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Über die Unterdrückung der Opposition und den rechten Terror in der Ukraine unter der Knute des Westens. Ein Gespräch mit Wolodimir Tschemeris (Von Susann Witt-Stahl)
...Faschisten und andere Rechtsextremisten hatten früher wenig Rückhalt in der Bevölkerung, aber sie sind Teil des Strafapparats der herrschenden Klasse geworden. 2014 haben die lokalen Behörden in vielen Städten damit begonnen, sogenannte Stadtwachen aufzustellen. Den Kern dieser paramilitärischen Einheiten bilden rechte Strukturen. In Kiew zum Beispiel besteht die »Stadtwache« aus Mitgliedern der militanten Nazigruppe »C14«, die schwere Gewalttaten zu verantworten hat und der die mutmaßlichen Mörder von Oles Busina angehören – sie wurde 2010 als Jugendorganisation der rechtsextremen »Swoboda«-Partei gegründet. Die »Wächter« sind auch berüchtigt für Pogrome gegen Roma. Ebenso für Angriffe auf die 9.-Mai-Kundgebungen, mit denen viele Menschen jährlich den Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland feiern. Sie haben sich in der jüngeren Vergangenheit quasi zu einer Widerstandsbewegung gegen die Kiewer Regierung und deren Verbindungen zu nazistischen Gruppierungen entwickelt. Aber in diesem Jahr wurden die 9.-Mai-Kundgebungen verboten, wie alle anderen Demonstrationen auch. Während des Wahlkampfs 2019, als führende Vertreter des SBU und des Innenministeriums Präsidentschaftskandidaten unterstützten, die gegeneinander antraten, präsentierten beide Seiten Enthüllungen übereinander: Der damalige Innenminister Arsen Awakow behauptete, der SBU finanziere und befehlige »C14«. Die SBU-Führung wiederum behauptete, das Innenministerium würde den nichtmilitärischen Arm der »Asow«-Bewegung – etwa die Partei »Nationales Korps« und die »Nationale Bürgerwehr« »zum Schutz der öffentlichen Ordnung« – steuern....
...Keines der Verbrechen, die öffentliches Aufsehen erregt haben und Rechtsextremisten zuzuordnen sind, wurde bisher ernsthaft untersucht und aufgeklärt. Das gilt für die Morde am 14. März 2014 an zwei Anti-Maidan-Aktivisten in Charkiw, die Morde im Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014 in Odessa, die tödlichen Schüsse von »Asow«-Mitgliedern auf Teilnehmer der 9.-Mai-Kundgebung 2014 in Mariupol, ebenso für den Mord an Busina. Die Mitglieder der »Misanthropic Division«, die 2018 in Lwiw aus Rassenhass den jungen Rom David Pop umgebracht haben, müssen sich bis heute nicht vor Gericht verantworten, auch nicht Sergij Sternenko, Mitglied des »Rechten Sektors«, der einen Mann getötet hat. Erst recht nicht die »C14«-Nazis, die 2017 den linken Studenten Stanislaw Sergijenko mit Messern attackiert und schwer verletzt haben – bislang sind mir keine Fälle bekannt, in denen Angehörige der »Stadtwachen« sich für rassistisch oder nationalistisch motivierte Gewalttaten verantworten mussten. Die Tatsache, dass die mutmaßlichen Täter nicht vor Gericht gestellt werden, führt dazu, dass solche Verbrechen immer wieder begangen werden....
Wolodimir Tschemeris ist Menschenrechtsaktivist und Publizist in Kiew. 1982 schloss er sich der Perestroika-Bewegung an, war Mitgründer der Ukrainischen Helsinki-Gruppe und einer der Organisatoren der »Revolution auf Granit« genannten Studentenproteste im Oktober 1990, die die Unabhängigkeit der Ukraine anstrebten. 1994 wurde er als überparteilicher Kandidat in die Werchowna Rada gewählt. 2000 war er Ko-Koordinator der Kampagne »Ukraine ohne Kutschma«, 2004 initiierte er einen Wahlboykottaufruf gegen Wiktor Janukowitsch und gegen Wiktor Juschtschenko und wandte sich auch gegen die »Orange Revolution«. Seit einigen Jahren ist Tschemeris in der marxistischen Linken aktiv und hat bis 2021 mit dem Bündnis »Tscherwonij« zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Abschaffung der Meinungsfreiheit und gegen die Pressezensur organisiert. Bis 2014 veröffentlichte er Beiträge in diversen ukrainischen Tageszeitungen und Magazinen, darunter Ukrainska Prawda und Den. Die Fernsehsender, bei denen er auftrat – beispielsweise News One, 112, ZIK – wurden mittlerweile gesperrt, ebenso die Webseiten linker und anderer kritischer Medien, in denen er publiziert hat.
- https://www.jungewelt.de/artikel/433607.ukraine-faschisten-geh%C3%B6ren-zum-strafapparat.html