Man kann hier erneut sehen, ein wie anspruchsvolles (um nicht zu sagen „aggressives“) Ziel „Verteidigung“ ist…
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Seit dem 24.2.2022 führt Russland Krieg in der Ukraine. Seitdem sind viele Menschen ums Leben gekommen – Menschen mit russischer oder mit ukrainischer Staatsangehörigkeit, Zivilisten und vor allem Soldaten. Warum gibt es diesen Krieg? Wofür sind diese Menschen gestorben? Eine Kriegs-Erklärung
Vermutlich wird am Jahrestag des Kriegsbeginns in den Mainstream-Medien erneut mit ausgestrecktem Zeigefinger auf „Putin“ als den alleinigen Verantwortlichen gedeutet. Einen Schuldigen zu benennen ist allerdings alles andere, als eine Erklärung zu liefern.
Das soll im Folgenden versucht werden. Dazu sind einige grundsätzliche Überlegungen zur modernen Staatenkonkurrenz nötig – ebenso wie eine Betrachtung des konkreten Falls.
Kapitalismus, Staatenkonkurrenz und Krieg
Moderne Staaten leben nicht davon, fremde Territorien zu erobern, sondern davon, ein möglichst großes Wirtschaftswachstum zustande zu bringen. Ihre Außen- und Geopolitik bezieht sich deshalb im Prinzip gleich auf die gesamte Welt. Insbesondere für die erfolgreichen und wichtigen Staaten gilt: Kein Stückchen Erde ist für sie uninteressant, keine Insel, keine Schifffahrtspassage, kein Punkt im erdnahen Weltraum wird außer Acht gelassen – einen Standpunkt des „Geht uns nichts an“ gibt es in ihrer Außenpolitik einfach nicht.
Seit 1990 kann man von einer weltweit gültigen Geschäftsordnung sprechen: Im Prinzip herrscht freier Austausch von Waren und Kapital auf dem gesamten Globus und in ihrer Souveränität anerkannte Nationalstaaten konkurrieren untereinander um den Nutzen aus diesem globalen Geschäft. Im Völkerrecht haben sie sich dazu verpflichtet, ihre „internationalen Streitigkeiten“ (von deren Fortexistenz also ausgegangen wird) nach Möglichkeit friedlich auszutragen bzw. die Vereinten Nationen über die erforderlichen Maßnahmen entscheiden zu lassen.
Diese „Ordnung“ der Welt im Geist weltweit freier kapitalistischer Konkurrenz ist einerseits das Resultat der Entkolonialisierung, die die USA noch zusammen mit der Sowjetunion gegenüber den ehemaligen Kolonialstaaten, insbesondere England und Frankreich, durchgesetzt haben. Und sie ist das Resultat des Kalten Kriegs, an dessen Ende sich der „totgerüstete“ kommunistische Ostblock selbst aufgelöst hat.
Das Ende des Kalten Kriegs – den westlichen Bevölkerungen wurde stets die Existenz des kommunistischen Störenfrieds als Grund für den Unfrieden auf der Welt genannt – hat allerdings nicht für ein Ende des weltweiten Aufrüstens gesorgt, schon gar nicht bei den Nato-Staaten, die ihr Militärbündnis nach der Auflösung des Warschauer Pakts keineswegs ad acta gelegt haben. Das ist auch kein Wunder. Die nun „endlich“ weltweit geltende Geschäftsordnung, die ihrerseits Resultat gewaltsamer Auseinandersetzungen ist, bringt aus sich heraus permanent harte Gegensätze zwischen den Staaten zustande und ist kein Verhältnis wechselseitigen Vorteils, keine win-win-Situation, wie gerne behauptet wird.
Handel und Kapitalverkehr zwischen kapitalistischen Nationen dienen schließlich dazu, dass sich aneinander bereichert wird. Auch wenn es Phasen gibt, in denen davon geschwärmt wird, dass Handels- und Investitionsverträge allen Beteiligten von Nutzen sind und es für alle aufwärts geht – letztendlich werden die Erfolge eines Landes auf Kosten eines anderen errungen; das zeigt sich spätestens auf der Ebene der Konkurrenz der Währungen.
Die Klagen westlicher Politiker und Journalisten darüber, dass China einen ungeheuren Aufstieg als Wirtschaftsnation hinlegt, bieten übrigens ein gutes Beispiel. Während ja ansonsten gerne lauthals betont wird, dass die Entwicklungsländer sich durch Teilnahme am Weltmarkt aus ihrer Lage herausarbeiten sollen, um so Hunger und Unterentwicklung hinter sich zu lassen, ist de facto kein westliches Land froh darüber, dass China – früher einmal das „größte Entwicklungsland der Welt“ – genau das geschafft hat und zu den führenden Staaten dieser Erde aufsteigt. Die Befürchtungen über die weiteren Konsequenzen von Chinas neuen Fähigkeiten, die jede Woche lauter werden, zeigen ziemlich deutlich: Deren Erfolg nimmt „uns“ (der BRD, den USA usw.) etwas weg, geht auf „unsere“ Kosten[...]
Nicht nur Russland will den Ukraine-Krieg
Russland wehrt sich mit dem Krieg in der Ukraine, der übrigens ebenso völkerrechtswidrig ist wie der Nato-Krieg in Jugoslawien, der Afghanistan- und der Irak-Krieg, gegen eine weitere Ost-Ausdehnung der Nato. Putin hatte zuvor in unzähligen diplomatischen Initiativen Respekt für die russischen Sicherheitsinteressen verlangt, die ein weiteres Heranrücken westlicher Armeen und Raketenbasen und ein Infragestellung der russischen Schwarzmeer-Flotte nicht erlauben – ein Verlangen, dessen Berechtigung von einigen westlichen Militärs durchaus begriffen wird, wie die Stellungnahmen von Harald Kujat, Erich Vad und Jacques Baud belegen.
Nachdem die westlichen Staaten darauf nicht eingegangen sind und eine Nato-Mitgliedschaft der seit 2014 massiv mit westlichen Waffen aufgerüsteten Ukraine kurz bevorstand, hat Putin den laufenden Krieg begonnen – als „militärische Spezialoperation“, d.h. mit angekündigt begrenzter Reichweite und Dauer. Heute besteht das unmittelbare russische Kriegsziel wohl in der Sicherung der Donbass-Republiken sowie der Krim und der dort stationierten Schwarzmeer-Flotte.
Wenn Russland sich damit durchsetzen könnte, wäre das allerdings – auf einer höheren Ebene – gleichzeitig ein Durchbrechen des Weltgewaltmonopols, wie es die USA für sich in Anspruch nehmen: Nur sie dürfen ungestraft Krieg führen auf der Welt und nur sie erlauben anderen Staaten, so etwas ungestraft zu tun. Nur sie dürfen Grenzen verschieben, Separatisten ins Recht setzen oder verbieten.
Insofern stellt dieser Krieg in der Tat einen Anschlag auf die geltende unipolare Weltordnung dar – ein Grund dafür, dass ihn viele Länder insbesondere aus dem globalen Süden keineswegs verurteilen und sich auch nicht an den geforderten Wirtschaftssanktionen beteiligen, die ihre miserable Lage in der Weltmarktkonkurrenz noch weiter verschlechtern würden.
Die USA nutzen diesen Krieg gleich mehrfach. Sie schädigen Russland durch einen Stellvertreterkrieg auf dem Territorium der Ukraine und „bis zum letzten Ukrainer“ militärisch massiv. Durch den parallel geführten (und ebenfalls völkerrechtswidrigen) Wirtschaftskrieg versuchen sie, die ökonomischen Grundlagen Russlands zu attackieren – den Handel mit Öl, Gas und Waffen.
Sie schlagen ihrem guten „Freund und Alliierten“ Deutschland seine bislang vorteilhafte Energie-Versorgung mittels russischem Öl und Gas aus der Hand, schrecken dabei auch vor staatsterroristischen Akten nicht zurück und verderben ihm – aus ihrer Sicht möglichst dauerhaft – sein Russland-Geschäft sowie seine (zeitweise) guten diplomatischen Beziehungen zu Moskau, die ihm auch eine gewisse Distanz zur verlangten Unterordnung unter die US-Politik erlaubt haben....
- vollständiger Artikel: https://overton-magazin.de/top-story/abweichende-bemerkungen-zur-weltlage/