmen.

Die EU-Kommission profiliert sich gern als harter Kämpfer für die »europäischen Werte und Gesetze«, wenn es um relativ kleine mittel- und osteuropäische Länder und deren relativ kleine Verfehlungen geht. Die für Europas Schicksal entscheidende Verfehlung Deutschlands (und der Niederlande), die in den fortwährend viel zu großen Leistungsbilanzüberschüssen dieser beiden Nordländer zum Ausdruck kommt, ist ihr hingegen nicht die Rede wert. Auch zu den Folgerungen, die sich aus den deutschen Überschüssen zwingend für die staatlichen Schulden in Italien ergeben, hört man von der Kommission nichts.

Wen wundert es da, dass sich in den betroffenen Südländern Frust breitmacht, der vor allem diejenigen Politiker trifft, die nicht bereit sind, ihrerseits die Nordländer offensiv anzugehen. In Italien ist man seit langer Zeit auf der linken Seite des politischen Spektrums viel zu vornehm, zu diplomatisch und zu »proeuropäisch«, um die Missstände in der EU deutlich mit Ross und Reiter anzusprechen. Enrico Letta, der Vorsitzende des (sozialdemokratischen) Partito Democratico würde sich eher die Zunge abbeißen, bevor er Kritik äußern würde, die als Kritik an den europäischen Zuständen verstanden werden könnte. Er will der Rechten auf keinen Fall recht geben. Doch genau dadurch stärkt er die Rechte ungemein.

In Deutschland wird jeder italienische Politiker, der sich, wie die zukünftige Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, erdreistet, Berlin offen zu kritisieren, gnadenlos und im Gleichschritt von der Presse und der Politik niedergemacht. Wer etwas Kritisches über die Bundesrepublik sagt, ist ein »Deutschenhasser«. So erstickt man jede sachliche Diskussion im Keim und trägt unmittelbar dazu bei, der nächsten nationalistischen Regierung im nächsten Land zum Sieg zu verhelfen.
- https://www.jungewelt.de/artikel/435879.berlin-bereitet-den-boden.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wirtschaft #gesellschaft #energiepreiskrise

Die Ampel-Politik droht Land und Leute zu ruinieren

Die Ampel hat auf die Krisen unserer Zeit keine Antwort. Während ein paar wenige riesige Gewinne machen, sieht sie tatenlos zu, wie Millionen sozial abrutschen. Wir brauchen den Protest von links

Superlative haben eine kurze Halbwertzeit. Kaum ist die Pandemie halbwegs eingedämmt, überfällt Russland brutal sein Nachbarland. Unentschuldbar! Jetzt rollt eine 10-Prozent-Inflationslawine über Deutschland. Die Verlierer der Unbezahlbarkeit des Lebens sitzen in diesen Tagen in kalten Wohnzimmern und erleben im Fernsehen den Zuchtmeister der Republik, den Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller, der täglich vor normalem Gasverbrauch der Privathaushalte warnt. Die Bürger stehen mit zerknautschten Gesichtern an den Supermarktkassen und fühlen sich zu Recht geschröpft an den Zapfsäulen, die wie ausgestreckte Mittelfinger in der Landschaft stehen. Kinder- und Altersarmut haben bereits vor diesem Winter neue Rekorde geknackt. Es trifft Alleinerziehende, Arbeiter, Familien, Rentner – es trifft die ganz normalen Leute, die nicht wissen, wie sie die nächsten Monate überstehen und die teilweise selbstzufriedene Abgehobenheit der Ampel-Regierung länger ertragen sollen. Denn eines ist längst klar: Der Krisenzenit ist noch nicht einmal erreicht.

Millionen Verlierern stehen Gewinner gegenüber. Die Gehälter der DAX-Vorstände sind hoch wie nie. Und da ist zum Beispiel Cheniere Energy, ein Flüssiggasproduzent aus Texas. Deren Börsenkurs hat sich in den letzten Monaten in etwa verdoppelt. Kein Wunder: Eine Ladung klimaschädliches Frackinggas spült rund 200 Millionen Dollar Gewinn in die texanische Zentrale. Oder Saudi Aramco. Der Öl-Multi in den Händen Mohammed bin Salmans. Der hat in den ersten sechs Monaten des Jahres einen Gewinn von unfassbaren 88 Milliarden Dollar gemacht. Olaf Scholz hat den Kronprinzen – Mörder aus Riad und Feldherr im Jemen – gerade mit Handschlag und einem Lächeln besucht. Wir wollen mehr Energie von dir, lautete die Botschaft. Eine Genehmigung für Rüstungsexporte hatte der Kanzler „passenderweise“ gleich mit im Gepäck.

Keine Sanktionen gegen die Türkei für den Krieg gegen die Kurden, kein Wimpernzucken bei westlichen Angriffskriegen im Nahen Osten, Hofknicks in Saudi-Arabien, Kotau in Qatar, aber keine Energie mehr aus Russland. Das ist eine unerträgliche Doppelmoral, gegen die immer mehr Bürger auf die Straße gehen oder innerlich resignieren.

Prall gefüllte Taschen in Riad und Houston und leere Portemonnaies von Dortmund bis Dresden. Cheniere und Saudi Aramco sind nicht jedem Bürger ein Begriff, der in diesen Tagen auf die Ampel schimpft oder an Demonstrationen teilnimmt. Aber die Menschen haben ein feines Gespür für Heuchelei. Sie wissen, dass nicht alle Verlierer sind wie sie. Und sie ahnen, dass die Bundesregierung die Preise bewusst hoch hält, um den Verbrauch zu senken. Das hat im Übrigen die Bundesregierung der Linksfraktion im Bundestag offiziell in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt. Andernfalls kommt das Land mit Gasspeichern, auf die auch andere Länder zugreifen können, nie und nimmer durch den Winter. Daraus muss nicht die Forderung erwachsen, dass Kanzler und Wirtschaftsminister gebückt nach Moskau wie nach Riad oder Doha reisen. Aber es muss die Frage gestellt werden, wem Sanktionen schaden und wem sie nützen. Die Sanktionen müssen Moskau mehr schaden als uns, das waren die Worte und das Versprechen des Kanzlers. Die Menschen, vor allem in Ostdeutschland, spüren, dass dies nicht eingehalten wird.

Die Lage ist dramatisch. Die Kritik im Land ist gewaltig, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Ampel steigt von Umfrage zu Umfrage. Nur 26 Prozent sind im Osten zufrieden mit der Ampel. Die restlichen 74 Prozent werden medial zu wenig abgebildet. In der rot-grün-gelb-angehauchten Medienlandschaft gibt es noch immer viel Verständnis für die unfassbaren Stümpereien, insbesondere des Wirtschaftsministers. Auch in Teilen der Linken gibt es eine gewisse Beißhemmung gegenüber SPD und vor allem den Grünen. Vielfach schwingt mit: Die können angesichts der Weltlage nicht anders. Die Koalitionäre tun, was sie können. Und wenn sie nicht können, dann nicht, weil sie nicht wollen, sondern wegen des FDP-Finanzministers. Das ist für die Linkspartei eine falsche Herangehensweise. Sie erklärt aber auch, warum die Partei trotz sozialer Krise von historischer Dimension nicht vom Fleck kommt. Bei zweistelliger Inflation sollte auch eine linke Partei Richtung zweistellig gehen.

Wir dürfen die Straße nicht den Rechten überlassen. Die Montagsdemo-Debatte und der Protest in Leipzig am 5. September – der größte Kundgebungserfolg der Linken seit dem Bundestagswahlkampf 2017 – waren erfreuliche Lichtblicke, die die Partei in Umfragen stabilisiert hat. Die Linkspartei sollte daran im heißen Herbst mit deutlich schärferer Kritik an der Ampel anknüpfen, die Land und Leute zu ruinieren droht. Die Verantwortung ist groß. Schafft es die Linkspartei nicht, drohen italienische Verhältnisse auch hierzulande.
- https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-ampel-politik-droht-land-und-leute-zu-ruinieren

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"Doppelwums" und "Energiekrieg": Die Notbremse

Jetzt gibt es also für 200 Milliarden Euro einen »Doppelwumms« (Olaf Scholz), und »Deutschland zeigt hier seine wirtschaftliche Schlagkraft in einem Energiekrieg« (Christian Lindner). Die Herrschaftssprache wird von Krise zu Krise nationalistischer und gewaltnäher, die Summen wachsen nicht im gleichen Tempo.

Für den »Kommunismus der Banker« (Karl Marx), das heißt für die staatsmonopolistische Rettung internationaler Spekulanten, stellte die Bundesregierung 2008 rund 500 Milliarden Euro in einem Sonderfonds bereit. Vor zweieinhalb Jahren feuerte der damalige Finanzminister Scholz in der Pandemie eine Geld-»Bazooka« ab und stellte mit »Wumms« 600 Milliarden Euro für wacklige Firmen ebenfalls in einem Schattenhaushalt bereit. Fürs Grundproblem, das durch Privatisierung ruinierte Gesundheitswesen, war vergleichsweise nichts vorgesehen. Gewiss ist daher: Es wird bei einem ähnlichen Anstieg der Patientenzahlen wie unter Corona kollabieren. Macht aber nichts, denn am lautstärksten waren die Proteste nicht gegen dieses Staatsversagen, sondern gegen das Virus und das Infektionsschutzgesetz – eine negative Coronafrömmigkeit in der Art von Voodoo. Mobilisierung durch Irrationalismus wird aber vom Spätkapitalismus gut ertragen, Gespenstisches gehört zu seiner Existenzweise. Außerdem lenken die Bewegungen erfolgreich von der NATO-Vorbereitung auf Weltkrieg einschließlich des seit 2014 laufenden Kriegs in der Ostukraine ab.

Mit Erfolg. Was im Donbass geschah und jetzt unter anderem mit deutschen Waffen geschieht, wahlloser Beschuss mit rund 15.000 Toten, hat es für vermutlich 90 Prozent der Bundesbürger nie gegeben. »Tagesschau« oder Spiegel berichteten nicht darüber. Für Scholz, Lindner und Robert Habeck, die am Donnerstag den neuesten Sonderfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro mit martialischen Vokabeln präsentierten, gibt es allein »Putins Krieg«. Lindner: »Wir befinden uns in einem Energiekrieg um Wohlstand und Freiheit.« Habeck: Das »ist eine glasklare Antwort an Putin«.

Habecks Schnapsidee »Gasumlage« ist also weg, nun kommen Preisdeckel für Gas und Strom – das bedeutet Erleichterung für viele. »Rettungsschirm« wie 2008 und 2020 heißt die Sache aber nicht mehr, sondern »Abwehrschirm«. Da ist etwas dran: Abgewehrt werden soll mit der vergleichsweise niedrigen Summe vor allem die Wut, deren Vorboten sich im September auf den Straßen zeigten. Die Propagandamasche, an Reallohnverlust und Armutskatastrophe sei allein der moskowitische Fürst der Finsternis schuld, war wirkungslos. Es hat sich herumgesprochen: Auch diese Krise ist in erster Linie selbstgemacht, und die nächste kommt im westlichen Niedergangskapitalismus zuverlässig.....
- https://www.jungewelt.de/artikel/435729.bedingt-abwehrbereit.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #krieg #ukraine #russland #nato #kriegsmüdigkeit #energiepreiskrise #inflation #usa #demokratie #umfrage #wertewesten

Wer hat im Endeffekt mehr zu sagen in der wertebasierten Demokratie: Die Rüstungslobby und Energiekonzerne oder die Bevölkerung? Die tatsächliche Politik gibt die Antwort.

Umfrage: Mehrheit der Amerikaner fordert diplomatische Bemühungen zur schnellen Beendigung des Ukraine-Kriegs

Noch wird die Biden-Regierung ein weiteres 12 Milliarden-Paket auch mit Militärhilfe für die Ukraine als Zusatz zu einem Gesetz zur Vermeidung eines Regierungs-Shutdowns durch den Kongress bringen, aber viele Amerikaner wollen ein Ende des Kriegs, auch wenn die Ukraine Kompromisse eingehen muss.

In den USA scheint nach einer Umfrage die Stimmung gegen die von der Biden-Regierung eingeschlagene militärisch-finanzielle Hilfe bis zum militärischen Sieg der Ukraine und darüber hinaus zu kippen. Nach der vom Quincy Institute for Responsible Statecraft beauftragten Umfrage, die vom 16. bis 19. September online durchgeführt wurde, ist bereits eine Mehrheit der Amerikaner kriegsmüde und dringt auf eine schnelle diplomatische Lösung. Eine Mehrheit geht davon aus, dass der Krieg noch zwei Jahre und mehr dauern wird. Brisant ist die Stimmung, weil die Biden-Regierung noch schnell 12 Milliarden an Militär- und Finanzhilfen für die Ukraine bewilligen will.

57 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, dass die USA diplomatische Verhandlungen aufnehmen sollen, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden, auch wenn die Ukraine dafür Kompromisse eingehen müsste. Nur 32 Prozent lehnen das ab. Nur 30 Prozent gehen davon aus, dass ein Land einen „totalen militärischen Sieg“ erreicht, 57 Prozent sehen – im Unterschied zur Position der US-Regierung – ein Ende des Kriegs am Verhandlungstisch.

47 Prozent sagen, sie sind nur für die Fortsetzung der Militärhilfe, wenn die USA sich an diplomatischen Bemühungen beteiligen, den Krieg zu beenden, 41 Prozent sind für eine fortgesetzte Militärhilfe. 49 Prozent meinen, die Biden-Regierung und der Kongress müssten mehr Diplomatie betreiben, für 37 Prozent wurde hier genug gemacht.

Die Amerikaner rücken also ab von der von der US-Regierung und den Nato-Ländern betriebenen Politik, alles auf die militärische Karte zu setzen und endlos weiter Waffen für einen unabsehbar langen Krieg zu liefern, der immer in der Gefahr steht, sich erweitern zu können, sondern sich endlich zumindest auch diplomatisch zu engagieren und zudem Druck auf die Ukraine diesbezüglich auszuüben. Wenn Interesse an einer schnellen Beendigung des Kriegs am Verhandlungstisch bestünde, müssten die USA und die Nato freilich tatsächlich in offene Verhandlungen eintreten, was sie vor dem Krieg Ende des Jahres verweigerten und damit den Krieg mitverschuldeten (oder provozierten).

Ähnlich wie das in Europa auch mit den steigenden Preisen aufgrund der Sanktionen der Fall sein wird, sinkt die Bereitschaft der Amerikaner, für die eingeforderte „Solidarität“ über Staatsschulden und Steuergeld hinaus auch direkt mit höheren Preisen für die bereits hochverschuldete Ukraine belastet zu werden. 48 Prozent wollen der Ukraine nicht mehr die Unterstützung wie bislang geben, wenn es in den USA und anderswo langfristig zu wirtschaftlichen Problemen führt, 40 Prozent würden trotzdem weiterhin die Hilfe in bisheriger Höhe gewähren. Wenn die Benzin- und Warenpreise in den USA ansteigen, sind schon 58 Prozent gegen weitere Hilfen an die Ukraine in bisheriger Höhe. Über Zweidrittel sagen schon, der Krieg habe ihnen persönlich finanziell geschadet. Und wenn die Ukraine weiter Gebiete verliert, wenn die Zahl der Toten steigt oder ein Atomkrieg droht, wenden sich jeweils um Zweidrittel gegen die Fortsetzung der Unterstützung....
- https://overton-magazin.de/krass-konkret/umfrage-mehrheit-der-amerikaner-fordert-diplomatische-bemuehungen-zur-schnellen-beendigung-des-ukraine-kriegs/

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#politik #energiepreiskrise #eu #brd #soziale-frage

Sonderfall BRD: Einer gegen alle

Vielerorts in Europa gibt es längst Energiepreisdeckel und Übergewinnsteuern. (Von Raphaël Schmeller und Alexander Reich)

Seit Monaten lassen die Energiepreise Abermillionen verarmen, während Energiekonzerne Rekordgewinne machen. Staatliche Gegenmaßnahmen liegen auf der Hand. Viele Regierungen in Europa haben inzwischen Preisobergrenzen festgelegt und/oder »Übergewinnsteuern« für Krisenprofiteure. Zählt man die Länder, die bisher Energiepreisdeckel eingeführt haben, aber keine Sondersteuer, kommt man auf mindestens acht: Frankreich, Portugal, Österreich, Norwegen, Bulgarien, Kroatien, Slowenien und Estland.

Die Mitglieder der Europäischen Union wollen in ihrer Mehrzahl einen EU-weiten Gaspreisdeckel. Am Dienstag schickten 15 der 27 Staaten einen Brief mit dieser Forderung an die EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Unterzeichnet war das Schreiben von Regierungsvertretern aus Belgien, Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Slowenien und der Slowakei.

Die Länder fordern Brüssel auf, einen Gesetzesvorschlag für einen Höchstpreis zu erarbeiten. Die nicht genauer bezifferte Obergrenze solle sowohl für Gaslieferungen aus dem Ausland gelten als auch für Transaktionen an Großhandelsplätzen innerhalb der EU.

Mit dem Deckel könne der Inflationsdruck eingedämmt werden, argumentieren die Staaten. Außerdem könnten so »die Versorgungssicherheit und der freie Fluss von Gas innerhalb Europas gewährleistet« werden.

Gegen sich haben die 15 Länder insbesondere die Regierung der BRD, die seit Monaten auf dem Markt alle EU-Mitgliedstaaten überbietet, um ihre Speicher zu füllen. Gäbe es einen Deckel, könnten die Deutschen den Markt nicht mehr leerkaufen, was die Preise nach oben treibt (von wegen freies Spiel der Kräfte).

Den 15 Verfassern des offenen Briefs gehen die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission nicht weit genug. Brüssel hat bisher auch keine konkreten Pläne für einen Preisdeckel veröffentlicht, zuletzt aber immerhin vorgeschlagen, zunächst einmal »übermäßige Gewinne« von Öl- und Gaskonzernen sowie Stromproduzenten abzuschöpfen und mit dem Geld Verbraucher zu entlasten.

Auch das wird mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aller Voraussicht nach nicht zu machen sein: Keine zusätzlichen Steuern, Festhalten an der Schuldenbremse – das ist sein Mantra. Von Übergewinnen weiß er nicht, ob es sie überhaupt gibt.

Nun gut, der Druck auf die Bundesregierung wächst. Am Mittwoch erklärte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte: »Der Energiepreisdeckel muss jetzt kommen.« Am 8. Juli hatte der Sozialdemokrat einen Antrag auf Prüfung einer Übergewinnsteuer in den Bundesrat eingebracht und war damit an den unionsgeführten Ländern gescheitert. »Die Kluft zwischen den wenigen Gewinnern und den vielen Verlierern wird in der Sommerpause tiefer«, sagte er anschließend – und sollte recht behalten, auch mit einer Alltagsbeobachtung: »Ich bin mir sicher, dass die Menschen im Land merken: Da stimmt etwas nicht. Das kann so nicht richtig sein.«
- mehr @ https://www.jungewelt.de/artikel/435634.energiekrise-sonderfall-brd.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #mieten #energiepreiskrise #soziale-frage #enteignen #vergesellschaftung #dwe

Neue Forderung von DWE: Energiekonzerne vergesellschaften!

Ein Jahr nach dem Volksentscheid: „Sie werden immer reicher, weil wir immer ärmer werden – das muss aufhören!“ +++ Initiative stellt umfangreichen Forderungskatalog auf

Berlin 26.09.2022. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen fordert die Vergesellschaftung von Energiekonzernen. Genau ein Jahr nachdem 59,1 % der Berliner*innen sich für die Vergesellschaftung der Bestände großer Immobilienkonzerne entschieden haben, bezieht die Initiative damit nun auch aktiv Stellung in der bundesweiten Diskussion über Energiekrise und Inflation. Denn während der Senat die schnelle Umsetzung des Volksentscheids blockiert und sich die Mietenkrise zuspitzt, belastet die Energiekrise Mieter*innen zusätzlich.

„Auch Energiekonzerne müssen vergesellschaftet werden“, fordert Kalle Kunkel, Sprecher der Initiative. „Seit unserem Volksentscheid hat sich die Situation deutlich verschlimmert: Die Mieten steigen, die Strompreise steigen und die Gaspreise explodieren. Viele von uns wissen nicht, wie sie über den Winter kommen sollen. Und währenddessen fahren die Konzerne weiterhin saftige Gewinne ein. Sie werden immer reicher, weil wir immer ärmer werden – das muss jetzt aufhören!“

Die Initiative weist darauf hin, dass die Vergesellschaftung von sowohl Immobilien- als auch Energiekonzernen eine dauerhafte und sichere Entlastung für Mieter*innen darstellt. Sie kritisiert nachdrücklich, dass die Konzerne mit Gütern der Daseinsvorsorge Profite erzielen.

„Wohnen, heizen, mit warmem Wasser duschen – und seien es nur drei Minuten – wir Menschen sind auf diese Dinge angewiesen. Niemand sollte sich daran bereichern dürfen. Doch private Unternehmen nutzen die aktuelle Krise schamlos aus, um ihre Profite auch noch auszuweiten. Und die Politik schaut dabei zu“, erklärt Kunkel weiter.

Die Forderung nach Vergesellschaftung von Energiekonzernen bildet einen zentralen Punkt eines Forderungskatalogs zur Inflationskrise, den die Initiative zum Jahrestag des Volksentscheids veröffentlicht hat.

„Einmalzahlungen, Energiesparstipps und Subventionierung von Konzernen durch die Gasumlage helfen niemandem auf lange Sicht. Das einzige zukunftsfähige Mittel gegen die Inflationskrise ist die Überführung der Energie- und Immobilienkonzerne in Gemeineigentum. Doch die Krise ist akut und deshalb unterstützen wir eine Reihe von Sofortmaßnahmen wie einen Energiepreisdeckel, das Verbot von Indexmietverträgen sowie den sofortigen Stopp von Kündigungen und Zwangsräumungen“, so Kunkel abschließend.

Die Inititative Deutsche Wohnen und Co. enteignen fordert:

  1. Wohnungskonzerne vergesellschaften – Energiekonzerne enteignen!
  2. Strombörse abschaffen
  3. Indexmietverträge abschaffen!
  4. Gasumlage abschaffen! Kaltmieten senken! Energiepreise deckeln!
  5. Sofortiger Kündigungsstopp – Zwangsräumungen verhindern!
  6. Ökologische Sanierung der Bestände – sofort & mietenneutral!

Das gesamte Forderungspapier können Sie hier herunterladen.

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#politik #wirtschaft #energie #erdgas #energiepreiskrise #vergesellschaftung #demokratie

Erdgas | Uniper sollte nicht nur verstaatlicht, sondern vergesellschaftet werden

Die Verstaatlichung von Uniper ist nur ein Anfang: Jetzt muss die Vergesellschaftung folgen, um das Unternehmen unter demokratische Kontrolle zu bringen

...Die Verstaatlichung bietet jetzt die Möglichkeit, die Gaslieferungen für den Winter sicherzustellen und auch den betroffenen Stadtwerken Hilfspakete anzubieten. Das kann aber nur die kurzfristige Lösung sein. Denn die mittel- bis langfristige Perspektive wäre, einen staatlichen Versorger so umzubauen, dass er nicht mehr auf russisches Gas oder überhaupt fossilen Brennstoff angewiesen ist. Nur wenn der Staat die Mittel dafür bereitstellt, wäre es auch möglich, diesen Übergang zu schaffen.

Dafür ist allerdings notwendig, dass es eine politische Debatte darüber gibt, wer die Krisenkosten für diese Maßnahmen trägt. Werden die Kosten direkt an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben? Ist es eine Subventionierung des Unternehmens auf Kosten der Mehrheit, also de facto Umverteilung von unten nach oben? Oder werden auch Krisenprofiteure an der Rechnung beteiligt, etwa durch eine Übergewinnsteuer für die Unternehmen, die an Pandemie und Krieg sogar noch übermäßig verdient haben? So ließe sich die Last gerechter verteilen.

Dies diskursiv auszuhandeln ist für eine Demokratie unabdingbar, weil sie ohne Beteiligung durch die betroffenen Menschen in sich zerfällt. Schlimmstenfalls zahlen die Menschen für die Rettung eines Unternehmens, das nach dem Winter wieder privatisiert wird und nach dem gleichen Geschäftsmodell funktioniert wie vorher. Um dies zu verhindern, gilt es nicht nur zu verstaatlichen, sondern Konzerne wie Uniper auch zu vergesellschaften.

Wie bei der Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen, worüber im Volksentscheid in Berlin genau vor einem Jahr abgestimmt wurde, geht es darum, einen Konzern nicht nur aufzukaufen, sondern ihn anschließend auch demokratisch zu kontrollieren. Im Falle Unipers würde das bedeuten, dass auch Beschäftigte und überhaupt betroffene Menschen mitentscheiden können, wie Uniper umgebaut und wie zukünftig Energie auch durch andere als fossile Brennstoffe erzeugt werden kann und welche Investitionen es dafür braucht.

Die Verstaatlichung ist erst einmal nur der Notnagel in einer verschärften Krisensituation. Es gibt keine Garantien, dass der Staat daraus das Beste macht, geschweige denn die Kosten angemessen verteilt. Das kann nur kontrolliert werden, wenn sich die Eigentümerstruktur tatsächlich ändert, mehr Menschen an den Entscheidungen beteiligt werden und die Ziele des Unternehmens dem Gemeinwohl folgen. Dies wäre energiepolitisch sinnvoll und überdies der einzige Weg, die notwendige ökologische Transformation auch demokratisch zu legitimieren und die Menschen dabei mitzunehmen. So birgt die Krise auf einmal jähe Chancen. Werden wir sie nutzen können?
- https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/uniper-sollte-nicht-nur-verstaatlicht-sondern-vergesellschaftet-werden

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#politik #energiepreiskrise #call-to-action #demo #kaiserslautern

Genug ist genug – Auf die Straße gegen steigende Preise!

Heißer Herbst gegen soziale Kälte – soll sich doch die Regierung warm anziehen!

  • Demonstration in Kaiserslautern Montag 26. September, 18 Uhr Marktstraße, Platz vor der Stiftskirche

Die Preise für Lebensmittel, Strom und Gas gehen durch die Decke. Aber viele Konzerne machen mit Krieg und Krise extra Gewinne. Es wird immer deutlicher: Die Zeche für Krieg und Krisen zahlen wir. Wir, die einfachen Leute, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen, kleinen Selbstständigen, Kleingewerbetreibenden, Geflüchteten und Armen.

Während die Preise für Lebensmittel und Energie explodieren und viele Menschen von Armut bedroht sind, steigen die Gewinne der Energiekonzerne – so hat z.B. der Ölkonzern Shell im Frühjahr seinen Gewinn verfünffacht! Die regierende Ampel-Koalition muss diese Übergewinne besteuern und 100 Milliarden Euro für ein Entlastungspaket einnehmen, das Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlastet. Jetzt müssen auch die Reichen zahlen!

Wir sagen: Schluss mit unsozialer Politik und hohen Preisen, da machen wir nicht länger mit! Wir brauchen eine Wirtschaft im Sinne der Menschen, öffentliche Energieversorgung und eine soziale Politik für alle!

Aus diesen Gründen fordern wir:
1. Weg mit der unsozialen Gasumlage!
2. Die Preise für Strom und Gas staatlich regeln! Der Grundbedarf muss bezahlbar bleiben!
3. Energieversorgung gehört in die öffentliche Hand!
2. Weiterführung des 9€-Tickets und Ausbau des Nahverkehrs!
3. Anpassung von Löhnen und Sozialleistungen an die Inflationsrate!
4. Übergewinnsteuer einführen, Vermögensabgabe für Millionäre!
5. Energie und Essen müssen bezahlbar sein!

Lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen, gegen die steigenden Preise und für eine solidarische Gesellschaft! Nur gemeinsam sind wir stark – hoch die internationale Solidarität! Rassisten und Neonazis können uns gestohlen bleiben.

Sozialforum KL
Die Linke Kaiserslautern
Solid – Linksjugend Kaiserslautern
DKP Kaiserslautern

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #energiepreiskrise #soziale-frage

"Die Mehrheit wird beim Frieren noch für dumm verkauft."

Das ist der Stand der Dinge in der bundesrepublikanischen Klassengesellschaft: Wer als Friseur oder Verkäufer immer von der Hand in den Mund gelebt hat, muss hungern oder frieren oder beides. Wer mit dem Bau von Autoteilen etwas zurücklegen konnte, sieht die Galgenfrist ablaufen. Und auch in den nächsthöheren Einkommensgruppen werden die ersten Städtereisen storniert, die ersten Sonderangebote angenommen. Die Angst geht um, und es ist erst der Anfang.

»Seit den 90er Jahren driften die Einkommen auseinander, mehr noch die Vermögen«, heißt es dazu in der Spiegel-Titelstory. Bisher sei das kein Problem gewesen, »weil darunter vor allem die untersten 20 Prozent litten. Die, so hart das klingen mag, im Land traditionell eher wenig zu sagen haben. Heute aber geht es auch um die Mitte.« Verbunden wird das mit dem obligatorischen Warnhinweis: »Ungerechtigkeit, wenngleich auch nur gefühlte, fördert Populismus und Extremismus.«

Die Ungerechtigkeit »nur gefühlt« zu nennen, ist Ausdruck von Klassenbewusstsein. So geht der Kampf von oben. Die Mehrheit wird beim Frieren noch für dumm verkauft.
- aus https://www.jungewelt.de/artikel/435072.inflation-zu-wenig-brutto-f%C3%BCr-netto.html

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#politik #energiepreiskrise #wirtschaftskrise #sanktionen #eu #ukraine #russland #werte #kapitalismus #satire

Unsere Werte sind das wert

Rede zur Lage der Union von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Die Ursprungsfassung (Von Fabian Lambeck)

Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Europa ist im Krieg. Es ist ein Krieg, den der russische Präsident Putin vom Zaun gebrochen hat. Aber wir kapitulieren nicht, wir halten dagegen! Wir lassen nicht zu, dass sich der russische Despot die Ostukraine unter den Nagel reißt. Wir lassen nicht zu, dass russische Propaganda unseren Zusammenhalt untergräbt. Während Putins Armee-Bataillone in der Ukraine stehen, sind seine Propaganda-Bataillone schon mitten in Europa. Dank Facebook, TikTok und Instagram sind sie sogar schon in Ihrem Kopf, verbreiten falsche Narrative und schwächen Ihren Glauben an unsere Demokratie.

Nun mögen einige einwerfen, dass meine »Wahl« zur Kommissionspräsidentin dem Ansehen der europäischen Demokratie mehr geschadet hat, als der Ausstoß sämtlicher Trollfabriken in St. Petersburg. Doch nur weil ich 2019 Präsidentin wurde, obwohl ich gar nicht zur Wahl stand, heißt nicht, dass Sie keine Wahl hatten. Da die Spitzenkandidaten der europäischen Parteifamilien beim französischen Präsidenten durchgefallen waren, hat man mich erwählt. Jawohl, ERWÄHLT und nicht gewählt. Als Kommissionspräsidentin bin ich die Erwählte, eine moderne Jeanne d’Arc. Als oberste Heerführerin führe ich Sie in die Verteidigungsschlacht gegen Russland und seine Lügen.

Hier tobt ein Kampf zwischen Demokratie und Autokratie. In einer Autokratie entscheidet der Autokrat. In einer Demokratie entscheiden Sie! Natürlich gibt es Entscheidungen, die zu wichtig sind, als dass man sie den Wählerinnen und Wählern überlassen darf. Und seien wir mal ehrlich: Gerade Europapolitik ist oft furchtbar kompliziert und langweilig. Deshalb kümmern wir uns darum – für Sie. Das nennt man repräsentative Demokratie.

Wir tragen die Bürde des Amtes, Sie die Konsequenzen

Und wer stimmt schon freiwillig dafür, dass es ihm zukünftig schlechter gehen wird? Sehen Sie, deshalb treffen wir diese wichtigen Entscheidungen für Sie. Wir tragen die Bürde des Amtes, Sie die Konsequenzen. Denn das Prinzip der Lastenteilung ist das Fundament unserer sozialen Marktwirtschaft. In solchen Zeiten fällt es natürlich schwer, sich um die kleinen Dinge zu kümmern. Was ist schon eine Gasrechnung, wenn der Russe tief in einem demokratischen Land steht, dem wir nun den Kandidatenstatus verliehen haben? Sie fragen sich vielleicht, warum wir das getan haben. Schließlich erfüllt die Ukraine kaum ein Aufnahmekriterium. Doch darum geht es gar nicht. Wir wollten ein Zeichen setzen: Putin, du kriegst die Ukraine nicht! Schließlich sind wir nicht erst seit Kriegsbeginn an der Ukraine und ihren natürlichen Ressourcen interessiert.

Wir verwahren uns gegen die russische Propaganda, wonach die Nato eine Mitschuld an diesem sinnlosen Krieg trägt. Denn so wird die Rolle der EU bewusst ausgeblendet. Wir wollten die Ukraine schon früh ins westliche Lager ziehen, als sie noch unentschlossen zwischen den Blöcken lavierte. Und hätte der damalige Präsident Janukowitsch das EU-Assoziierungsabkommen einfach unterschrieben, dann hätte es keinen Euromaidan gebraucht, um das Land in unsere Wertegemeinschaft zu holen. Dann könnten wir heute in Jalta am Strand liegen. Stattdessen liegen jetzt Zehntausende in ihren Gräbern. Und das nur, weil Putin nicht einsehen wollte, dass die Ukraine zu uns gehört. Wir wollten am großen Rad der Geopolitik drehen und hatten geglaubt, dass Putin die Ukraine einfach ziehen lässt, wenn sie sich vertraglich an uns bindet.

Deshalb zwingen wir ihn nun mit Wirtschaftssanktionen in die Knie. Allein das Zustandekommen dieser Sanktionen zeigt doch eindrucksvoll, dass wir keine Autokraten sind. Zahlreiche Ausnahmen für einzelne Mitglieder sind ein Beweis für unsere Pluralität und Toleranz. Zumal wir immer noch russisches Öl und Gas beziehen, allerdings müssen wir es jetzt teuer in Ländern wie Indien einkaufen, die die Sanktionen nicht mittragen. Während in Moskau die Autoersatzteile knapp werden, wandern hier womöglich ganze Industriezweige ab. Geht doch dahin, wo die Energie billig ist, rufe ich diesen Defätisten hinterher! Je weniger die Industrie verbraucht, desto mehr Gas bleibt für Sie und Ihre Liebsten!

Wir kaufen nun das Frackinggas of Freedom

Wir werden in diesem Winter wahrscheinlich genug Gas haben, nur leider wird sich das nicht jeder leisten können. Das billige Gas der Knechtschaft aus Sibirien wollen wir nicht mehr. Stattdessen kaufen wir nun das Frackinggas of Freedom von unseren Partnern aus Amerika. Das hat allerdings seinen Preis. Zu Recht. Allein die vielen giftigen Chemikalien, die da in den Boden gepumpt werden müssen, um das Gas aus dem Gestein zu lösen. Was das kostet! Seien Sie froh, dass die Amerikaner für Geld ihr eigenes Trinkwasser vergiften und nicht unseres! Die USA sind ein verlässlicher Gaslieferant. Zumindest, bis Trump die nächste Wahl gewinnt.

Es gibt auch andere zuverlässige Exporteure: Algerien ist einer unserer größten Gasversorger und erpresst bereits Spanien, weil Madrid den Erzfeind Marokko hofiert. An dieser Stelle geht ein herzlicher Dank an den aserbaidschanischen Präsidenten Alijew. Unser neuer Energiepartner mag ein Despot sein, aber im Gegensatz zu Putin führt er nur Kriege gegen Länder, die uns egal sind. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und Armenien eindringlich bitten, die Provokationen einzustellen! Lassen Sie die Friedenstruppen aus Aserbaidschan ungehindert einmarschieren! Ihr Starrsinn und Ihre Angst vor einem neuen Genozid gefährden die Energieversorgung Europas! Ich betone hier noch einmal: Wir stehen für eine wertegeleitete Außenpolitik. Unsere Werte sind der Mehrwert und der Geldwert.

Der Markt entscheidet, nicht der gesunde Menschenverstand

Ein Wort noch zum Klimaschutz. Der ist natürlich wichtig. Wir als Europäerinnen und Europäer wissen das. Spätestens nach diesem Hitzesommer dürfte allen klar sein, dass wir Ventilatoren und Klimaanlagen aus europäischer Produktion brauchen. Wir müssen hier unabhängig werden von China. Sonst machen wir uns erpressbar. Seien wir ehrlich: Die Kipppunkte des Weltklimas sind demnächst erreicht: Die Permafrostböden tauen, das arktische Eis schmilzt und der Regenwald im Amazonas verschwindet. Angesichts dieser Entwicklung macht es keinen Sinn, unsere Wirtschafts- und Lebensweise durch radikale Maßnahmen zu gefährden. Adaption statt Revolution – das ist unser Motto.

Wir werden weiterhin jeden Tag im Stau stehen, viel zu viel Fleisch essen und Lebensmittel aus der ganzen Welt einfliegen lassen. Apropos Fliegen: Wir werden auch auf innereuropäischen Kurzstrecken weiterhin fliegen, weil die Züge dank der von uns angestoßenen Liberalisierung des Schienenverkehrs kaum noch grenzüberschreitend fahren. Und wenn doch, dann zum vielfachen Preis eines Flugtickets. Denn hier bei uns entscheidet der Markt und nicht der gesunde Menschenverstand. Den jungen Menschen Europas rufe ich zu: Hört auf zu meckern und zu protestieren! Arbeitet stattdessen aktiv mit an der Zukunft. Entwickelt stromsparende Klimaanlagen und leise Ventilatoren. So bewahrt ihr auch in der schlimmsten Klimakrise einen kühlen Kopf.

Uns allen wünsche ich einen milden Winter und meine Zuversicht. Vielen Dank!

  • Am Mittwoch hielt Ursula von der Leyen ihre Rede zur Lage der Union. Noch kurz vor ihrem Auftritt im Europäischen Parlament wurde die State of the Union auf Wunsch der Präsidentin komplett umgeschrieben. Das ist schade, finden wir. Denn in der Ursprungsfassung finden sich viele interessante Gedanken und Einsichten. nd-Redakteur Fabian Lambeck wurde das ursprüngliche Redemanuskript zugespielt. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166997.rede-zur-lage-der-eu-unsere-werte-sind-das-wert.html
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#politik #energiepreiskrise #klimagerechtigkeit #solidarität #organisierung #internationalismus

Proteste allein führen nicht aus der Krise

Klimagerechtigkeit & Soziale Frage: Organisierung auf Augenhöhe

Die nächste Krise, die auf die Menschheit der 2020er Jahre zurollt, nennt sich also »Energiekrise«. Während die Linke sich noch im Post-Corona-Koma befindet, ist sie auch in Schockstarre, während in diesem Sommer auf der gesamten Welt eine Klimakatastrophe auf die nächste folgt – egal ob hier die Rheinpegel auf Rekordtief sind oder die Flut in der pakistanischen Provinz Belutschistan eine halbe Million Menschen obdachlos gemacht hat.

Und jetzt also Energiekrise. Der Begriff deckt jedoch nicht alles ab, was uns bevorsteht. Es ist eine Teuerung und Inflation mit Auswirkungen in genau den Sektoren, die die Menschen am meisten zum Leben brauchen: Strom, Lebensmittel, Benzin, Wohnraum, bald auch Wasser. All diese Dinge, die man ganz unten auf der Maslow-Pyramide (Modell für die Hierarchie menschlicher Bedürfnisse, d.Red.) findet und am elementarsten sind. Bedürfnisse, um die, wie uns der Kapitalismus versprochen hat, wir nie wieder bangen sollten. Weil wir ja in einem nie vorher gesehenen »Wohlstand« leben dürfen.

Die Not, Wut und Angst werden diesen Herbst groß. Man könnte sagen, dass es wieder eine Krise ist, die wirklich alle betreffen wird, genau wie die Klimakatastrophe. Aber genau wie bei dieser sind wir alle im gleichen Sturm, jedoch auf komplett unterschiedlichen Booten. Wieder werden die Ärmsten, die von Rassismus Betroffenen, die Kranken, die Menschen mit Behinderung etc. am meisten unter dieser Krise leiden. Dass laut Prognosen jetzt bis zu zwei von drei Haushalten an ihre finanziellen Grenzen und darüber hinaus gehen müssen, um das Nötigste zum Leben zu zahlen, ist ein buchstäbliches Armutszeugnis des ökonomischen Systems, in dem wir leben.

Zugang zu klimafreundlicher, bezahlbarer Stromversorgung zu haben, ist Teil der Klimagerechtigkeit, die überall gefordert wird. Die Rufe nach Protesten sind laut – von rechts wie von links. Und ja, wir müssen die Straßen einnehmen, wir müssen politische Kampagnen fahren und breite Bündnisse schaffen im Kampf gegen eine rechte Vereinnahmung. Aber es darf nicht bei reaktionären, performativen Massendemonstrationen und bei Kampagnenarbeit mit linken Gruppierungen bleiben, die Teil der gleichen Blase sind – wofür die Klimabewegung bekannt ist. Die Menschen, die am meisten unter der Energiekrise leiden, sind die, die auch am meisten unter den Folgen der Klimakatastrophe zu leiden haben. Meine Eltern kommen aus den tamilischen Gebieten Sri Lankas – dort haben die Energiepreise und jahrzehntelange Korruption dazu geführt, dass sich die Menschen seit Monaten kein Benzin leisten können, ständig fällt der Strom aus. Ein Viertel der Bevölkerung lebt gleichzeitig in Küstenregionen, welche bei der nächsten Flut direkt betroffen wären. Auch in Deutschland warnt der Städte- und Gemeindebund vor Stromausfällen. 13,6 Millionen Menschen leben hier an der Armutsgrenze. Wenn der Strom ausfällt, sind es diejenigen, die keine Ressourcen haben werden, um wie empfohlen Essen für zwei Wochen zu horten.

Solange die deutsche Klimabewegung es nicht schafft, genau diese marginalisierten Menschen zu erreichen, ist es keine Klimagerechtigkeitsbewegung. Solange die deutsche Klimabewegung es nicht schafft, für Klimareparationen für Länder des Globalen Südens einzustehen, haben wir keine Klimagerechtigkeitsbewegung.

Diesen Herbst kann sich entscheiden, ob wir als Linke es nicht nur schaffen, über unsere Kernthemen hinaus geschlossen zu kämpfen, sondern auch, wie wir mit den Menschen umgehen, für die diese Krise den finanziellen Ruin bedeutet und eben nicht nur eine ökonomische Anstrengung. Ob wir es schaffen, nicht nur Parolen zu rufen, sondern auch materielle Entlastung zu organisieren. Ob wir es schaffen, in ihre Räume zu gehen, mit Menschen zu sprechen, die nicht unsere Sprache sprechen, uns mit unseren Nachbar*innen, der Frau an der Supermarktkasse, dem Postboten und der Reinigungskraft zusammenzuschließen. Denn ihnen müssen wir die Lüge vom »Wohlstand« im Kapitalismus nicht erklären – mit ihnen müssen wir uns auf Augenhöhe organisieren.
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1166960.klimagerechtigkeit-organisierung-auf-augenhoehe.html

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #wirtschaft #energiepreiskrise #soziale-frage #politikversagen

"Wenn wir demnächst wieder von einem neuerlichen Entlastungspaket sprechen, sollten wir als dann demonstrierendes Volk die Courage aufbringen, ein letztes Entlastungspaket einzufordern. Eines, das den Runterwirtschaftsminister ersetzt, die Außenministerin rauswirft und den Bundeskanzler in die Rente und den nächsten Untersuchungsausschuss schickt: Es sollte kurz gesagt ein Entlassungspaket sein. Ob es dann besser wird, weiß man nicht: Aber sich von diesen Dilettanten zu lösen, das hat auch was mit Selbstachtung zu tun. Aber womöglich hat die schon längst Insolvenz angemeldet."

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

„Der Gas- und Strommarkt ist ein Kartell, das Menschen und Wirtschaft schädigt und zerstört. Wer da noch zuschaut, macht sich mitschuldig.“

  • Christian Kern (SPÖ)

#politik #wirtschaft #energie #strom #gas #energiepreiskrise #inflation #armut #spekulation #kapitalismus

Energiepreisschock: Willkommen in der Trümmerlandschaft der Marktliberalisierung

Die extrem steigenden Energiepreise sind keine Naturkatastrophe, sondern menschengemacht: Wir stehen vor dem Scheitern der Idee, die Energieversorgung Angebot und Nachfrage zu überlassen

Es rollt ein Tsunami auf uns zu, liest man jetzt oft: Eine Flutwelle aus Teuerungen, Gasrechnungen und Stromnachzahlungen, die sich haushoch auftürmt, uns alle zu überrollen. Ein gigantischer Energiepreisschock. Experten schätzen die daraus folgenden Mehrkosten für Deutschland auf mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Für Durchschnittsverdiener würde das bedeuten, dass 2023 mindestens ein Nettomonatsgehalt von zusätzlichen Strom- und Gaskosten aufgefressen wird. Mindestens, vielleicht aber auch zwei. Eine Rezession wäre die unausweichliche Folge. Das ist also der anschwellende Tsumani.

Aber ist es wirklich eine Naturkatastrophe, die über uns hereinzubrechen droht? Nein, keineswegs, das Bild führt in die Irre. Der Schlamassel ist gänzlich selbst eingebrockt. Denn das, was wir gerade erleben, ist das Scheitern der marktbasierten Energieversorgung. Das, worin wir von jetzt an leben, ist die Trümmerlandschaft der liberalisierten Strom- und Gasmärkte.

Diese apokalyptische Szenerie sieht so aus: An der Strombörse in Leipzig kostete am Montag eine Kilowattstunde Grundlaststrom zur Lieferung im nächsten Jahr zeitweise mehr als ein Euro. Das ist astronomisch, wenn man bedenkt, dass die Kilowattstunde Strom für Haushalte 2021 noch 32 Cent kostete und dabei fast zwei Drittel aus Steuern und Netzentgelten dabei waren, was bei dem Strompreis an der Leipziger Börse noch gar nicht eingerechnet ist. Beim Gas, mit dem die Hälfte der Haushalte ihre Wohnungen über den Winter heizen, droht ein ähnlicher Schock: Der Großhandelspreis hat sich über die vergangenen zwölf Monate verzehnfacht.

Der Markt funktioniert – für die Profite der Konzerne

Man muss kein Politikwissenschaftler sein, um sich auszumalen, was das für eine Gesellschaft bedeuten kann. Und man muss keine Ökonomin sein, um vorauszusehen, was es für eine Volkswirtschaft heißt, wenn Durchschnittsverdiener auf einmal fast kein frei verfügbares Einkommen mehr haben: keine Restaurantbesuche mehr, keine Flötenstunden für die Kids, keine neuen Geschirrspüler, keine neuen Schuhe, keine Urlaube. Also Rezession. Aber hey, mit dem Markt ist alles in Ordnung: Angebot und Nachfrage! Die Energieunternehmen juckt es wenig, wenn wir frieren.

Klingt das übertrieben? Dann kann als Gewährsmann ein Politiker dienen, der jeder Radikalität unverdächtig ist: der frühere österreichische Kanzler Christian Kern, seines Zeichens Sozialdemokrat. Kern sagt: „Der Gas- und Strommarkt ist ein Kartell, das Menschen und Wirtschaft schädigt und zerstört. Wer da noch zuschaut, macht sich mitschuldig.“ Seit zwei Jahrzehnten heißt es, der Markt werde dafür sorgen, dass Strom und Gas effizienter produziert werden. Und günstiger. Das wäre ja auch das einzige Argument dafür, die Versorgung von Grundbedürfnissen, auf die wir alle angewiesen sind, dem Markt, also privaten profit-orientierten Unternehmen, zu überlassen.

Doch es zeigte sich – und jetzt gerade in besonders grotesker Form –, was viele ahnten und einige wussten. Der Markt funktioniert tatsächlich effizient, sehr effizient sogar: aber für die Konzerne, nicht für die Verbraucher. Für die Profite der Energiefirmen, aber nicht für das Klima. Warum? Weil der Markt sich nach Angebot und Nachfrage richtet, und nicht nach den wahren Kosten. Weil er als Anreiz allein das Profitstreben kennt und nicht die Bedürfnisse der Menschen.

Wie Junkies vor dem Dealer: Wir brauchen den Stoff

Weshalb auch die Spekulation kein „Versagen“ des Marktes ist, sondern sein Herz. Wann immer ein Gut knapp wird, der Preis nur eine Richtung kennt, gibt es Geld zu verdienen. Und je mehr die Käufer angewiesen sind auf das Gut, je dringender sie es brauchen, desto eher werden sie jeden Preis zahlen. Wir sind auf dem Gasmarkt nun mal keine „Marktteilnehmer“, die ihre Nachfrage beliebig dem Preis anpassen oder gar schnell mal die Heizungsart wechseln können: Wir sind wie Junkies vor dem Dealer. Wir brauchen den Stoff.

Das Problem wird durch die Art potenziert, wie unser Strommarkt funktioniert: Den Preis bestimmt stets jenes Kraftwerk, das als letztes – und damit teuerstes – zugeschaltet wird, um die Nachfrage zu decken. Wenn das ein Gaskraftwerk ist, mit dessen Brennstoff gerade Spekulanten wilde Sprünge aufführen: Pech gehabt, dann geht eben der Strompreis durch die Decke. Warum? Wegen des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage.

Es liegt auf der Hand, was eine fortschrittliche Bundesregierung jetzt tun müsste. Gewiss ist es sinnvoll, umfangreichere und zielgenauere Entlastungspakete zu schnüren, um Menschen vor dem sicheren Frieren und der Überschuldung zu schützen. Und gewiss wäre es sinnvoll, das Geld dafür per Übergewinnsteuer von jenen zu holen, die sich an den horrenden Preisen bereichern: den Energiekonzernen.

Beides aber würde auf mittlere Sicht überflüssig, wenn sich die Ampel an eine grundlegende Neuausrichtung des Energiesektors traute. Keine Rückkehr zu staatlichen Fossilmonopolen, sondern die Zerschlagung der Marktmacht großer Konzerne und ihre Neuausrichtung am Gemeinwohl. Zusammen mit einer Investitionsoffensive für Erneuerbare in BürgerInnenhand. Es wäre ein überfälliges Zurückdrängen des Markts da, wo er zu einer Gefahr für alle geworden ist.
- https://www.freitag.de/autoren/pep/der-energiepreisschock-ist-die-folge-der-strom-und-gasmarktliberalisierung

guenter@despora.de
mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #soziale-frage #energiepreiskrise #inflation #armut #protest #linke-antworten

Mit freundlichen Grüßen an die "Alles Nazis, außer Mutti - Fraktion":

Die kommenden „Volksaufstände“: Werden Linke gestalten oder lieber Diskurspolizei spielen?

Wenn die Grade fallen und die Preise steigen, dann drohen „Volksaufstände“. Die Linke muss sich endlich organisieren, bevor Rechte die Thematik zur Mobilmachung ihrer Anhänger:innen missbrauchen (von Sebastian Friedrich)

Sozialproteste in Deutschland? Kaum zu glauben, aber möglich, denn laut einer aktuellen Umfrage könnten sich 44 Prozent der Bundesbürger vorstellen, an Demonstrationen gegen die hohen Energiepreise teilzunehmen. Kann es sein, dass hierzulande bald wirklich Menschen aufbegehren, weil sie nicht länger akzeptieren wollen, dass auf ihrem Rücken geopolitische Konflikte ausgetragen werden? Dass sich mehr und mehr fragen, ob die Russland-Sanktionen nicht eher den Menschen in Europa als der russischen Elite schaden? Dass die Ungerechtigkeit eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems nicht länger hingenommen wird, das ständig die Millionen in den Händen einiger weniger vermehrt und gleichzeitig Millionen Menschen von der Hand in den Mund leben lässt? Wenn die Tage wieder kürzer werden, die Hitzewellen vorbei sind und die Kälte vom Boden über das Sofa direkt in die Knochen kriecht, könnte es vorbei sein mit dem deutschen Untertanengeist.

Vielleicht fürchtet das auch die Bundesregierung, die wohl Zielscheibe entsprechender Proteste sein dürfte. Es bestehe die Gefahr, dass die stark steigenden Preise als neues rechtes Mobilisierungsthema missbraucht werden könnten, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Mitte Juli. Annalena Baerbock (Die Grünen) zeigte sich wenige Tage später ebenfalls besorgt: Wenn das Gas knapp werde, drohten „Volksaufstände“, so die Außenministerin.

Die Angst vor den Massen treibt auch viele Linke um. Nun sind unter Letzteren einige, die es traditionell als ihre primäre Aufgabe ansehen, bei Demonstrationen auf der anderen Straßenseite zu stehen, um vermeintlich oder tatsächlich rechte Teilnehmer zu zählen. Nicht die Inflation, die drohende Rezession und mögliche Sozialkürzungen bringen sie in Bewegung, sondern die Befürchtung, dass Rechte die Situation für sich nutzen könnten. Keine gänzlich unberechtigte Sorge, denn bereits jetzt bereiten sich die AfD und ihr Umfeld auf einen heißen Herbst vor.

Doch vielleicht sind die Linken diesmal ja schneller und es gelingt ihnen, erste massentaugliche Demonstrationen und Kundgebungen gegen steigende Preise, drohende Kürzungen bei Löhnen und Sozialausgaben zu organisieren? Allerdings: Selbst wenn Linke ausnahmsweise mal in die Vorhand kommen sollten, werden sich auch bei linken Aktionen Menschen einfinden, die in Putin tatsächlich einen Heilsbringer sehen, die alles Übel der Welt an der Ostküste der USA verorten und die hinter den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Durchführung eines geheimen Planes vermuten.

Entscheidend wird dann aber tatsächlich nicht sein, ob Linke akribisch jede einzelne rechte, rechtsoffene oder verschwörungsideologische Aussage zählen und notieren, sondern ob es ihnen gelingt, den reaktionären Deutungen linke, also sozialistische entgegenzusetzen. Ob es ihnen gelingt, da Überzeugungsarbeit zu leisten, wo es möglich ist, und da, wo nichts mehr geht, unmissverständlich Grenzen aufgezeigt werden können. Dabei sollte nicht die Frage im Zentrum stehen, ob alle Teilnehmenden der Proteste bereits in jeder Hinsicht dem eigenen linken Weltbild entsprechen. Wichtiger ist die Frage: Haben die jeweiligen und wahrscheinlich auch regional sehr unterschiedlichen Proteste das Potenzial, zu tatsächlichen klassenpolitischen Sozialprotesten entlang der Konfliktlinie zwischen oben und unten zu werden?

Sich an diesem Werden zu beteiligen, wäre kein einfacher Weg. Aber sicher ein sinnvollerer, als sich bei den Am-Rand-Stehern einzufinden. Vor allem wäre es trotz aller Mühen ein Weg, bei dem es nicht darum ginge, das Bestehende vor den Rechten zu verteidigen, sondern ein besseres Künftiges zu erstreiten.
- https://www.freitag.de/autoren/sebastian-friedrich/linke-muss-sich-den-sorgen-der-buerger-innen-widmen-nicht-diskurspolizei-spielen

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

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AufRecht bestehen: Vorankündigung für den Aktionstag am 14.Oktober

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ plant anlässlich der Diskussion um das geplante Bürgergeld sowie der explodierenden Energiekosten einen Aktionstag am 14. Oktober 2022.

Aktuell erarbeitet das Bündnis ein Forderungspapier auf Grundlage bereits veröffentlichter Forderungen zur Überwindung von Hartz IV („Hartz IV endlich ohne Wenn und Aber abschaffen“ von Juni 2021) und zur Energiearmut („Energieversorgung ist ein elementarer Bestandteil menschlicher Existenzsicherung“ von April 2022). Voraussichtlich können wir Ende August das fertige Forderungspapier, einen Aufruf zum Aktionstag sowie weitere Infos zur Verfügung stellen.

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ fordert im Wesentlichen

  • ein menschenwürdiges Existenzminimum mit mindestens 600 Euro Regelsatz (bei Herausnahme von Strom und „weißer Ware“ aus dem Regelsatz);
  • einen regelmäßigen und zeitnahen Inflationsausgleich;
  • die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten, nicht nur in den ersten beiden Jahren;
  • die Übernahme der tatsächlichen Energiekosten (Heizung und Strom); Extraleistungen für die Ersatzbeschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten;
  • ein gesetzliches Verbot von Strom-und Gassperrungen, wenn Privathaushalte betroffen sind;
  • die Stärkung der Arbeitslosenversicherung und Abschaffung des Systems SGB II („Hartz IV“) mit Arbeitslosengeld für die gesamte Dauer der Erwerbslosigkeit;
  • Abschaffung der Sanktionen und der Sperrzeiten;
  • mehr und bessere Qualifizierungen.

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr die Forderungen in die politischen Diskussionen vor Ort tragt.

Mehr: Energiearmut: „Der notwendige Energieverbrauch muss übernommen werden“

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #energiepreiskrise #soziale-frage #armut #protest

Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP verpasst nicht nur die mittelfristigen Pläne, sie blockiert bisher sogar das Notwendigste: sowohl einen Gaspreisdeckel, der den Grundverbrauch sicherstellen und zugleich zurückfahren würde, als auch eine generalstabsmäßige Verteilung der knapper werdenden Ressource, trotz der Versprechungen Russlands einer weiterhin stabilen Gasversorgung. Wenn nicht planwirtschaftlich in den Energiesektor eingegriffen wird, haben am Ende vermutlich sowohl kleinere wie mittlere Unternehmen als auch Privathaushalte das Nachsehen; das Recht des Stärkeren setzt sich durch. Die Frage ist letztlich, was politisch gewollt oder riskiert wird.

Eine absolute Notlage kann keiner ernsthaft wollen. Bereits jetzt kündigen sich soziale Proteste an, sollte die Bundesregierung weitere Entlastungspakete ausschließen und die Planungssicherheit nicht herstellen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat vorsorglich vor radikalen Protesten gewarnt und ihre Behörden darauf eingestellt. Sie diffamiert jedweden Protest vorschnell als populistisch, wo er doch legitimer Ausdruck politischen Unmuts ist.