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Vielerorts in Europa gibt es längst Energiepreisdeckel und Übergewinnsteuern. (Von Raphaël Schmeller und Alexander Reich)
Seit Monaten lassen die Energiepreise Abermillionen verarmen, während Energiekonzerne Rekordgewinne machen. Staatliche Gegenmaßnahmen liegen auf der Hand. Viele Regierungen in Europa haben inzwischen Preisobergrenzen festgelegt und/oder »Übergewinnsteuern« für Krisenprofiteure. Zählt man die Länder, die bisher Energiepreisdeckel eingeführt haben, aber keine Sondersteuer, kommt man auf mindestens acht: Frankreich, Portugal, Österreich, Norwegen, Bulgarien, Kroatien, Slowenien und Estland.
Die Mitglieder der Europäischen Union wollen in ihrer Mehrzahl einen EU-weiten Gaspreisdeckel. Am Dienstag schickten 15 der 27 Staaten einen Brief mit dieser Forderung an die EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Unterzeichnet war das Schreiben von Regierungsvertretern aus Belgien, Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Slowenien und der Slowakei.
Die Länder fordern Brüssel auf, einen Gesetzesvorschlag für einen Höchstpreis zu erarbeiten. Die nicht genauer bezifferte Obergrenze solle sowohl für Gaslieferungen aus dem Ausland gelten als auch für Transaktionen an Großhandelsplätzen innerhalb der EU.
Mit dem Deckel könne der Inflationsdruck eingedämmt werden, argumentieren die Staaten. Außerdem könnten so »die Versorgungssicherheit und der freie Fluss von Gas innerhalb Europas gewährleistet« werden.
Gegen sich haben die 15 Länder insbesondere die Regierung der BRD, die seit Monaten auf dem Markt alle EU-Mitgliedstaaten überbietet, um ihre Speicher zu füllen. Gäbe es einen Deckel, könnten die Deutschen den Markt nicht mehr leerkaufen, was die Preise nach oben treibt (von wegen freies Spiel der Kräfte).
Den 15 Verfassern des offenen Briefs gehen die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission nicht weit genug. Brüssel hat bisher auch keine konkreten Pläne für einen Preisdeckel veröffentlicht, zuletzt aber immerhin vorgeschlagen, zunächst einmal »übermäßige Gewinne« von Öl- und Gaskonzernen sowie Stromproduzenten abzuschöpfen und mit dem Geld Verbraucher zu entlasten.
Auch das wird mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aller Voraussicht nach nicht zu machen sein: Keine zusätzlichen Steuern, Festhalten an der Schuldenbremse – das ist sein Mantra. Von Übergewinnen weiß er nicht, ob es sie überhaupt gibt.
Nun gut, der Druck auf die Bundesregierung wächst. Am Mittwoch erklärte Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte: »Der Energiepreisdeckel muss jetzt kommen.« Am 8. Juli hatte der Sozialdemokrat einen Antrag auf Prüfung einer Übergewinnsteuer in den Bundesrat eingebracht und war damit an den unionsgeführten Ländern gescheitert. »Die Kluft zwischen den wenigen Gewinnern und den vielen Verlierern wird in der Sommerpause tiefer«, sagte er anschließend – und sollte recht behalten, auch mit einer Alltagsbeobachtung: »Ich bin mir sicher, dass die Menschen im Land merken: Da stimmt etwas nicht. Das kann so nicht richtig sein.«
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