#ausbeutung

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #literatur #wissenschaft #afrika #sklaverei #ausbeutung #imperialismus #kapitalismus

"Irrtümlicherweise wird manchmal behauptet, die Europäer hätten Afrikaner aus rassistischen Beweggründen heraus versklavt. Europäische Pflanzer und Bergwerksbesitzer versklavten Afrikaner aus ökonomischen Gründen, um ihre Arbeitskraft auszubeuten. Tatsächlich wäre es ohne afrikanische Arbeitskräfte unmöglich gewesen, die Neue Welt zu erschließen und sie zur anhaltenden Reichtumsgenerierung zu nutzen. Es gab keine Alternativen: Die amerikanische (indigene) Bevölkerung war so gut wie ausgelöscht, und die Bevölkerung Europas reichte zu diesem Zeitpunkt für die Besiedelung von Übersee noch nicht aus. Nachdem die Europäer im In- und Ausland völlig abhängig von afrikanischen Arbeitskräften geworden waren, hielten sie es für nötig, diese Ausbeutung auch rassistisch zu begründen. Die Unterdrückung folgt logisch aus der Ausbeutung, um letztere zu gewährleisten. Die Unterdrückung der afrikanischen Bevölkerung aus rein rassistischen Gründen ging mit der Unterdrückung aus wirtschaftlichen Gründen einher, verstärkte sie und war nicht mehr von ihr zu unterscheiden."

simona@pod.geraspora.de

Schöne neue Welt: #Trinkgeld für Selbstbedienungsterminals?!?!

siehe: https://www.golem.de/news/trinkgeldtaste-im-bezahlterminal-praktisch-oder-unangemessen-2311-179388.html

Natürlich werden Eilige durch miese Menüführung zum höchsten Trinkgeld verleitet und wer kein Trinkgeld geben möchte muss sich erst durch Untermenüs quälen. Anschließend wandert das Trinkgeld natürlich in die Taschen des Arbeitgebers und wird nicht an die Angestellten ausgeschüttet.

#Veraschung #Wirtschaft #Problem #Kapitalismus #Preise #Software #digital #Zukunft #Finanzen #Ausbeutung

aktionfsa@diasp.eu

03.09.2023 Keine KI ohne Klickarbeiter

"KI-Entwicklung" auf dem Rücken von ca. 10 Millionen Menschen

Alle starren bewundernd auf die "künstliche Intelligenz" (KI) und niemand sieht die Millionen von Klickarbeitern, ohne die bei der KI überhaupt nichts funktionieren würde. Tagesschau.de erklärt die furchtbaren Bedingungen unter denen sie arbeiten müssen:

Klickarbeiter sind die Trainer der Künstlichen Intelligenz. Sie sitzen in Kenia oder Kolumbien und bringen Maschinen das Wissen über die Welt bei. Doch die Arbeit ist prekär. Beschäftigte berichten von Ausbeutung, Perspektivlosigkeit und digitaler Überwachung.

Nach zwei Stunden Arbeit lag der Verdienst bei elf Cent

Das war das Ergebnis eines Selbsttest über den wir vor über einem Jahr berichtet hatten (Crowdworking für die großen Konzerne der Welt). Aber selbst für geübte Klickarbeiter bleibt der Verdienst in der Regel unter einem Dollar die Stunde. Die Höhe kann variieren, je nachdem ob man nur stur in Listen klicken muss oder ob man, wie der 27-Jährige Klickarbeiter aus Kasarani, einem belebten Stadtteil von Nairobi in Kenia, auf seinem Bildschirm Bilder aus der Vogelperspektive betrachten muss und dann Gegenstände wie Rasenfläche, Swimmingpool, ein graues Blechdach anklickt und mit dem richtigen Begriff benennt.

Er soll Drohnenaufnahmen für ein Logistikunternehmen aus den USA auswerten, damit die von Handelsgiganten wie Walmart genutzten Drohnen lernen, wo sie ihre Pakete ablegen dürfen - nicht auf dem Dach oder im Swimmingpool.

"KI-Systeme sind dümmer, als man glaubt"

Bilder unserer Umwelt können wir als Menschen viel schneller und sicherer erkennen als Programme es können. Auch eine Unterscheidung zwischen Katze und Hund gelingt uns meist auf Anhieb. Maschinen brauchen dafür eine möglichst umfassende Bilddatenbank auf der die Objekte richtig benannt sind. Dies machen die Klickarbeiter unter den schwierigsten Arbeitsbedingungen jeden Tag im Akkord. Bezahlt wird nicht nach der Anwesenheitszeit sondern nach Klicks. Danach richtet sich auch der knappe Lohn.

1984 lässt grüßen

Obwohl die von tagesschau.de befragten Klickarbeiter studiert haben, müssen sie für einen Lohn arbeiten, der auch in Kenia kaum zum Leben reicht. "Es hat etwas von Sklavenarbeit. Denn die Menschen hier haben keine andere Wahl. Es gibt kaum Jobs" ist die Antwort auf die Frage, warum sie diese Arbeit machen. Dabei sind sie sich bewußt, dass "der Boss" oder "das System" nicht nur ihre Klicks zählt, sondern sie, die priviligiert von zu Hause aus arbeiten dürfen, mit digitalen Hilfsmitteln überwacht. Sie müssen einen speziellen Browser verwenden, der nicht nur Screenshots von den privaten PCs der Arbeiter erstellen, sondern auch auf deren Webcams zugreifen kann.

Hinter oder besser über den direkten Ausbeutern befinden sich dann die Nutznießer solcher Praktiken, zum einen die uns bestens bekannten Big5, Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft (GAFAM) aber eben z.B. auch bekannte Pharmaunternehmen, die sich tausende mikroskopische Aufnahmen von Zellen annotieren lassen, durch die Hände der Klickarbeiter. In jedem Fall ist die Arbeit öde und nicht gesund, aber in vielen Fällen auch noch traumatisierend, wenn es z.B. um das Labeln von Hass oder Gewalt geht.

Mehr dazu bei https://www.tagesschau.de/wissen/technologie/ki-klickarbeiter-trainingsdaten-100.html
Kategorie[21]: Unsere Themen in der Presse Short-Link dieser Seite: a-fsa.de/d/3w2
Link zu dieser Seite: https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/8512-20230903-keine-ki-ohne-klickarbeiter.htm
Link im Tor-Netzwerk: http://a6pdp5vmmw4zm5tifrc3qo2pyz7mvnk4zzimpesnckvzinubzmioddad.onion/de/articles/8512-20230903-keine-ki-ohne-klickarbeiter.html
Tags: #Klickarbeiter #Überwachung #Videoüberwachung #Lauschangriff #Ausbeutung #Crowdworking #Mindestlohn #Big5 #Amazon #Tesla #Soziales #Gleichberechtigung #Diskriminierung #Ungleichbehandlung #HartzIV #Gewerkschaft #3.Welt

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #linke-debatte #migration #arbeit #klasse #kapitalismus #ausbeutung #rassismus #populismus #nation #sozialdemokratie #wagenknecht #festung-europa #eu-grenzregime #dielinke

Endlich mal eine wirklich inhaltliche Kritik an dem was Wagenknecht&Co vertreten. Tausendfach höher zu bewerten als das denunzierende Geschwätz und Anpissen, die sonst zu diesem Thema zu finden sind

Linke Debatte: Im Geiste der Nation

Es werden mal wieder Stimmen laut, die sich in »linker Migrationskritik« üben. Sieben Widerlegungen und ein Schluss (Von Peter Schadt)

Die Zahl derer, die den Fluchtweg über das Mittelmeer suchen, steigt wieder. Bereits im Juli meldete dpa mehr als 75.000 Migranten, die an Italiens Küsten angelandet sind. Im vergangenen Jahr waren es zu diesem Zeitpunkt 31.900. Die Aktualität der Migrationsfrage trifft dabei auf die größte Krise der Partei Die Linke seit ihrer Gründung. Nachdem zuerst die Kovorsitzende Amira Mohamed Ali und dann auch Dietmar Bartsch ihren Rückzug von der Fraktionsspitze bekannt gegeben hatten, ist nicht nur die »tiefe Krise« (»Tagesschau«) der Parteilinken einmal mehr in aller Munde. Bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand am 4. September werden auch verschiedene »strategische« Debatten darüber geführt, welchen Kurs eine zukünftige Linke einschlagen müsse. Dabei tritt vor allem das Lager derer, die sich um Sahra Wagenknecht sammeln, immer wieder mit der These auf, man müsse eine »linke Migrationskritik« vorantreiben, die sich von der von rechts unterscheide, weil darin die Arbeiter und deren Interessen im Mittelpunkt stünden.

1. »Von der Migration profitieren die kapitalistisch maßgeblichen Nationen«¹

Wer solche Überlegungen anstellt, sollte schon unterscheiden, von welcher Sorte Migration eigentlich gesprochen wird. Der Weltmarkt – und die Weltmächte, die ihn einrichten – hat die ganze Welt und deren Bewohner zur Manövriermasse des Kapitals und der Staaten gemacht hat. Er verdammt alle Leute dazu, von Arbeit leben zu müssen, die der Bereicherung anderer dient. Wo menschliche Arbeitskraft und die Natur bloß ein Kostenfaktor sind, sorgt deren Vernutzung zu Verwüstungen von Land und Verelendung von Menschen. Das ist auch einer der Gründe, warum es Abermillionen Leute da nicht mehr aushalten, wo sie herkommen. Hinzu kommen, aktueller denn je, aber eigentlich ein Dauerbrenner, die Geflüchteten aus den Kriegsgebieten. Das ist kein beabsichtigtes Ergebnis, sondern eine Wirkung des globalisierten Kapitalismus.

Auf diese Wirkung beziehen sich nun die Staaten und machen die Migration selbst wieder zum Gegenstand ihrer Politik. Da gibt es die riesige Zahl von Menschen, über die das Urteil »untauglich« gefällt wird und gegen die ganze Grenzregime eingerichtet werden. Dann gibt es aber auch jene, die mit Transitabkommen und zwischenstaatlichen Agreements in die unteren Abteilungen der jeweiligen »Arbeitswelten« überführt, also immer da eingesetzt werden, wo der Lohn besonders dürftig und die Arbeit besonders hart ist. Ergänzt wird diese Benutzung der billigen und willigen Hände um die staatliche Konkurrenz um die Wissenschaftler und Künstler aller Nationen in den oberen Rängen der beruflichen Hierarchie, wo die Vorzeichen gerade umgekehrt stehen: Hier will man sich als besonders attraktiver Standort präsentieren, wo etwa Berlin nicht hinter Tel Aviv oder New York zurückfallen soll.

Neben diesen doch sehr unterschiedlichen Abteilungen von Arbeitsmigranten kommen auch die Flüchtlinge in der staatlichen Kalkulation vor. Dabei sind es die Staaten, die zunächst darüber entscheiden, wer überhaupt diesen Titel tragen darf und damit als solcher anerkannt wird, und wer statt dessen zur großen Abteilung der Unberechtigten zählt. Wer dann anerkannt wird, dem wird wieder eine sehr unterschiedliche Behandlung zuteil: Man denke hier nur an jene, die »geduldet« sind, weil sie als menschliches Beweismaterial dafür dienen, dass die eigene Staatlichkeit derjenigen sittlich überlegen ist, vor der sie fliehen mussten, oder an jene, die durch ihre Flucht vor den Bomben des Feindes als politisch höchst bedeutsam eingeschätzt werden. Jüngst sind es die ukrainischen Flüchtlinge, die als Beleg dafür herhalten müssen, dass Deutschland als Fluchtort der dortigen Bevölkerung selbst »betroffen« und damit natürlich auch als »berechtigt« gilt, seine Interessen bis nach Kiew zu vertreten. Eine Funktion, die traditionell auch das Asylrecht für Dissidenten erfüllt. Der Humanismus, politisch Verfolgte aufzunehmen, hatte schon immer die handfeste Seite, damit ein negatives Urteil über den Staat zu fällen, dessen Oppositionellen man Obdach bietet. Sie waren und sind staatliches Belegmaterial für die Bösartigkeit des Staates, aus dem sie geflohen sind.

Dass inzwischen erkleckliche Teile der Welt den Kalkulationen der Weltmächte unterworfen sind und deren Rechnung weder dem in- noch ausländischen menschlichen Inventar sonderlich gut bekommt, hält »linke Migrationskritiker« nicht davon ab, genau diese Instanzen mit ihren globalen Gewaltkompetenzen als Instrumente für mehr Migrationsverhinderung anzusprechen. Damit wird die gewaltträchtige Ursache der modernen Migration in ihre gewaltbewährte Lösung verwandelt. Und weil man sich für keinen Zynismus zu schade ist, wird noch der geforderte Ausschluss von Migranten aus allerlei Ländern und Jobs zu ihrem eigenen Nutzen umgelogen, weil man – besonders »als Linker« – doch wohl gegen den Gebrauch der halben Welt als industrielle Reservearmee sein müsse. Für diesen gedanklichen Kurzschluss muss man ignorieren, dass die Forderung nach Migrationsbegrenzung von links eben nicht der Angriff gegen die Machtbasis der Weltmächte ist, sondern deren globale Zuständigkeit unterstellt.

Will man ganz auf dem Niveau der Parole bleiben, kann man auch antworten: Es mag ja sein, dass nur die Migranten ins Land kommen, von welchen sich Kapital und Staat etwas erhoffen, sei es politischer oder ökonomischer Natur; umgekehrt gilt das aber auch für jeden Grenzzaun und jedes »Anker-Zentrum«: Die Migration unterbleibt auch nur da, wo der Staat sie aus Kalkül und mit seiner Gewalt unterbindet.

Gegen die (deutschen) Arbeiter, für die dieses politische Lager gleichzeitig Politik machen will, scheint es dabei gar nicht zu sprechen, dass es auch deren Arbeitsplätze nur gibt, weil und insofern sie nützlich für das Kapital und ein Beitrag für das Wachstum der Nation sind. Es ist Migranten und Deutschen gerade gemeinsam, dass ihre Existenzen nur gelten, wenn sie sich für die maßgeblichen Instanzen dieser Gesellschaft lohnen. Aus dieser gleichen Abhängigkeit lässt sich eben nicht ableiten, dass »migrationskritische Linke« die einen als ihr Schutzobjekt und die anderen als »zusätzliche Konkurrenz« identifizieren. Es muss schon umgekehrt sein: Wer so redet, der weiß schon, für und gegen wen er ist, und fällt deswegen an der gleichen Abhängigkeit sehr unterschiedliche Urteile.

2. Durch die Migranten wird die Konkurrenz verschärft²

Apropos »zusätzliche Konkurrenz« – da entdeckt eine »linke Migrationskritik« schon wieder an der allen Arbeitern gemeinsamen Zumutung, nämlich dass sie gegeneinander ausgespielt werden, den entscheidenden Unterschied: Die Migranten verschärfen die Konkurrenz, die deutschen Arbeiter leiden unter ihr. Warum sind es eigentlich nicht die Migranten, die unter der Konkurrenz der Deutschen leiden? Oder, wenn man schon die Gleichung nicht einfach umdrehen will, warum ist es nicht der Arbeiter, der darunter leidet, mit allen anderen Arbeitern in Konkurrenz gesetzt zu sein? Wer so redet, der weiß schon wieder an einer Gemeinsamkeit den entscheidenden Unterschied zu finden. Das heißt aber auch, dass nicht das Argument zur »Migrationskritik« führt, sondern die schon unterstellt ist und sich damit nur rechtfertigt.

3. Die Migranten senken die Löhne³

Wie »resultieren« eigentlich sinkenden Löhne aus der Migration? Sitzen »die« in den Personalbüros und entscheiden darüber, wie ein Job eingruppiert wird? Entscheiden sich Migranten eigentlich dafür, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten und so die Tarifbindung aufzukündigen? Man muss schon sehr entschlossen vom Unternehmer, also dem wirklichen Subjekt, absehen, das die Höhe des Lohns bestimmt und ihn auszahlt, um solchen Sätzen etwas abgewinnen zu können. Auch hier gilt wieder: Mit dem gleichen ökonomischen Recht stimmt der Satz, dass deutsche Arbeiter eingesetzt werden, um die Löhne anderer Deutscher zu senken.

4. Das Angebot an die deutschen Arbeiter

Aber stimmt es nicht, dass wenigstens die deutschen Arbeiter wirklich bessere Löhne und Arbeitsbedingungen hätten, wenn die Migranten entschlossen draußen gehalten würden? Auch hier muss ausgeklammert werden, dass sich ein »Fachkräftemangel« – wie er aktuell ja in aller Munde ist – nicht unmittelbar in bessere Löhne und Arbeitsbedingungen übersetzt. Der trifft nämlich als eine ökonomische Rahmenbedingung auf die unternehmerische Freiheit, zu entscheiden, wie damit umgegangen wird. Wenn dem Kapital »das Angebot« an Arbeitskräften nicht passt, dann kennt es verschiedene Arten, damit umzugehen: Eine Variante ist, dass die Unternehmen selbst Arbeiterinnen und Arbeiter ausbilden und so für eine Korrektur bei der Konkurrenz der Arbeiter sorgen.⁴ Eine andere Reaktion ist die erneute betriebswirtschaftliche Prüfung aller technisch möglichen »Rationalisierungen«. Wenn Fachkräfte nur noch mit potentiell höheren Löhnen zu haben sind, mag sich die eine oder andere technische Lösung plötzlich lohnen, die bisher nicht wirtschaftlich war. Kein Wunder, dass hohe Löhne in der »Volkswirtschaftslehre« deshalb auch den zweifelhaft guten Ruf haben, »Innovationstreiber« zu sein. Wer also gerade noch dachte, dass die »Entschärfung« der Konkurrenz ihm endlich einen Job oder ein besseres Gehalt bringt, sieht sich plötzlich mit der technischen Wegschaffung ganzer Abteilungen konfrontiert. Da werden dann – erneut deutsche wie ausländische – Arbeitskräfte freigesetzt, und direkt steigt die Konkurrenz der Arbeiter wieder.

Eine andere Reaktion auf mangelnde Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt heißt Enthaltsamkeit: Während der Arbeiter einen Lohn braucht, kann das Unternehmen auch bestimmte Arbeitsplätze nicht ausschreiben, die sich bei höherem Lohn einfach nicht mehr lohnen. Es gibt eben gewisse Arbeitsplätze, die nur unter der Bedingung einen Beitrag zum Unternehmenszweck stiften, dass die Stellen unschlagbar billig ausgeschrieben werden. Aber selbst da, wo die Arbeit notwendig ist für den Betriebsablauf, gibt es Lösungen ohne Einstellung oder technische Innovation: So wird die zusätzliche Arbeit nicht selten auf die Schultern derjenigen verteilt, die bereits »in Arbeit« sind. Arbeitsverdichtung kann ebenfalls ein Schluss sein, den Unternehmer aus dem Fachkräftemangel ziehen. Anschauungsmaterial liefert hier u. a. die Pflege, in der wenig Personal seit jeher dazu genutzt wird, den Pflegerinnen und Pflegern kontinuierlich mehr Arbeit aufzubürden. Beliebt ist die öffentliche getätigte Überlegung, das ganze Unternehmen direkt ins Ausland zu verlagern und so die Arbeitsplätze gleich dahin zu bringen, wo das ist, was ein Unternehmer sucht: Leute, die sich seine Bedingungen gefallen lassen.

Gegen diese unternehmerische Freiheit und ihre ruinöse Wirkung auf die Arbeitskraftanbieter bestehen »migrationskritische Linke« auf das Verbot: Migranten ins Land zu holen, um damit die Löhne niedrig zu halten, soll gefälligst nicht mehr stattfinden. Andere Arten und Weisen, die Lohnabhängigen gegeneinander auszuspielen, werden dagegen sogar gefordert und sind etwa nach Wagenknecht viel zuwenig im Einsatz: »Der Kapitalismus ist schon lange nicht mehr so produktiv und innovativ, wie er einmal war und wie es ihm heute noch zugeschrieben wird.«⁵ So verzaubert sie die kapitalistische Rechnung mit den Arbeitern zu einer eigentlich für alle vorteilhaften Rechnung, wenn man sich nur an die Regeln »echter Unternehmerschaft« hielte und u. a. die Ausländer rausgehalten würden: »Die Motivation echter Unternehmer ist (…) eine andere als die von Kapitalisten. Unternehmer gründen Unternehmen, arbeiten in ihnen und machen sie groß. Kapitalisten investieren Geld und wollen Rendite sehen.«⁶

5. Die Ausländer stören das Sozialsystem

Das ist dann auch der Kern der »Migrationskritik von links«. Eine Idealisierung der bestehenden Verhältnisse unter dem Vorzeichen, wie gut sie wären, wenn die Migration endlich (weiter) begrenzt würde: »Jedes echte Solidarsystem muss die Zahl der Einzahler und Empfänger in einer gewissen Balance halten, um nicht zusammenzubrechen. Normalerweise wird das dadurch gewährleistet, dass solche Systeme nur einem bestimmten Kreis von Menschen offenstehen. Wer potentiell die ganze Menschheit einbezieht, nimmt in Kauf, dass Solidarsysteme, die im globalen Vergleich überdurchschnittliche Leistungen bieten, nicht länger existieren können. Denn soziale Absicherungen auf dem Niveau der westlichen Länder wären auf globaler Ebene selbstverständlich unfinanzierbar.«⁷

Auch hier ist der Nationalismus wieder nicht begründet, sondern vorausgesetzt: Immerhin ist jeder deutsche Arbeitslose, Kranke, Rentner oder Verunglückte eine Belastung für das Sozialsystem, so wie jeder arbeitende Ausländer ein Einzahler ist. Wagenknecht »widerlegt« hier darüber hinaus etwas, das keine politische Partei fordert, nämlich »eine globale soziale Absicherung auf dem Niveau der westlichen Länder«. Gegen Migranten in den existierenden Sozialkassen soll also sprechen, dass ein ganz anderes – von niemandem gefordertes – System von Sozialkassen »selbstverständlich unfinanzierbar« wäre.

Entscheidender ist hier wieder das falsche Ideal der bestehenden Verhältnisse: Ausgerechnet die Sozialversicherungen als staatlich organisierter Abzug vom Lohn, damit Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall und Lebensabend nicht direkt die proletarische Existenz ruinieren, werden zu einem System in »gewisser (?) Balance« umgedichtet, die von Migranten gestört würde: Das Missverhältnis zwischen dem, was aus dem prozentualen Abzug vom Lohn zu holen und dem, was an staatlichen Leistungen davon zu erbringen ist, hat seine Friktionen für die Volkswirtin Wagenknecht also nicht etwa darin, dass hier zwei völlig disparate ökonomische Größen mit staatlicher Gewalt passend gemacht werden sollen, sondern darin, dass hier Arbeiter ohne den richtigen Stammbaum in diese Rechnung miteingepasst werden.

6. Und was ist mit den Ländern, wo die Arbeiter dann fehlen?⁸

Dies ist ein beredeter Widerspruch dieser »Migrationskritik von links«. Gerade will man noch nachweisen, dass Migrationskritik im Interesse der Arbeiter ist; kaum entscheiden sich Arbeiter dann in ihrem Interesse gegen den Nutzen ihrer Nation, wollen sich also nicht mit schlechtem Lohn am »Aufbau ihres Landes« beteiligen, sondern lieber in den USA oder in Deutschland ihr Glück suchen, fordern diese Linken die Unterordnung aller privaten Kalkulationen und Hoffnungen unter das nationale Interesse an der eigenen Arbeitskraft.

7. Die Arbeiter sind gegen mehr Migration

Das wird schon so sein.⁹ Entsprechend wollen »linke Migrationskritiker« gleich gar nichts von den Widersprüchen einer solchen Position wissen, sondern sehen die Zustimmung in der Arbeiterschaft zu einer solchen Kritik gleich als Argument dafür an, sich als Fürsprecher für sie zu machen. Wer gegen das falsche Bewusstsein argumentiert, gilt als überheblich, wer sich ihm anbiedert, bewegt sich auf Augenhöhe. Ein kleiner Widerspruch, weil die Kritik immerhin unterstellt, dass man den anderen als jemanden anspricht, der zur Revision seiner Fehler bereit und in der Lage ist, während das Nacherzählen von Argumenten einer Migrationskritik, die man selbst als fragwürdig, aber dienlich zur Mobilisierung der Arbeiter als Stimmvieh ansieht, dem Inhalt nach kaum als freundliche Ansprache gewertet werden sollte: Man erklärt sie für zu dumm, ihre Fehler einzusehen, und erzählt Lügen, von denen man meint, sie wollten sie hören. Das fällt aber kaum ins Gewicht, weil das Nachplappern jeder Form bürgerlicher Ideologie, die von großen Teilen der Arbeiter geteilt wird, der Form nach ziemlich friktionslos und daher auch mit viel Einvernehmen passiert. Der Opportunismus wird hier zum schlagenden Argument. So wird das linke Programm zur abhängigen Variablen von Umfragewerten und der erhoffte Erfolg aus dieser Tour zum einzigen Maßstab. Dieser »Erfolg« – wenn er sich denn einstellt und die so Angesprochenen nicht gleich die originalen, alternativen Ausländerkritiker wählen – hat dann auch genau den Inhalt, zu dem man die Leute agitiert hat. Man hat sie einmal mehr darin bestärkt und dazu aufgerufen, dass eine richtige Gestaltung der kapitalistischen Klassengesellschaft zur Versöhnung aller ihrer Widersprüche führt, wenn die schädlichen Elemente nur draußen gehalten werden. Man hat einmal mehr die Lebenslüge des Kapitalismus erzählt und erfolgreich für sie mobilisiert.

Schluss: Der Nationalismus ist der Migrationskritik vorausgesetzt

Warum ist der Nationalismus die vorherrschende Art, wie sich die Bürger nicht nur dieses Staates zu ihrer Nation stellen? Aus keinem besseren Grund, als dass sie vom Wachstum dieser Wirtschaft und von der Gewalt des Staates abhängen, umgekehrt aber ökonomisch ruiniert sind, wenn es hier nicht vorangeht. Sie machen sich den falschen Umkehrschluss zu eigen, dass das Wachstum ihrer Nation auch zu ihrem Nutzen wäre, wenn deren Niedergang ihr Schaden ist. Weil sie also als variables Kapital der Unternehmer und als Bürger der Nation leben müssen, sind sie entschlossen zu glauben, dass das auch möglich sein muss. So werden sie zu Idealisten dieser Verhältnisse. Sie sind dafür! Für Deutschland, für die Türkei, für USA; wo man eben geboren ist, macht man die vorgefundenen Verhältnisse, in denen man leben muss, zum Ausgangspunkt aller Kalkulationen: »Das ist doch mein Land.« Das ist der nationalistische Übergang des Bürgers, der seine Abhängigkeit von seiner Nation für sein Mittel hält.

Das passt einerseits nicht gut zu den Härten eines Daseins als Arbeiter, das ja durch die Lüge von der »Heimat« nicht einfach verschwindet: Überstunden auf der einen, Kurzarbeit auf der anderen Seite, Armut, Stress, Burnout – eben die Folgen auch des modernen Dienstes am Wachstum der Nation, zu der man gehört und sich die meisten auch zugehörig fühlen. Andererseits geht es dann doch gut zusammen, indem patriotische Freunde dieser Gesellschaft ihren Schaden als Folge lauter »unheimatlicher«, »unpatriotischer«, »fremder« Elemente umdeuten. So wird der Klassenverhau zur »eigentlichen« Heimat, wären da nicht »die anderen«, die Pflichtvergessenen. So gehört zum Heimatgedanken das Feindbild dazu. Und bei allen Unterschieden der verschiedenen politischen Lager, welches Feindbild jeweils besonders betont wird – mal die Banker, mal die gierigen Kapitalisten, mal die Juden, Sinti, Roma, fast immer die »korrupten Politiker« – eine Gruppe ist fast immer dabei, weil sie per definitionem nicht hierher gehört: die Migranten.

So erklärt sich dann auch die Merkwürdigkeit, wie eine »linke Migrationskritik« ständig aus der gleichen ökonomischen Situation von Migranten und Deutschen ganz unterschiedliche Schlüsse zieht. Gegen den Ausländer spricht von Anfang an, dass er kein Deutscher ist, denn es muss ja Gründe dafür geben, warum man selbst ständig hart arbeitet, es sich aber nie lohnt. Einmal den grundverkehrten, aber durchgesetzten Fehler gemacht, davon auszugehen, dass sich »ehrliche Arbeit« doch eigentlich lohnen müsste, weil das hier doch eigentlich »unsere« Heimat ist; wer sich also brav an seine Pflichten hält und ständig feststellt, dass ihm das nichts bringt, der sucht nach Schuldigen, die das verbrochen haben. Und so landen die einen bei den Migranten, die die »Konkurrenz verschärfen« und die »Löhne drücken« und das »Sozialsystem aus dem Gleichgewicht« bringen.

»Links« ist diese Migrationskritik dann in dem Sinne, dass das Feindbild Migrant nie das von den »gierigen Kapitalisten« ersetzt, sondern ergänzt. Gerade in der Benutzung der Ausländer für die Lohndrückerei entdecken Wagenknecht und Co. die Abweichung der gierigen Kapitalisten von ihrem eigentlichen Auftrag: »Die Motivation echter Unternehmer ist (…) eine andere als die von Kapitalisten. Unternehmer gründen Unternehmen, arbeiten in ihnen und machen sie groß. Kapitalisten investieren Geld und wollen Rendite sehen.« So ist endgültig die ganze Klassengesellschaft umgelogen in »Heimat«, die von »den Migranten« und gierigen Kapitalisten gestört wird.

Wer sich der »linken Migrationskritik« anschließt, irrt sich in seiner Stellung zu dieser Nation und ihrer Rechenweise. Die leidige Debatte, ob eine solche Forderung überhaupt links sei, ist aber das Gegenteil von Kritik. Wer so redet, will Wagenknecht und diejenigen, welche mit ihr in dieser Frage übereinstimmen, nicht widerlegen, sondern exkommunizieren. Über diesen lästigen Streit, wer dann die »wahren« und wer die »Pseudolinken« sind, verwandelt sich jeder Dissens in der Sache in die langweilige Frage, wer für sich in Anspruch nehmen darf »links« zu sein. Pragmatisch beantwortet: Ganz offensichtlich kann sogar der Appell an den Staat, endlich noch entschlossener mit seinen »Anker-Zentren« und Abschiebebehörden zu sein, noch als links durchgehen, wenn man sieben schlechte Argumente dafür hat, warum das alles im Interesse der deutschen Arbeiter sein sollte.

Anmerkungen

1 So lautet eine These (nicht nur) von Hannes Hofbauer in dessen Schrift »Kritik der Migration. Wer profitiert und wer verliert«, Promedia Verlag, Wien 2018
2 »Doch nicht nur verschärfte Konkurrenz um Arbeitsplätze und sinkende Löhne sind ein aus hoher Migration resultierendes Problem für die untere Hälfte der Bevölkerung«; Sahra Wagenknecht: Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2021, S. 164 f.
3 Ebenda
4 Auch hier kann man ruhig noch mal an die ersten drei Argumente denken: dass nämlich die neu ausgebildeten Fachkräfte ebensogut als »Verschärfung« der Konkurrenz vorgestellt werden können wie die Migranten.
5 Ebenda, S. 272
6 Ebenda, S. 293
7 Ebenda, S. 129 f.
8 vgl. ebenda, S. 142
9 »Die meisten Menschen verstehen sich auch eher nicht als Weltbürger, sondern identifizieren sich mit ihrem Land und – ganz schlimm! – ihrer Nationalität. In Deutschland etwa fühlen sich 74 Prozent ›stark oder sehr stark‹ als Deutsche«; ebenda, S. 32

francoisvillon@societas.online

B. Traven - Die Baumwollpflücker

ISBN: 9783499105098 | rororo | 1970 | Erstveröffentlichung: 1929

Der Roman trägt unverkennbar autobiographische Züge: Gales, ein mittellos durch die Welt trampender Gelegenheitsarbeiter, erzählt in Ich-Form seine Erlebnisse als Baumwollpflücker, Bäcker und Viehtreiber im sozial rückständigen Mexiko der frühen dreißiger Jahre. Überall, wohin er kommt, das gleiche Bild, oft unmenschliche Arbeitsbedingungen und geringer Lohn; einer, der tritt, und einer, der getreten wird. Der packend geschriebene Roman nimmt Partei für die ewig Geprellten und Geschundenen, er appelliert an das Gewissen, um damit den Boden für eine gerechtere Gesellschaftsordnung vorzubereiten.

Gesang der Baumwollpflücker

Es trägt der König meine Gabe,
Der Millionär, der Präsident,
Doch ich, der lump'ge Pflücker, habe
in meiner Tasche keinen Cent.
    Trab, trab, aufs Feld!
    Gleich geht die Sonne auf.
    Häng um den Sack,
    Zieh fest den Gurt!
    Hörst du die Waage kreischen? Nur schwarze Bohnen sind mein Essen,
Statt Fleisch ist roter Pfeffer drin,
Mein Hemde hat der Busch gefressen,
Seitdem ich Baumwollpflücker bin.
    Trab, trab, aufs Feld!
    Gleich geht die Sonne auf.
    Häng um den Sack,
    Zieh fest den Gurt!
    Hörst du die Waage brüllen? Die Baumwoll' stehet hoch im Preise,
Ich habe keinen ganzen Schuh,
Die Hose hängt mir fetzenweise
Am Ursch, und ist auch vorn nicht zu.
    Trab, trab, aufs Feld!
    Gleich geht die Sonne auf.
    Häng um den Sack,
    Zieh fest den Gurt!
    Hörst du die Waage wimmern? Und einen Hut hab ich, 'nen alten,
Kein Hälmchen Stroh ist heil daran,
Doch diesen Hut muß ich behalten,
Weil ich ja sonst nicht pflücken kann.
    Trab, trab, aufs Feld!
    Gleich geht die Sonne auf.
    Häng um den Sack,
    Zieh fest den Gurt!
    Siehst du die Waage zittern? Ich bin verlaust, ein Vagabund,
Und das ist gut, das muß so sein, Käm' keine Baumwoll' rein.
    Im Schritt, im Schritt!
    Es geht die Sonne auf.
    Füll in den Sack
    Die Ernte dein!
    Die Waage schlag' in Scherb

#BTraven #Ausbeutung #Mexiko #Mexico #Literatur #Bücher #neverendingbookcoverchallenge

mikhailmuzakmen@pod.geraspora.de

#politik #sahel #niger #mali #burkinafaso #kolonialismus #ausbeutung #uran #frankreich

»Ein Sklave, der nicht rebelliert, hat kein Mitleid verdient. Die Afrikanische Union muss aufhören, Afrikaner zu verurteilen, die sich entscheiden, gegen ihre eigenen Marionettenregime des Westens zu kämpfen.«
- Ibrahim Traoré, Präsident von Burkina Faso

Militärputsche im Sahel: Keine Marionetten mehr

Französische Exkolonien forcieren per Staatsstreich Abkehr von Ausbeutung, Kontrolle und Korruption (Von Vijay Prashad und Kambale Musavuli)

Der Putsch in Niger gegen Präsident Mohammed Bazoum folgt auf ähnliche Staatsstreiche in Mali (August 2020 und Mai 2021), Burkina Faso (Januar 2022 und September 2022) und Guinea (September 2021). Jeder dieser Putsche wurde von Militärs angeführt, die über die Anwesenheit französischer und US-amerikanischer Truppen und die ständigen Wirtschaftskrisen in ihren Ländern verärgert waren. Diese Region Afrikas – die Sahelzone – ist mit einer Kaskade von Krisen konfrontiert: die Austrocknung des Landes im Zuge der Klimakatastrophe, der Aufstieg islamistischer Militanz aufgrund des NATO-Krieges in Libyen 2011, die Zunahme von Schmugglernetzwerken, die Waffen, Menschen und Drogen durch die Wüste schmuggeln, die Aneignung natürlicher Ressourcen – einschließlich Uran und Gold – durch westliche Unternehmen, die für diese Reichtümer nicht angemessen bezahlt haben, und die Verankerung westlicher Streitkräfte durch die Errichtung von Stützpunkten und das ungestrafte Vorgehen dieser Armeen.

[...] Laut einer gut informierten Quelle in Niger sei der Grund, warum das Militär gegen Bazoum vorgegangen ist, der, dass »er korrupt ist, eine Marionette Frankreichs. Die Nigrer hatten die Nase voll von ihm und seiner Bande. Sie sind dabei, die Mitglieder des abgesetzten Systems zu verhaften, die öffentliche Gelder veruntreut haben und von denen viele in ausländische Botschaften geflüchtet sind«. Das Thema Korruption ist in Niger, einem Land mit einem der lukrativsten Uranvorkommen der Welt, allgegenwärtig. Bei der »Korruption«, von der hier die Rede ist, geht es nicht um kleine Bestechungsgelder von Regierungsbeamten, sondern um eine ganze Struktur, die während der französischen Kolonialherrschaft entwickelt wurde und die Niger daran hindert, die Souveränität über seine Rohstoffe und seine Entwicklung zu erlangen.

Im Mittelpunkt der »Korruption« steht das sogenannte Joint Venture zwischen Niger und Frankreich, die Société des mines de l’Aïr (Somaïr) – Eigentümerin und Betreiberin der Uranindustrie im Lande. Auffallend ist, dass Somaïr zu 85 Prozent im Besitz der französischen Atomenergiekommission und zweier französischer Unternehmen ist, während nur 15 Prozent im Besitz der nigrischen Regierung sind. Niger produziert mehr als fünf Prozent des weltweiten Urans, aber sein Rohstoff ist von sehr hoher Qualität. Die Hälfte der Exporteinnahmen Nigers stammt aus dem Verkauf von Uran, Öl und Gold. Eine von drei Glühbirnen in Frankreich wird mit Uran aus Niger betrieben, während gleichzeitig 42 Prozent der Bevölkerung des afrikanischen Landes unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Menschen in Niger haben jahrzehntelang zugesehen, wie ihnen ihr Reichtum durch die Finger glitt. Ein Zeichen der Schwäche der Regierung: Das Land hat im Laufe des vergangenen Jahrzehnts in nur zehn Schiedsverfahren, die von multinationalen Unternehmen vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten und der Internationalen Handelskammer angestrengt wurden, über 906 Millionen US-Dollar verloren.

Frankreich hat die Verwendung des Franc im Jahr 2002 eingestellt, als es zum Euro überging. 14 ehemalige französische Kolonien verwendeten jedoch weiterhin den Communauté Financière Africaine (CFA), was Frankreich immense Vorteile verschafft: 50 Prozent der Reserven dieser Länder müssen in der französischen Staatskasse gehalten werden, und Frankreichs Abwertungen des CFA – wie 1994 – haben katastrophale Auswirkungen auf die Länder, die ihn verwenden. Im Jahr 2015 sagte der Präsident des Tschad, Idriss Déby Itno, dass der CFA »die afrikanischen Volkswirtschaften nach unten zieht« und dass es »an der Zeit ist, die Schnur zu kappen, die Afrika an der Entwicklung hindert«. In der Sahelzone wird jetzt nicht nur über den Abzug der französischen Truppen gesprochen – wie in Burkina Faso und Mali geschehen –, sondern auch über einen Bruch mit der französischen Wirtschaftsmacht in der Region....
- https://www.jungewelt.de/artikel/456019.milit%C3%A4rputsche-im-sahel-keine-marionetten-mehr.html

Nachschlag: Niger, meine Perle

Geopolitik scheint Verhängnis und Schicksal, der begrenzte planetarische Raum und das Pluriversum der Staaten eine gottgegebene Ordnung und Außenpolitik natürliches Gebaren unter Gegnern. Geopolitik galt hierzulande lange, weil die nämliche Disziplin Rechtfertigungen für Krieg und Vernichtung des Vorgängerstaates in östlich gelegenen Weltteilen lieferte, als unfein. In Frankreich ist man da weniger zimperlich. Bei Arte gibt es ein Programm, das heißt »Mit offenen Karten«. Im April stand der Niger im Fokus der Sendung: Geographie, Bevölkerungszusammensetzung, Rohstoffe, Militärbasen – anschaulich dargestellt auf Karten. Klar wird, wenn auch so nicht gesagt, dass beim imperialistischen Game mehrere Mächte am Rad drehen und für Paris einiges auf dem Spiel steht. Die Einschätzung der Moderatorin: »Niger ist mehr als je zuvor unverzichtbar für Frankreich.« Ein Vierteljahr später ist die alte Kolonialmacht auf kaltem Entzug. (brat)
- https://kurzelinks.de/gs7p

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24.06.2023 Industriestaaten weiter zahlungsunwillig

Die Milliarden für die Klimarettung fließen nicht

Vor einigen Wochen hatten wir die wirklichen Schulden der ehemaligen Kolonialmächte gegenüber den Ländern des Südens aufgelistet. In den Verhandlungen in dieser Woche unter der Leitung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sollten die Zusagen der Industrieländer "konkretisiert" werden.

Eigentlich ist eine Klimafinanzierung in Höhe von jährlich 100 Milliarden Dollar pro Jahr, die die Industriestaaten an die Entwicklungsländer zahlen sollen, bereits 2009 auf dem Klimagipfel in Kopenhagen diskutiert worden.

Nun sind die zu erwartenden Ergebnisse immer noch nicht konkreter, schlimmer noch, es stellt sich heraus, dass es zunächst einmal um sogenannte "Schuldenerlasse" bzw. "Schuldenerleichterungen" handelt, die schon x-mal versprochen wurden. Von wirklichen Klimaschutzmaßnahmen ist kaum noch die Rede.

Die Realität ist, dass bereits 2020 der Internationale Währungsfonds IWF 34 Länder als Staaten einstufte, die sich in einer Schuldenkrise befinden bzw. davon gefährdet sind. Zudem listete der IWF 64 Länder auf, die mehr für Schuldentilgung als für die Gesundheitsversorgung ausgeben müssen, schreibt Telepolis.

Es ist Zeit, dass der Westen seine Billionen-Schulden zahlt!
Mehr dazu bei https://www.telepolis.de/features/Finanzgipfel-Es-ist-Zeit-dass-der-Westen-seine-Billionen-Schulden-zahlt-9195289.html
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